Читать книгу Zwischen Puff und Barcelona - Ben Redelings - Страница 10
ОглавлениеWenn der Designer im LSD-Rausch ist |
Sind die jeck beim Effzeh? Was war das bitte schön? Kölner Stunksitzung im Karnevalstrikot? Spöttern fehlte nur ein Tusch. Doch das hässlichste Trikot der Fußball-Bundesliga ist es trotzdem nicht. Das ist immer noch regenbogenfarben.
Das Karnevals-Jersey der Kölner hat am letzten Wochenende für zahlreiche Lacher gesorgt. Und auch wenn dieses Hemd ganz weit vorne im Reich der Geschmacksverirrungen landet, der gezielte Angriff vonseiten des 1. FC Köln auf den Titel-Thron des „hässlichsten Trikots aller Zeiten“ ist dennoch knapp gescheitert: Diesen ruhmbehafteten Platz am Designer-Himmel lässt sich der VfL Bochum nicht streitig machen.
Denn wer kennt es nicht, das kunterbunte Papageien-Jersey aus der Saison 1997/98? Damals pfiffen sich Hunderte Anhänger des Revierklubs live im WDR-Fernsehen die Seele aus dem Leib. Und das, obwohl man noch wenige Augenblicke zuvor im Bochumer Schauspielhaus siegestrunken und ausgelassen den erstmaligen Einzug des Vereins in einen europäischen Wettbewerb gefeiert hatte. Als der eigentliche Höhepunkt des Abends erfolgen sollte, begann das Dilemma. Die Präsentation der neuen Trikots für die folgende UEFA-Cup-Saison ging in die Geschichte der Bundesliga ein.
Gespannt warteten die Fans an diesem legendären Abend, bis sich der rote Vorhang zur Seite schob und man endlich sehen konnte, in welchem Outfit sich der Klub auf den Weg nach Europa machen sollte. Was dann zu hören war, erinnerte an Schreie aus übelsten Splatterfilmen. Als diese langsam verstummten und einer ungläubigen Ohnmacht wichen, ertönte die laute Stimme eines entsetzten VfL-Fans. Auf den Aufnahmen des WDR ist gut zu hören, wie er im schnörkellosen Idiom der Region rief: „Boah, wie scheiße sieht dat denn aus!“
Als die Mannschaft einen Tag später auf dem Bochumer Rathausbalkon empfangen wurde, sangen die Anhänger unten auf dem Vorplatz immer wieder: „Wir wollen blau-weiße Trikots, blau-weiße Trikots!“ Der Wunsch wurde bekanntermaßen nicht erhört.
Damals hatte der Bochumer Sponsor, die Lottofirma Faber, erstmals auch den Job des Ausrüsters übernommen und diese Chance beim Schopf gepackt. Das kunterbunte Logo des Unternehmens erstreckte sich in seiner umfangreichen Farbpalette über die gesamte linke Seite des Jerseys. Nicht wenige stellten sich die Frage, ob hinter Faber tatsächlich eine Lottofirma oder nicht doch vielleicht eher ein Hersteller für Buntstifte steckte. Ein kostenloser LSD-Rausch der Sinne war die Folge. Als VfL-Bochum-Anhänger hatte man schwere Stunden des Selbstzweifels und der inneren Einkehr vor sich.
Doch anders als erwartet, hatten die zuerst schmerzlichen Auswirkungen der fortschreitenden Kommerzialisierung des Fußballs auch ihre positiven Seiten. Trotz sechs wirklich ansehnlicher und teils spektakulärer Partien im internationalen Wettbewerb gegen Trabzonspor, Brügge und Ajax Amsterdam kannte den VfL Bochum schon ein Jahr später in Europa niemand mehr. Sportlich. Mit diesen Trikots hatte sich der Verein jedoch in das kollektive Gedächtnis der Fans eingebrannt. Als ich 2004 auf einer Irland-Rundreise einen Engländer aus Reading kennenlernte, wusste er zuerst mit dem Klub tief aus dem Westen der Republik nichts anzufangen. Bis es ihm langsam dämmerte und er zu grinsen begann: „Are you kidding me? That’s your club? Fantastic jerseys. Really ugly!“
Und damit war klar: Sportlich kennt den VfL Bochum außerhalb Deutschlands fast niemand, aber den Verein mit den hässlichsten Trikots aller Zeiten in einem europäischen Wettbewerb, den haben viele nicht vergessen. Faber sei Dank!
Und auch in Deutschland waren die Regenbogenhemden des VfL der letzte Schrei in der Liga. Die Kaiserslauterer Fans skandierten bei ihrem Auswärtsspiel in Bochum 90 Minuten lang nur eine einzige Zeile: „Ihr habt hässliche Trikots!“ Was soll man sagen? Es wirkte. Die Partie ging 1:3 verloren.
Einige Jahre später spielte der VfL Bochum übrigens in rosafarbenen Trikots. Als der Zeugwart die Jerseys kurz vor der Saison zur Anprobe rauslegte, weigerten sich die Spieler, die Hemden anzuziehen. Man versteifte sich teamintern sogar zu der Aussage: „Müssen wir die Dinger in einem Meisterschaftsspiel tragen, dann werden wir verlieren.“ Man kann der damaligen Mannschaft viele Vorwürfe machen, aber nicht, dass sie sich nicht daran hielt, was sie einmal versprach. Man verlor folgerichtig die Begegnung in Rosa auf Schalke sang- und klanglos mit 0:3.
Übrigens: Wer sich einen alten Klassiker aus dem „Aktuellen Sportstudio“ ansieht, in dem sich ein Designer damals für mehrere Bundesligavereine neue Trikots ausgedacht hatte (besonders schön der Satz von Moderator Hanns Joachim Friedrichs: „Für unsere Schwarz-Weiß-Zuschauer muss man die Farben erst einmal erklären“), die anschließend tanzend (!) präsentiert wurden, der wird sich verwundert zeigen. Da hatte doch tatsächlich im Jahre 1974 der Modedesigner dem MSV Duisburg das spätere Papageientrikot des VfL untergejubelt. Getragen haben es die Meidericher nie. Gut für den VfL Bochum. Dieser Titel des „hässlichsten Trikots aller Zeiten“ scheint uns bis in alle Ewigkeit nicht mehr zu nehmen.