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München ist wie ein Zahnarztbesuch

Eine Moderatorin und das Meer, ein italienischer Weltmeister-Trainer und der VfL Bochum, ein berühmter Panini-Sammler und der Kuchenkasper: Katrin Müller-Hohenstein, Marcello Lippi und Pierre Littbarski sorgen bei einer Gala für Lacher.

Katrin Müller-Hohenstein war konsterniert. Der italienische Weltmeister-Trainer von 2006, Marcello Lippi, hatte mal wieder nicht so geantwortet wie eigentlich erwartet. Nein, nein, das heiß geliebte Meer sei bei seiner letzten Auslandsstation in China beim Guangzhou Evergrande Football Club zwar in der Nähe gewesen, aber nicht direkt vor der Haustüre, meinte Lippi. Schade, sagte die ZDF-Moderatorin, die vorher extra auf Google Earth den Ort gesucht hatte. Die Enttäuschung war ihr anzusehen – und vor allem anzuhören: „Aber viele Chinesen, die waren schon da, oder?“

Einmal im Jahr findet in Nürnberg die Gala der – Obacht! – „Deutschen Akademie für Fußballkultur“ statt. Wenn nicht gerade parallel in Dortmund ein Museum eröffnet wird, ist es so etwas wie das Klassentreffen der deutschen Fußballkultur-Szene. Moderiert wird der Abend seit jeher von Katrin Müller-Hohenstein. Zudem gibt es die Wahl des Fußballspruchs des Jahres. Dieses Mal hat der Ex-Werder-Spieler Sebastian Prödl gewonnen: „München ist wie ein Zahnarztbesuch. Muss jeder mal hin. Kann ziemlich wehtun. Kann aber auch glimpflich ausgehen.“

Am Ende des Abends hält traditionell „kicker“-Herausgeber Rainer Holzschuh eine Laudatio auf den prominenten „Walther-Bensemann-Preisträger“. Jedes Mal ein Spektakel für sich. Besonderheit diesmal: Der Simultan-Übersetzer hatte offensichtlich die Stimme etwas zu sehr angehoben, so dass Lippi vorzeitig nach oben kam und die 15 Minuten während der Laudatio auf einem Holz-Stuhl mitten auf der Bühne saß. Sein Gesicht erinnerte während der Zeit der Lobpreisung an weite Strecken des WM-Finals 2006.

Gut, dass der „kicker“-Italien-Korrespondent und VfL-Bochum-Fan Oliver Birkner den Simultan-Übersetzer beim anschließenden Gespräch auf der Bühne ablöste. So kam Pfeffer in die Geschichte. Denn Birkner ließ gleich in die erste Übersetzung einer Lippi-Antwort einfließen, wie tieftraurig der Weltmeister-Trainer über die Niederlage des VfL Bochum an diesem Abend gegen den FSV Frankfurt sei. Gesagt hatte Lippi dies natürlich nicht, und vermutlich hat er in seinem Leben den Namen VfL Bochum auch noch nie gehört – schließlich liegt die Perle Westfalens wie Guangzhou ebenfalls nicht direkt an dem von ihm so heiß und innig geliebten Meer.

Als Katrin Müller-Hohenstein den italienischen Trainer abschließend fragte, woran er in den Sekunden nach dem WM-Gewinn als Erstes gedacht habe, antwortete Lippi lächelnd: „Daran, dass ich meine Brille abnehme. Beim Sieg mit Juventus Turin in der Champions League 1996 ist sie beim Jubeln zerbrochen. Das wollte ich diesmal unbedingt vermeiden.“

Ein anderer Weltmeister erzählte anschließend auf der Bühne eine herrliche Geschichte aus seinem Leben. Pierre Littbarski sammelte als kleiner Junge voller Begeisterung Panini-Bilder. Nur ein Spieler fehlte ihm in einem Jahrgang noch, dann wäre das Album komplett gewesen. Doch der MSV-Duisburg-Profi Detlef Pirsig war nicht aufzutreiben. Selbst Doppelte gab es damals von ihm in Berlin nicht. So blieb das Album schließlich unvollständig. Viele Jahre später traf Littbarski in Duisburg höchstpersönlich auf das lebende fehlende Klebebild von damals. Und was machte Detlef Pirsig? Der nunmehrige Sportdirektor der Zebras schmiss den Trainer Littbarski nach anderthalb Jahren beim MSV raus. Über das Sammelbild hatten sie bis dahin noch nicht gesprochen. Das Leben ist manchmal schon ein komischer Kauz.

Wer sich wie Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein fragt: „Wie heißt dieser Typ noch einmal?“ Pirsig, Detlef. Er spielte beim MSV Duisburg zwischen 1965 und 1977. Seine Mannschaftskameraden nannten ihn übrigens gerne den „Kuchenkasper“, da er sich vor jedem Spiel drei Stück Torte vom MSV-Masseur Gerd Kuipers ans Bett bringen ließ – mit einem Kännchen Kaffee selbstredend, damit „es besser rutscht“. Den Trick hatte ihm sein alter Trainer Gyula Lóránt verraten, der seinen Mannschaften stets eintrichterte: „Jungs, wenn ihr vor dem Spiel noch ein Stück Kuchen esst, habt ihr auch noch Kraft für die letzten zwanzig Minuten. Dann sind die anderen kaputt, und ihr könnt immer noch laufen.“ Pirsigs Frau Brigitte durfte so alle paar Tage einen frischen Kuchen in den Ofen schieben. Gezählt hat der MSV-Profi die Stücke nicht, die er in seiner Karriere verputzte, aber „es werden bestimmt schon einige Tausend gewesen sein“, vermutete er einmal lächelnd.

Für den größten Lacher dieses ereignisreichen Abends in Nürnberg sorgte übrigens die Ankündigung, dass der angeschlagene VW-Konzern den Sprüchepreis mit einer Summe von 5.000 Euro für den guten Zweck sponsert. So weit ist es also schon gekommen. Diese Steilvorlage ließ sich ein junger Preisträger des Fußball-Bildungswettbewerbs im weiteren Verlauf der Veranstaltung nicht entgehen. Als Katrin Müller-Hohenstein ihn fragte, was er denn mit seinem Preisgeld vorhabe, antwortete er: „An VW zurückspenden!“

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