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„Das waren Mörder!“

Agieren Bundesliga-Spieler zu hart? Ist der Fußball zu ruppig geworden? Oder ging es eigentlich schon immer herzhaft zur Sache? Eine Geschichte über Männer mit Waffenschein, das härteste Foul der Ligageschichte und Beinscheren in Halshöhe.

Kloppertruppen und haufenweise rabiate Ungeheuer sollen mal wieder auf den Plätzen der Bundesliga unterwegs sein. Ein klassisches Totschlag-Argument, das schon seit den frühesten Tagen des Fußballs existiert. Anhänger der alten Schule argumentieren empört dagegen und meinen: Fußball ist kein Hallen-Halma für Klosterschüler.

Und dafür, dass es beim Fußball schon immer etwas ruppiger zur Sache ging, gibt es tatsächlich unzählige Vorbilder und viele kleine unterhaltsame Geschichten. So reisten beispielsweise Ende November 1958 die Kleeblätter aus Oberhausen zur Essener Hafenstraße. Friedhelm Kobluhn und „Boss“ Rahn kämpften vor den Augen des Schiedsrichters mit allen fairen und auch unfairen Mitteln gegeneinander. Kobluhn ließ den Essener so manches Mal über den Platz rutschen, einmal sogar bis auf die Aschenbahn. Die aufgebrachten Zuschauer forderten in dieser Szene lauthals einen Platzverweis für Kobluhn. Der aber beugte sich über den in der grauen Asche liegenden Weltmeister und brüllte: „Markier mal nicht so. Du kannst ja gar nicht Fußball spielen, sondern nur saufen.“ Helmut Rahn blickte entspannt zum RWO-Verteidiger hinauf und entgegnete ruhig: „Und du kannst beides nicht!“

In den sozialen Netzwerken kursieren im Moment Bilder, die Dortmunds Trainer Thomas Tuchel zeigen, wie er sich bei seiner Mama beschwert, dass die Gegner zu hart einsteigen. Dem ersten Schützen der Bundesliga wäre das sicherlich nicht passiert. Denn Timo Konietzkas Mutter Emma kannte kein Erbarmen. Wenn ein Mitspieler auf dem Bolzplatz einem der drei Konietzka-Brüder zu nahe kam, rannte sie auf das Feld und verprügelte die ungehorsamen Gegner ihrer Söhne mit dem Regenschirm. Dieses Verhalten muss der Bundesligaspieler Konietzka wohl auch in den Genen vererbt bekommen haben. Denn der Stürmer des TSV 1860 München war wahrlich „kein Kind von Traurigkeit“.

Das zeigte sich leider auch, als am 8. Oktober 1966, dem achten Spieltag der Saison, seine Sechziger zu Hause gegen seine ehemalige Borussia aus Dortmund antraten. Als Konietzka mit einer Entscheidung des Schiedsrichters Max Spinnler nicht einverstanden war, stieß er den Schiri vor die Brust, riss ihm wütend die Pfeife aus dem Mund, trampelte auf dieser rum und trat Spinnler schließlich auch noch vors Schienbein. Später sagte Konietzka – immer noch wenig einsichtig und rasend vor Wut –, er habe den Mann in Schwarz doch nur ein „klein bisschen“ mit seinen Stollenschuhen getreten. Wie dem auch sei: Konietzka erhielt die für viele Jahre längste Strafe eines Bundesligaprofis. Sechs Monate musste der Angreifer aussetzen. Da kannte der DFB keine Gnade.

Früher gab es im Gegensatz zu heute in jeder Mannschaft zwei, drei richtig harte Jungs. Knochenbrecher, die keinen Spaß verstanden. Der Schalker Hannes Bongartz hatte damals zwei ganz bestimmte „Lieblinge“ als Gegenspieler. Über die Kölner Hansi Sturm und Heinz Simmet sagte er: „Die haben geputzt, da haste manchen Samstagnachmittag gedacht, Mensch, geh lieber ins Parkcafé. Das darf doch gar nicht wahr sein. Das waren Mörder!“

Bayern-Stürmer Karl-Heinz Rummenigge spielte hingegen nicht gerne gegen einen anderen Kölner. Harald Konopka konnte „Rotbäckchen“ nicht leiden – und umgekehrt: „Nach zehn Minuten habe ich gegen den fast immer blutige Stutzen, das ist jedes Mal so.“

Sehr anschaulich auch die Worte von Carl-Heinz Rühl, der damals Trainer bei 1860 München war. Nachdem sein Spieler Heinz Flohe durch eine schwere Verletzung im Dezember 1979, die ihm der Duisburger Paul Steiner zugefügt hatte, arbeitsunfähig geworden war, relativierte Rühl die aktuelle Härte in der Liga: „Es ist keineswegs so, wie viele glauben, dass die Bundesliga härter geworden sei. Es geht schon seit Jahren unheimlich brutal zu. Ich besitze Fotos aus meiner Zeit, da setzen die Gegner die Beinschere sogar an meinem Hals fest!“

HSV-Stürmer Horst Hrubesch war hingegen nicht gut auf den Bochumer Verteidiger Lothar Woelk zu sprechen: „Der Woelk dürfte den Rasen normalerweise nur mit einem Waffenschein betreten. Der tritt auf alles, was sich bewegt.“

In Lautern spielte einst ein Mann namens Günther Reinders, den die Fans aufgrund seiner „blutrünstigen“ Spielweise aber gerne „Dracula“ riefen. Als die Mannschaft nach einem UEFA-Cup-Spiel in Lissabon noch im Hotel an der Bar hockte, forderte eine attraktive Portugiesin Reinders zum Tanz auf. Mannschaftskamerad Klaus Ackermann sprang sofort aus seinem Sessel hoch und rief dem beinharten Abwehrrecken zu: „Moment, Günther, die Dame muss sich zuerst Schienbeinschützer anziehen!“

Aus Spanien meldete sich zu dieser Zeit Rainer Bonhof zu Wort und wusste nach seinem Wechsel zum FC Valencia zu berichten, dass woanders auch nicht immer gut Kirschen essen war: „In Deutschland ist das ja noch alles harmlos. In Spanien tritt dich der Abwehrspieler in die Luft und nimmt dich per Dropkick, wenn du runterkommst.“

Eines der härtesten Fouls in der Ligageschichte ereignete sich in der Saison 1981/82. Es erinnert in der Schwere der Verletzung an den Schalker Breel Embolo, der nach der Attacke des Augsburgers Konstantinos Stafylidis an diesem Wochenende monatelang auszufallen droht. Karlsruhes Emanuel Günther sprang damals mit beiden vorgestreckten Beinen in einem hohen Bogen in seinen Braunschweiger Gegenspieler Hasse Borg hinein und brach dem Schweden dabei das Schienbein. Das Schiedsrichtergespann aus der Schweiz (!) war an diesem Tage mit der Situation völlig überfordert und pfiff nur Freistoß für Braunschweig. Eine Tatsachenentscheidung, die für blankes Entsetzen und für noch viel mehr Unverständnis sorgte. Eintracht-Coach Uli Maslo: „Selbst wenn der Schiedsrichter nichts gesehen hat, muss er doch das Krachen gehört haben und Günther rausstellen!“

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