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aa) Grundsätzliches/Prototyp

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Den Kern des tatbestandlichen Unrechts des § 299 StGB stellt die sog. Unrechtsvereinbarung dar.[250] Diese setzt voraus, dass zwischen dem Vorteil und der Bevorzugung im Wettbewerb – jedenfalls nach der Tätervorstellung – ein Gegenseitigkeitsverhältnis dergestalt vorliegt, dass der Vorteil gerade zur Erlangung der zukünftigen unlauteren Bevorzugung geleistet werden soll („dafür“). Es bedarf somit einer Verknüpfung i.S. eines do ut des.[251] Dem Merkmal der Unrechtsvereinbarung kommt angesichts des nach h.M. überaus weit zu interpretierenden Vorteilsbegriffs (Rn. 35) und der früh einsetzenden Tathandlungen (Rn. 33) eine große Selektionsleistung zu. Bevor die Anforderungen an das anspruchsvolle Gegenleistungsverhältnis i.S.d. Wettbewerbsvariante näher behandelt werden, sind für ein besseres Tatbestandsverständnis zunächst einige grundsätzliche (Struktur-)Überlegungen voranzustellen.

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Das Wesen der Korruptionsdelikte liegt – wie schon bei der Analyse von Rechtsgut und Deliktscharakter herausgearbeitet (Rn. 11 ff.) – im Abschluss eines regelwidrigen Tauschgeschäfts; getauscht wird ein Vorteil gegen eine Bevorzugung im Wettbewerb.[252] Es ist nun aber gerade das Kennzeichen von Austauschverträgen und begriffsnotwendig, dass die ausgetauschten Leistungen voneinander abhängig sind. Wenn das für die Annahme eines tatbestandsmäßigen Synallagmas ausreichen würde, wären weite Bereiche normalen privatwirtschaftlichen Verhaltens kriminalisiert – das kann nicht sein! Zudem: Strafbar ist die tatbestandlich geforderte Unrechtsvereinbarung nur, wenn ein Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens für sich (oder einen Dritten) einen Vorteil fordert, sich versprechen lässt oder annimmt (bzw. ihm von der Gegenseite angeboten, versprochen oder gewährt wird). Der Geschäftsinhaber selber ist nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Norm kein tauglicher Täter des § 299 Abs. 1 StGB (Rn. 17).[253] Als Verstoß gegen die Regeln eines lauteren Wettbewerbs wird sein Verhalten nicht gewertet, weil von ihm keine Anreizwirkung für unsachliche Entscheidungen ausgeht. Denn ihre wirtschaftlichen Folgen treffen den Geschäftsherrn als Inhaber des Vermögens selbst.[254] Dieser kann aufgrund der ihm zukommenden Vertragsfreiheit die Parameter für seine wettbewerblichen Entscheidungen grundsätzlich willkürlich bestimmen.[255] Als Marktteilnehmer steht es ihm frei, seine Entscheidungen an den Maßstäben auszurichten, welche er für sich als vorteilhaft erkennt.[256] Dieser individuelle Maßstab des Interesses von Markteilnehmern folgt aus dem subjektivierten Leistungsbegriff, der dem Leistungswettbewerb zugrunde liegt.[257] Gleiches muss in Bezug auf die Sachlichkeit der Entscheidung (im korruptionsstrafrechtlichen Sinne) gelten, wenn nicht der Geschäftsherr selbst, sondern ein Angestellter als sein Vertreter die Vorteile für den Geschäftsherrn aushandelt.

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Der Weg aus dieser tatbestandlich erzeugten Spannung – Strafbarkeit nur des Agenten, nicht aber des Geschäftsherrn bei der vorteilsbeeinflussten Aushandlung von Verträgen – und damit die Lösung des Problems ergibt sich aus Folgendem: Es genügt nicht, zur Klärung der Frage nach dem Vorliegen des spezifischen Korruptionsunrechts gem. § 299 StGB – in den Wettbewerbsvarianten – den Blick nur auf die Unrechtsvereinbarung zu richten. Vielmehr ist zu erkennen, dass die Unrechtsvereinbarung neben die eigentliche Bezugsvereinbarung treten muss. Der Bezug von Waren oder Dienstleistungen ist um eine Vereinbarung zu ergänzen, nach der die Beteiligten zumindest anstreben, dass ein Vorteil für den Abschluss des Bezugsvertrages gewährt wird. Neben dem eigentlichen Austauschvertrag bedarf es daher einer gesonderten Abrede zwischen dem Angestellten und dem Vorteilsversprechenden. Erst durch diese zwar inhaltlich miteinander verknüpften, gedanklich aber zu trennenden zwei Leistungsbeziehungen entsteht die Gefahr, dass der Bezugsvorgang nicht dem Leistungsprinzip (ausgerichtet an den Parametern Preis, Qualität, etc.) entspricht und somit eine gem. § 299 StGB strafbare Verzerrung des Wettbewerbs droht. Erst aufgrund dieser zusätzlichen (Unrechts-)Vereinbarung ist zu befürchten, dass sich der Angestellte bei seiner für das Anstellungsunternehmen zu treffenden Bezugsentscheidung nicht mehr (ausschließlich) an den wirtschaftlichen Interessen seines Geschäftsherrn, sondern (zumindest auch) an dem versprochenen Vorteil orientiert.[258] Nur im Falle einer zusätzlichen (Vorteils-)Vereinbarung gibt es ein Motiv des Agenten, bei seiner Entscheidung als Vertreter des Geschäftsherrn pflichtwidrig im eigenen egoistischen Interesse (oder dem eines nahestehenden Dritten) tätig zu werden und dadurch den Leistungswettbewerb um die Bevorzugung beim Bezug von Waren oder Dienstleistungen auszuschalten.[259] Der Bezugsvertrag allein, der den Austausch von Leistung und Gegenleistung zwischen dem Geschäftsinhaber und dem Zuwendenden regelt, birgt dagegen keine Gefahr, dass der durch den Leistungswettbewerb gewollte Leistungsvergleich ausbleibt. Das Vorteilsverlangen als Teil der (Verhandlungen über eine) Bezugsvereinbarung ist vielmehr normales wettbewerbliches Verhalten. Daran ändern auch gewährte besonders hohe Sachprämien, extravagante Luxusartikel etc., die das Betriebsergebnis des Geschäftsinhabers verbessern, nichts; erst als Teil einer Unrechtsvereinbarung gerät das Verhalten in das Fahrwasser des § 299 StGB.[260]

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Das Erfordernis einer Unrechtsvereinbarung neben dem Bezugsvertrag ist letztlich auch in jüngeren Entscheidungen des BGH[261] sowie einschlägigen Beiträgen der überwiegenden Literatur[262] angelegt,[263] die jeweils für das Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung verlangen, dass die Bevorzugung eine sachfremde Entscheidung des Angestellten für einen Bewerber darstellt. Dieses Kriterium der Sachfremdheit macht deutlich, dass sich die Unrechtsvereinbarung gerade darauf beziehen muss, dass sich der Angestellte nicht im Interesse des Anstellungsunternehmens verhält, sondern seinem eigenen Interesse am Vorteil folgt. In der Praxis werden Vorteilsgewährleistungen mit dieser Zielrichtung daher zumeist geheim gehalten.[264] Der Prototyp der Bestechung im geschäftlichen Verkehr besteht demnach in einer verschleierten,[265] d.h. gegenüber dem Geschäftsinhaber nicht aufgedeckten Vorteilsgewährung an den Angestellten selbst oder eine ihm nahestehende Person. Handelt der Angestellte dagegen ausschließlich im wohlverstandenen Interesse des Geschäftsherrn, stellt die Entscheidung des Angestellten eine sachliche Entscheidung dar, die keine Unrechtsvereinbarung begründet.[266]

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