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„Bitte einen achtfachen Cognac!“

„Unsere Spieler können 50-Meter-Pässe spielen: fünf Meter weit und 45 Meter hoch.“ Wer hat’s gesagt? Der legendäre Trainer Uwe Klimaschefski – gleichermaßen gefürchtet wie geliebt. Warum? Weil er die Spieler gefördert hat – mal so, mal so.

Man kann mit Fug und Recht behaupten: Uwe Klimaschefski ist der Sprüchekönig unter den Bundesliga-Trainern. Dass ihn heute dennoch viele Fußballfans nicht mehr kennen, hat damit zu tun, dass er nie die ganz großen Erfolge feiern durfte. Auch wenn er manchen Scherz und Schabernack mit seinen Profis trieb („Meine Spieler sind Intellektuelle. Die haben Maos Tod letzte Woche noch nicht verkraftet“), haben sie ihn trotz allem geliebt und verehrt. Franco Foda sagte einmal: „Wer unter Klimaschefski ein Jahr durchhält, der ist einen großen Schritt weiter im Leben gekommen und braucht sich vor nichts mehr zu fürchten.“

Vor 25 Jahren saß der gebürtige Bremerhavener übrigens sogar einmal für ein einziges Spiel auf der Bank des heutigen Bundesligisten SV Darmstadt 98. Doch nach einer 0:2-Niederlage bei der SpVgg Bayreuth war schon wieder Schluss bei den Lilien. Es hat einfach nicht gepasst für den Mann, der einmal so schön sagte: „Als Bundesliga-trainer siehst du doch schon am Gang, ob einer Fußball spielen kann oder bei der Müllabfuhr ist.“

Schon als Spieler verstand es Klimaschefski, sein Schicksal tatkräftig selbst in die Hand zu nehmen. Als er 1963 zum Start der neu geschaffenen Bundesliga einen Verein suchte, zeigten sich gleich mehrere Klubs interessiert. Klimaschefski hatte die Qual der Wahl. Innerlich hatte er sich nach einem Angebot aus Berlin bereits für die Hertha entschieden, doch da er schon einen Termin mit dem Präsidenten von Saarbrücken gemacht hatte, wollte er diesen auch wahrnehmen. Das einzige Problem: Die Vertreter von der Hertha (Präsident Holst) und aus Saarbrücken waren für denselben Tag angemeldet. Klimaschefski erinnert sich: „Es kam, wie es kommen musste. Plötzlich klingelte es, und der andere Verhandlungspartner stand vor der Tür. Herr Holst musste sich dann so lange im Bad versteckt halten, bis ich den Saarbrückern abgesagt hatte. Danach war ich Herthaner!“

Während seiner Karriere hatte Klimaschefski immer mit einer Fehlstellung seiner Beine zu kämpfen gehabt. Als er später als Trainer einmal arbeitslos war, nutzte er diese Zeit sinnvoll. Bei einer Operation ließ er sich die O-Beine („Derjenige, der mich tunnelt, kriegt zwei Beinschüsse zurück“) richten. Noch als Spieler hatten ihn seine Kameraden so sehr gehänselt, dass er sich nachts die Knie mit Bettlaken zusammenband. Nun war er wieder zu Späßen aufgelegt: „Wenn du jetzt einen mit geraden Beinen triffst, bin ich es.“

Der Trainer Klimaschefski war bei seinen Spielern gleichermaßen gefürchtet wie beliebt. Seine stets gerade, offene Art gefiel aber verständlicherweise nicht allen Profis. Jemand, den er direkt anging, musste schon einmal kräftig schlucken: „Was will der? Geld? Der soll froh sein, wenn er auf unserem Platz den Sauerstoff kostenlos einatmen darf.“

Ein unbändiger Ehrgeiz stachelte Klimaschefski an, wie Homburgs damaliger Spieler Harald Diener einmal der Presse verriet: „Wenn unser Trainer mit seiner Mannschaft im Rückstand liegt, dauert ein Spiel oft drei Stunden. Wenn man dann heimkommt, sind die Filets so hart, dass man sie nicht mehr essen kann.“ Niederlagen nahm der Bremerhavener persönlich. Nach einer verlorenen Partie bei einem Hallenturnier raunzte er seine Spieler an: „Jetzt zieht euch warm an. Ich reiße euch den Arsch auf. Bis zur Naht!“

So manches Mal saß er nach einer Niederlage im Presseraum, schaute kurz die Journalisten an und eilte dann hinfort: „Weitere Fragen kann ich nicht beantworten. Ich muss jetzt zu meinen Spielern. Die sind so blind, dass sie den Weg von der Kabine zum Bus nicht finden.“

Als ein Pressevertreter einmal wissen wollte, wann der Trainer denn die nächsten Spieler verkaufen würde, antwortete Klimaschefski: „Wenn die Schrottpreise wieder steigen!“ Mit seinen Profis ging er gerne verbal hart ins Gericht: „Unsere Spieler können 50-Meter-Pässe spielen: fünf Meter weit und 45 Meter hoch.“

Berühmt-berüchtigt waren auch des Trainers Scherze mit neuen Spielern. Bei einer Übungseinheit besorgte Klimaschefski eine Platzwalze und gab das Kommando aus: „So, Jungs, wir machen heute einen Härtetest. Jeder zieht die Walze 400 Meter. Dabei fahren wir die Löcher zu, die die Leichtathleten mit ihren Schuhen aufgerissen haben. Der Neue da fängt an.“ Auf den ersten 100 Metern rollte die Walze gut an. Der Ehrgeiz, sich nicht zu blamieren, zog kräftig mit. Nach 200 Metern wurde der Neuling so klein, dass er die grinsenden Spieler auf der anderen Seite nicht mehr sehen konnte. Ins Ziel kam er beinahe auf allen vieren. „Gut gemacht“, lobte ihn der Trainer, „aber ich habe gesehen, dass die Übung doch wohl etwas zu schwer ist und außerdem zu gefährlich. Die Walze hätte dich ja beinahe überrollt. Wir brechen ab!“

Einen spanischen Testspieler ließ Uwe Klimaschefski einmal in voller Fußballkluft unter der Dusche mit dem Ball jonglieren: „Lass mal sehen, wie du bei Regen spielst!“ Und als Dieter Müller aus der Schweiz in die Bundesliga zum 1. FC Saarbrücken zurückkehrte, sah Klimaschefski noch viel Arbeit auf seinen Stürmer zukommen: „Von seinem Grasshopper-Trip hat er eine Menge Schweizer Speck mitgebracht.“

Spieler lehnten sich gegen den Trainer eher selten auf. Doch in seiner Zeit beim FC Homburg gab es dafür einen anderen harten Brocken. Ein Unerschrockener mit dem Spitznamen „Underberg“ leistete dem Trainer von Zeit zu Zeit Widerstand. Es war der Platzwart des FC. An einem Rosenmontag befahl Klimaschefski seinen Spielern, den Mann am Pfosten mit Springseilen festzubinden. Anschließend machte die Mannschaft Torschusstraining. Der ganze schaurige Spuk endete nach knapp fünfzehn Minuten. Die Frau des Platzwarts kam mit einem Brotmesser aus der Vereinsgaststätte gestürmt und schnitt ihren Mann vom Pfosten los.

Doch schon bald sollte „Underberg“ wieder für Ärger sorgen. In einem DFB-Pokal-Viertelfinale gegen den HSV lagen die Hamburger 2:1 in Homburg in Führung – doch dann gab es einen Elfmeter für den FC. Den Ball parierte HSV-Torwart Rudi Kargus nur knapp. Homburg schied aus, und Klimaschefski war sauer. Am nächsten Morgen wandelte er schon früh durch das leere Waldstadion. Auf dem Rasen blieb er am Elfmeterpunkt stehen. Klimaschefski schaute sich die Entfernung vom Punkt zum Tor mehrmals aus allen möglichen Perspektiven an. Dann stand für ihn fest: Hier stimmt etwas nicht! Er holte sich einen Zollstock und maß nach: 2, 4, 6, 8, 10, 12 …! Etwas mehr als zwölf Meter war der Elfmeterpunkt von der Torlinie entfernt. Sofort zitierte er den Platzwart herbei. Doch „Underberg“ war sich keiner Schuld bewusst. Schulterzuckend meinte er nur: „Wenn der den Ball von zwölf Metern nicht reinkriegt, dann hätte er den von elf auch nicht reinbekommen.“ Über ein Vierteljahr hat Klimaschefski anschließend kein Wort mit dem guten Mann geredet.

Dabei hätten sich die beiden eigentlich ganz gut verstehen müssen – schließlich trank Klimaschefski selbst gerne einen mit. Denn wie sagte er einmal nach einer unglücklichen 1:2-Niederlage seiner Saarbrücker bei Bayer Uerdingen auf der anschließenden Pressekonferenz so schön: „Bitte einen achtfachen Cognac!“

Zwischen Puff und Barcelona

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