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Vom Torhagel zum Meistertrainer

Ab jetzt werden in der Fußball-Bundesliga Brände gelöscht. Und die Trainer entlassen. Peter Neururer stünde parat – wie stets, wenn irgendwo etwas frei wird. Aber der erste Feuerwehrmann der Liga war ein anderer. Wer? Das ist eine echte Überraschung!

Es ist wie jedes Jahr. Draußen wird es kalt, und drinnen, in den Hinterzimmern der Liga, wird heiß über die Trainer diskutiert. Und wenn die Situation bereits gar zu hitzig ist, dann wird der eine Coach entlassen und der andere neu eingestellt. Denn nun bedarf es eines echten Feuerwehrmanns, um den Brand schnell zu löschen.

Kaum zu glauben, aber wahr: Der erste so Genannte war lange vor Peter Neururer und Co. der später so sesshafte und erfolgreiche Otto Rehhagel. Als dieser 1978 am neunten Spieltag den Trainerposten von Milovan Beljin in Bielefeld übernahm, bezeichnete ihn der „kicker“ als „Red Adair des Fußballs“. Paul Neal Adair war zu der damaligen Zeit ein populärer US-amerikanischer Feuerwehrmann, der insbesondere in Spezialeinsätzen Großbrände löschte. Ein Held, fast so großartig wie Otto Rehhagel selbst.

Dass Rehhagel im Jahr 1978 noch immer der typische Feuerwehrmann-Trainer war, lag vor allem an seinen schwachen Nerven. In der Spielzeit 1975/76 verlor er nämlich selbige sehr spektakulär. Als junger Übungsleiter der Offenbacher Kickers litt Rehhagel sehr unter den Misserfolgen seines Vereins. Nach drei hohen Niederlagen in Folge – 2:6 in Duisburg, 0:4 gegen RW Essen und 1:5 beim VfL Bochum – traf der gebürtige Essener mit seiner Mannschaft auf den Lokalrivalen aus Frankfurt. Zwar bezwang Offenbach am Ende die Eintracht mit 2:1, doch nach einem Platzverweis für Manfred Ritschel in der sechsten Spielminute war Rehhagel während der gesamten Begegnung nicht mehr zu beruhigen. In der Halbzeitpause rannte er bereits zu Schiedsrichter Walter Eschweiler und fragte ihn wütend, ob er bestochen sei. Eschweiler meldete den Vorfall nach Spielschluss in seinem Bericht an den DFB, und der lud Rehhagel wenige Wochen nach seiner ersten Sperre (ein Monat Pause, weil er seinem Abwehrspieler Amand Theis, ebenfalls in einem Spiel gegen die Eintracht, zugerufen hatte: „Tritt dem Hölzenbein doch in die Knochen“) erneut vor. Eigentlich verlief der Prozess günstig für den Offenbacher Trainer, bis sein eigener Vizepräsident spektakulär vor dem DFB aussagte. Waldemar Klein erklärte, dass ihm der Linienrichter Porta nach dem Spiel erzählt habe: „Wenn ich alles zur Anzeige bringen würde, was der Rehhagel gesagt hat, dann würde das eine Sperre auf Lebenszeit bedeuten.“ Nun musste auch Porta aussagen, und schnell stand das Urteil fest: Rehhagel wurde zu einer zweimonatigen Sperre verurteilt und musste 5.000 Mark Strafe zahlen. Das war zu viel für die Kickers, und sie feuerten ihren überengagierten Trainer fristlos. Doch lange blieb Rehhagel nicht beschäftigungslos.

Nach einem Engagement bei Borussia Dortmund – das nach einer 0:12-Niederlage bei Borussia Mönchengladbach für ihn als Otto „Torhagel“ endete – und dem erwähnten Feuerwehrmann-Einsatz in Bielefeld fand er in der Saison 1979/80 eine Anstellung bei Fortuna Düsseldorf. Damals war Hennes Weisweiler offensichtlich kein Vertreter des Slogans „Otto … find‘ ich gut!“. Nach dem Trainerwechsel bei der Fortuna meinte er: „Für einen guten Mann wie Tippenhauer, der ruhig seine Arbeit macht, einen Sprücheklopfer wie Otto Rehhagel zu holen, ist mir völlig unverständlich.“ Auch sein ehemaliger Spieler Roland Weidle war kein echter Otto-Jünger: „Rehhagel ist ein guter Trainer, aber nur für ein Jahr. Seine Sprüche hängen einem bald zum Hals raus.“ Zwei seiner aktuellen Sprüche in Düsseldorf: „Ich kann nicht langfristig planen und kurzfristig verlieren.“ Und: „Heutzutage ist es einfacher, drei Autos zu klauen, als ein Spiel als Bundesliga-Trainer zu verlieren. Man bekommt keine Zeit.“

Otto Rehhagel sollte Fortuna Düsseldorf vor dem Abstieg retten. Und das versuchte er vor allem über die Sprache zu schaffen. Am Flinger Broich meinte man tatsächlich, dass Rehhagel „einen toten Hund wieder lebendig quatschen kann“. Wie sich das anhörte, zeichnete ein Journalist live beim Training auf. Als die Mannschaft bei einem Waldlauf gerade ächzte und stöhnte, entdeckte Rehhagel zwei Rentner auf einer Parkbank: „Wie alt die wohl sind, die Knaben? Schätze, 65 oder so. Mensch, Jungs, freut euch, dass ihr noch so jung seid. Was glaubt ihr, wenn die beiden alten Knacker noch mal jung sein könnten wie ihr! Wenn die tauschen könnten, die würden aufspringen und drei Stunden Waldlauf machen mit mir!“ Und nachmittags beim Kaffee zeigte Rehhagel, dass er nicht nur mit Menschen gut konnte. Als am Nachbartisch ein Schnauzer unruhig wurde, ging der Coach der Fortuna zu ihm hin und sagte: „Ein guter Trainer ist Tierfreund!“ Und siehe da: Nach einem kleinen Leckerli und ein paar schmeichelnden Worten legte der Hund zufrieden und ruhig seine Schnauze auf Rehhagels Knie.

Seine Tage bei der Fortuna endeten übrigens im Dezember 1980. Seine nächste Station war der SV Werder Bremen. Und aus dem Feuerwehrmann Otto Rehhagel wurde endlich der Erfolgscoach, den wir heute in Erinnerung haben.

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