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Dem BVB ist ein Wunderkind geboren

Die Bundesliga hat in ihren 57 Jahren schon so manches Debüt eines jungen Spielers gesehen. Aber das, was Erling Braut Haaland für den BVB in Augsburg auf den Platz gezaubert hat, übertrifft einfach alles.

„Wunder gibt es immer wieder“, hat Katja Ebstein 1970 voller Inbrunst ins Mikrofon geschmettert. Damals war Erling Braut Haaland minus 30. Erstaunlich also, dass Ebstein schon damals die Gefühlswelt der BVB-Fans in diesen Tagen so passgenau in Worte gekleidet hat: „Wenn sie dir begegnen, musst du sie auch sehen.“ Das haben sie. Alle. An diesem entzückenden Wochenende, an dem der junge Norweger so spielerisch leicht jeden im Vorfeld getätigten „Heiland“-Scherz höchstpersönlich mit seinem Hattrick in Augsburg ins Lächerliche gezogen hat.

Wenn Namensspielchen von der Wirklichkeit wie die bemitleidenswerten FCA-Profis am Samstag links wie rechts überholt werden, ist eigentlich Vorsicht geboten. Es gab schließlich in der Geschichte der Bundesliga schon eine Menge Wunderkinder. Aber keines ist wie Erling Haaland. Er steckt sie alle in die Tasche. Jeder Vergleich erübrigt sich. Wenn Haaland auch nur annähernd das Niveau vom Samstag halten kann, wird er sich nicht nur in Dortmund unsterblich machen. Die norwegische Naturgewalt hat mit ihrer unwiderstehlichen Power jede vernünftige Zurückhaltung und angemessene Weitsicht niedergewalzt. Sie werden in Dortmund hoffentlich erst gar nicht versuchen, die Euphorie um Haaland künstlich kleinzuhalten. Der Geist ist aus der Flasche gelassen – jetzt ist Showtime.

Wer die Bundesliga schon etwas länger verfolgt, weiß: Diese Art von Spieler hat die Liga so noch nicht gesehen. Groß, bullig, wendig, schnell – und dabei offensichtlich auch noch so spielintelligent, dass Haaland bei jedem Tor des BVB nach seiner Einwechslung am Samstag goldrichtig stand. Auch wenn Sancho oder Hazard eher am Ball waren – Haaland lief quasi parallel mit ihnen los. Bilder, wie es sie so schon lange nicht mehr gegeben hat. Und wie der Norweger den Ball zum 5:3 – umzingelt von einem Rudel Augsburger – einnetzt, mag auf den ersten Blick wenig spektakulär aussehen. Bei näherem Betrachten ist dieses Tor aber so umwerfend abgezockt und technisch perfekt vollendet wie nur wenige andere. Den ersten Eindruck, den Haaland bei seinem Liga-Debüt hinterließ, kann man nicht kleinreden – auch wenn einem selbst die ganze Schwärmerei fast schon peinlich wird.

Als Brian Laudrup im Sommer 1989 zu Bayer Uerdingen wechselte und die gegnerischen Abwehrreihen schwindelig spielte, waren alle Beobachter entzückt. 20 Jahre jung war der Däne damals, und jeder Bundesliga-Fan wusste: Dieser Mann wird seinen Weg gehen. Aber eins war auch von Anfang an klar: Ein echter Goalgetter wird Laudrup nie werden. Und das unterscheidet Haaland deutlich von ihm. Der Norweger ist nicht nur schnell, sondern auch immens torgefährlich. Marco Reus erinnerte – nicht nur wegen der Hattrick-Duplizität – an das Debüt von Pierre-Emerick Aubameyang vor knapp sieben Jahren. Und in der Tat würde man nicht nur bei der Borussia sehr gut mit der Torquote eines Aubameyang bei Haaland leben können. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied: Der Franzose war bei seinem ersten Spiel für den BVB bereits 24 Jahre jung. Als er im Alter, in dem Haaland jetzt ist, war, hatte Aubameyang längst noch nicht die Klasse und das Niveau, das der Norweger in diesen Tagen bereits zeigt. Die Vorfreude auf die nächsten Partien Haalands ist deshalb groß. Eigentlich kann nur noch eine Sache den Aufstieg des Norwegers zum neuen Superstar am Fußballhimmel stoppen: sein Kopf. Aber im Moment deutet noch nichts darauf hin, dass sich Haaland von seinem eigenen Talent verrückt machen lässt. Das machen schließlich ja auch schon alle, die ihn nur einmal haben spielen sehen.

„Wunder gibt es immer wieder, heute oder morgen, können sie geschehen“, sang Katja Ebstein vor fünfzig Jahren. In Dortmund hat dieses zauberhafte Ereignis wohl tatsächlich Einzug gehalten. Und auch wenn Erling Braut Haaland natürlich nicht der wahre Heiland ist – auf dem Fußballplatz kommt er einem jedenfalls so vor.

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