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c) Bevorzugung im Wettbewerb

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§ 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfordert eine (angestrebte) Bevorzugung „im (in- oder ausländischen) Wettbewerb“ des Vorteilgebers mit seinen Konkurrenten oder im Wettbewerbsverhältnis des Drittbegünstigten. Der Vorsatz des Täters muss sich demnach auf das Bestehen einer Wettbewerbslage im Zeitpunkt der Bevorzugung (d.h. des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen) und nicht bereits im Zeitpunkt der Tathandlung richten.[315] Zum Teil wird das Erfordernis einer Wettbewerbslage bereits dem Merkmal der „Bevorzugung“ entnommen: Diese bedeute die Entscheidung zwischen mindestens zwei Bewerbern, setze also Wettbewerb und die Benachteiligung eines Konkurrenten voraus.[316] Mitbewerber sind alle Marktteilnehmer, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art anbieten;[317] für das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses (i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG) ist es daher nicht erforderlich, dass sich im Einzelfall ein anderer Bewerber um den Absatz seiner Waren oder Dienstleistungen (bzw. den Bezug von solchen) bemüht;[318] maßgeblich ist ein weiter, marktbezogener Begriff des Mitbewerbers.[319] Darunter fallen nicht private Arbeitnehmer, die sich bei der Arbeitsplatzsuche in der Konkurrenz um eine Arbeitsstelle befinden. Denn ein „konkretes Wettbewerbsverhältnis“ kann nach vorherrschender Ansicht nur zwischen Unternehmen (als Mitbewerber) bestehen.[320] Aufgrund der subjektivierten Fassung des Tatbestandes („bevorzuge“)[321] muss das Wettbewerbsverhältnis zu keinem Zeitpunkt tatsächlich vorliegen; dem Charakter eines abstrakten Gefährdungsdelikts entsprechend ist die Vorstellung des Täters ausreichend, auf dem Markt, auf dem die Bevorzugung erfolgen soll, werde (in Zukunft[322]) Wettbewerb bestehen.[323] Der Vorstellung eines bestimmten (gar namentlich bekannten) Mitbewerbers bedarf es dabei nicht.[324]

Beispiel

Der Einkäufer eines Herstellers von Endprodukten verlangt einem Hersteller von Zuliefer-Teilen regelmäßig wertvolle Geschenke ab, damit er bei ihm „im Geschäft bleibe“. Entgegen der Annahme des Einkäufers gibt es auf dem Markt gegenwärtig keinen anderen Zulieferer, der passende Teile anbietet.

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Am erforderlichen wirtschaftlichen Konkurrenzverhältnis – und damit überhaupt an der Möglichkeit einer Bevorzugung – fehlt es, wenn sich der beabsichtigte Bezug von Waren und Dienstleistungen lediglich als „Verteilung“ zu gleichen Bedingungen darstellt (etwa die Vergabe von Krediten ohne Bonitätsprüfung oder Sicherheitsbestellung durch einen bestochenen Bankmitarbeiter bei ausreichender Liquidität der Bank)[325] oder auf Seiten des Vorteilsgebers ein Monopol besteht,[326] es sei denn, dass durch die erstrebte Bevorzugung bezweckt wird, zukünftige („potentielle“) Wettbewerber auszuschalten.[327] Wettbewerb findet auch dann nicht statt, wenn die Entscheidung zugunsten eines Bewerbers bereits feststeht[328] und die Zuwendung allein dem Zweck dient, einen Rücktritt vom Vertrag zu verhindern.[329]

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Kein Wettbewerbsverhältnis besteht ferner zwischen einem Unternehmen und sog. „Alleinvertretern“.[330] Damit ist formell unabhängiges Vertriebspersonal gemeint, das faktisch aber eindeutig dem Lager des Unternehmens zuzurechnen ist, dessen Waren oder Dienstleistungen es vermittelt. Ein Beispiel dafür lässt sich im Versicherungsstrukturbetrieb finden, in dem selbständige Versicherungsvertreter (§§ 84 ff., 92 HGB) häufig ausschließlich die Versicherungsleistungen von nur einem Unternehmen vertreiben.[331] Wenn der Alleinvertreter Waren oder Dienstleistungen lediglich von einem Unternehmen bezieht bzw. diese vermittelt, besteht zwischen den Partnern kein wirtschaftliches Konkurrenzverhältnis mit der Folge, dass eine Strafbarkeit nach § 299 StGB ausscheidet, wenn das Unternehmen dem Alleinvertreter bzw. dessen Angestellten „Incentives“ (etwa in Form von Bonuszahlungen) für besondere Absatzerfolge in Aussicht stellt.[332] Sobald der Alleinvertreter jedoch nicht mehr ausschließlich für ein Unternehmen tätig wird, sondern ein Sortiment mit Produkten Dritter aufbaut, kann ein Wettbewerbsverhältnis entstehen.[333]

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Ist dem Auftragsvergabeverfahren ein Zulassungsverfahren vorgeschaltet, stellt sich die Frage, ob bei Hilfe zur Erlangung der Zulassung bereits von einer „Bevorzugung im Wettbewerb“ auszugehen ist. Der BGH stellt dazu fest, dass das Zulassungsverfahren zwar als solches nicht durch eine Wettbewerbssituation gekennzeichnet ist,[334] nimmt aber dennoch „im Hinblick auf die Verflechtung zwischen dem Zulassungs- und Vergabeverfahren“[335] im Rahmen einer Gesamtbetrachtung eine Bevorzugung im Wettbewerb an.[336] Dieser BGH-Position sind einige Autoren aus dem Schrifttum entgegengetreten: Die Entscheidung über die Zulassung eines Bewerbers enthalte inhaltlich nur eine Bescheinigung über die technische und wirtschaftliche Verwendbarkeit seiner Produkte und schließe Konkurrenzprodukte anderer Hersteller nicht aus; über den vorgeschalteten „Qualitätsfilter“ würden lediglich völlig ungeeignete Bewerber aussortiert.[337] Das sog. Präqualifikationsverfahren stehe danach also grundsätzlich allen Marktteilnehmern offen und sei nicht durch eine Wettbewerbssituation in Form eines Ringens mehrerer Bewerber um eine begrenzte Anzahl von Zulassungen gekennzeichnet.[338] Aus diesem Grund sehen die Kritiker die durch Manipulation erreichte Zulassung bei Erfüllung der Voraussetzungen nicht als Bevorzugung gegenüber anderen zugelassenen Konkurrenten an;[339] vielmehr gehe es um eine Gleichstellung mit diesen Unternehmen.[340] Außerdem führt nach dieser Ansicht eine bevorzugte Behandlung in diesem Verfahrensabschnitt (bei einem an sich wettbewerbsfähigen Produkt) nicht zu einer Bevorzugung bei der späteren, nach den Regeln des Wettbewerbs durchgeführten Auftragsvergabe.[341] Mit Blick auf die nicht zugelassenen Konkurrenten soll in der Zulassung jedenfalls keine Bevorzugung „beim Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen“ liegen; der Wortlaut sperre sich, ein Zulassungsverfahren, das weit im Vorfeld der eigentlichen Auftragsvergabe und damit des auf die Erlangung der Ware gerichteten Geschäfts durchgeführt werde, unter dieses Tatbestandsmerkmal zu subsumieren.[342]

Die Kritik hat Gewicht. Dennoch sprechen die besseren Argumente für die Position des BGH.[343] Die verschiedenen Stufen der Vergabe können nicht getrennt voneinander beurteilt werden; vielmehr stellen das „Präqualifikationsverfahren“ und das wettbewerbliche Hauptvergabeverfahren eine Einheit dar.[344] Im Rahmen des Zulassungsverfahrens wird untersucht, ob das jeweilige Unternehmen grundlegende Kriterien erfüllt, deren Einhaltung ansonsten im Hauptverfahren überprüft werden müsste.[345] Es verbessert aufgrund der Möglichkeit zur Teilnahme an der späteren Vergabeentscheidung die Wettbewerbslage des Bewerbers – und zwar auch gegenüber bereits zugelassenen Konkurrenten, deren Position sich durch das Hinzutreten eines weiteren Wettbewerbers verschärft.[346] Nimmt man nun das Leistungsprinzip als Entscheidungsmaßstab für Bevorzugungen im Wettbewerb[347] Ernst, liegt bereits in einer unlauteren Einflussnahme auf das Zulassungsverfahren eine (abstrakte) Gefahr für das von § 299 StGB geschützte Rechtsgut.[348] Die erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine „Vorverlagerung“ der Strafbarkeit greifen nicht durch.[349] Ein entsprechend weiter Begriff des Wettbewerbs findet sich auch im UWG, dem die Regelung der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr entstammt; nach dem dortigen Verständnis kann von einem konkreten Wettbewerbsverhältnis schon dann gesprochen werden, wenn zwei Unternehmer auf demselben sachlichen und räumlichen Markt tätig sind und die konkrete Wahrscheinlichkeit des Marktzutritts besteht.[350] Auf die Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen durch das bestechende Unternehmen kann es demnach nicht ankommen; die nachträglich gewonnene Erkenntnis, dass das Unternehmen auch unter Anwendung sachlicher Entscheidungskriterien zugelassen worden wäre, kann die Strafbarkeit nach § 299 StGB mit Blick auf das Rechtsgut nicht beeinflussen.[351]

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