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Anekdoten hier, ganz viel Erotik dort

Klaus Fischer liest gar nicht, Stefan Effenberg am liebsten Hitlers Tagebücher. Norbert Nigbur lässt sein eigenes Buch verschwinden, ein anderer schnüffelt in Christoph Daums Vergangenheit. Erotisch und geheimnisvoll wird es bei den Illgners.

Morgen beginnt in Frankfurt die Buchmesse. Und obwohl Klaus „Fallrückzieher“ Fischer einmal so nüchtern-schön feststellte: „Ich lese keine Bücher“, liefern unsere geliebten Rasenhelden seit den 1950er Jahren fleißig und beständig neuen Lesestoff ab. Nicht immer werden die Werke allerdings so omnipräsent medial inszeniert wie im Jahr 2003 das Opus magnum des blonden Mannes, den man bis heute den „Tiger“ nennt. Stefan Effenbergs Buch „Ich hab’s allen gezeigt“ sorgte jedoch noch aus einem anderen Grund als dem Werk an sich für Aufsehen. Als ein Journalist bei der ersten großen Pressekonferenz den ehemaligen Nationalspieler nach seinem Lieblingsbuch fragte, antwortete Effenberg zur Verwunderung aller: „Hitlers Tagebuch – das hat mich dann doch interessiert.“ Ein paar Jahre früher hatte er übrigens auf die Frage, was er denn zuletzt gelesen habe, noch geantwortet: „Die Hausaufgaben meiner Kinder.“

Des Tigers Buch fand am Ende deutlich mehr Leser als die Autobiografie des Schalker Torhüters Norbert Nigbur. Das lag aber vor allem auch daran, dass der Nationalkeeper bereits kurz nach der Auslieferung seine Werke höchstpersönlich gleich wieder aufgekauft hatte. Man munkelt, Nigbur habe wohl etwas zu dick aufgetragen und fürchtete damals um den Fortgang seiner Karriere. Bis heute haben nur ganz wenige Exemplare des Werks „Wie ich wurde, was ich bin“ den Weg in Antiquariate und auf Flohmärkte gefunden. Nigbur verwahrt ein Buch zu Hause als ultimative Altersvorsorge auf – trotz einiger sehr hoher Gebote, die er in all den Jahren bekam, wie er einmal verriet.

Besonders angetan haben mir es schon immer die weniger populären Bücher, die zumeist schnell in Vergessenheit geraten sind. Eine Perle stellt dabei das Buch „Daum: War es ein Komplott? Neue Erkenntnisse, Daten, Fakten, Hintergründe“ dar. Es wirft einen spektakulären und völlig neuen Blick auf die Kokain-Affäre um Christoph Daum. Der ehemalige Leverkusener Trainer soll nach Ansicht des Autors das Opfer einer „halbseidenen und teilkriminellen wirtschaftlichen Interessengruppe“ geworden sein. Sie habe Daum und Angelica Cramm, seine damalige Dauer-Lebensgefährtin, zusammengebracht. Und: Die Interessengruppe wollte ihn anschließend mit dieser außerehelichen Affäre erpressen („Ohne Angelica Cramm nahetreten zu wollen, möglicherweise ist sie ja selbst auch Opfer und unwissentlich benutzt worden – irgendwie erinnert mich das an diese Art von Liebesfallen, in die vor einigen Jahren der Vater von Steffi Graf hineintappte“). Doch der Plan scheiterte, da etwas völlig Unvorhersehbares passierte: „Nun haben sich Christoph Daum und Angelica Cramm aber anscheinend ineinander verliebt.“ Herrlich!

Zu den Allzeit-Favoriten zählt auch das Buch „Ich möcht’ noch so viel tun …“ vom ehemaligen HSV-Star und Dschungelcamper Jimmy Hartwig. Hemmungslos berichtet er aus seinem Leben: „Auch im Bett bereitete mir Erikas Lieblosigkeit Schwierigkeiten. Es war ein Kampf, mit ihr zu schlafen, es gab keinen Rausch, keine Sinnlichkeit, keine Ekstase. Sie lag immer nur da und gab mir zu verstehen: ,Mach mal, aber beeil dich.‘“

Der vermeintliche „Höhepunkt“ der privaten Schilderungen ist ein Rückblick auf seine Jugend: „Als ich in die Pubertät kam und selbst anfing meinen Körper zu erkunden, wurde es besonders schwierig. Wenn einmal alle, Mutter, Oma, Opa, Onkel Werner und Onkel Karl-Heinz, aus dem Hause waren, onanierte ich unter der Bettdecke, und nicht selten musste ich aufhören, wenn es am schönsten war. Weil ich hörte, wie sich ein Schlüssel in der Haustür drehte. Gelang es mir nicht, rechtzeitig abzustoppen, gab es großes Geschrei: ,Ihhhgitt, du aal’ Sau, bäh, des is’ ja eegelhaft, des mescht man net! Des mescht ja Flegge‘, schrie meine Mutter angewidert.“

Die Perle unter den Perlen ist aber immer noch der ewige Geheimtipp: „Alles“ – der sogenannte „fiktive Tatsachenroman“ von Bodo und Bianca Illgner. Und dieses „fiktiv“ ist tatsächlich doppeldeutig zu sehen. In keinem anderen Buch über Fußball wird so viel Liebe gemacht wie in diesem. Abwechselnd schreiben Bodo und Bianca unter den wundervollen Pseudonymen „Kevin“ und „Jasmin“ Episoden aus dem bewegten Fußballerleben der Illgners nieder. Aber auch die Protagonisten im Buch tragen Tarnnamen. Ein Bundestrainer heißt beispielsweise Hans Eckenhauer, der danach Peter Wadenbein. Alleine das Entschlüsseln der Namen bereitet schon große Freude.

Auffällig an diesem Buch sind vor allem die detailgenau beschriebenen sexuellen Eskapaden der beiden Hauptprotagonisten Kevin und Jasmin. Charlotte Roche und „Fifty Shades of Grey“ sind nichts dagegen. Bordellbesuche (auch mit anderen Bundesligastars), Fremdgehgeschichten und wilde erotische Schilderungen machen das Buch zu einer ganz harten Kost: „Ich ließ mich einfach fallen und spürte nur noch dieses wohlige Gefühl, das sich zwischen meinen Schenkeln breit machte. Ich wollte noch mehr davon und bewegte meinen Körper in rhythmischen Bewegungen auf und ab. Wie in Trance warf ich meinen Kopf von einer auf die andere Seite. Ich wollte ihn ganz, sofort! Langsam drang er immer tiefer in mich ein. Ich schrie und keuchte vor Entzücken. Meine Bewegungen wurden immer kräftiger und schneller …“

Wer also schon immer einmal tief ins Innere der Bundesliga-Hinterstübchen-Geschichten eintauchen wollte, dem sei dieses Buch auch knapp zehn Jahre nach dem Erscheinen empfohlen. Warum es damals kein Erfolg wurde, mag an einem Phänomen liegen, das Paul Breitner einmal sehr gut beschrieben hat: „Schreiben ist eigentlich einfach, die Schwierigkeit besteht lediglich im Formulieren“!

Zwischen Puff und Barcelona

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