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„Wir rülpsen nicht, wir kotzen schon!“

Kondome, Aftershave, Rasierapparate – die Werbung beim Fußball kennt keine Grenzen. Und viele schöne Geschichten. Wie die vom legendären Paul Gascoigne.

Als ich am Wochenende den Nachwuchs im Bochumer Ruhrstadion an die große, weite Welt des Fußballs heranführte, gab es zwei bemerkenswerte Szenen. Erstens: Es war ein erhabener Moment, als der Sechsjährige ziemlich lässig neben mir an der legendären Bochumer Pinkelrinne einfach mal im hohen Bogen laufen ließ! Ein wohliges Gefühl des Stolzes und der Zufriedenheit durchströmte mein Vater-Herz.

Punkt zwei an diesem frühen Nachmittag: der Augenblick, als der Dreijährige plötzlich Richtung Ostkurve zeigte und rief: „Da hinten fliegt eine Pizza!“ Nach dem ersten Moment der Irritation sahen wir es auch. Zwar war es nur ein Burger, aber dieser leuchtete in der Tat hinten auf der Bandenwerbung lustig bunt glitzernd auf. Was unsereins höchstens noch im Unterbewusstsein registriert, war für den Kleinen ein echter Hingucker. Und Recht hat er. Fußball und Werbung, das kann auch Spaß machen.

So sollte das legendäre Enfant terrible Paul Gascoigne einmal Reklame für die Aftershave-Firma „Brut“ machen. Der Vertrag war unterschriftsreif, und die Medien hatten bereits Wind von der Sache bekommen. „Paul Gascoigne – das junge, frische Brut-Gesicht“, sollte die Kampagne heißen. Die Presse fragte den Nationalspieler daraufhin, seit wann er denn „Brut“ benutzen würde, und Paul Gascoigne antwortete naiv-ehrlich: „Ich verwende es überhaupt nicht.“ Lange Gesichter bei den Journalisten und die Frage, welches Rasierwasser er denn stattdessen nehmen würde. Paul Gascoigne parierte schlagfertig: „Gar keins, ich krieg Ausschlag davon!“ Der Vertrag kam daraufhin selbstverständlich nicht zustande. Mal eben 500.000 Pfund verbal in den Sand gesetzt.

Ulf Kirsten, auch der „Schwatte“ genannt, war mit seinen dunklen Haaren und seinem starken Bartwuchs geradezu prädestiniert für Rasierapparate-Werbung. Das dachte sich auch Panasonic und verpflichtete den Leverkusener Stürmer mit dem vortrefflichen Werbeslogan: „Aber sonst rasiert mich keiner.“ Der Spruch soll, so munkelt man, Uli Borowka überhaupt nicht gefallen haben.

Kurz vor der Weltmeisterschaft 1982 in Spanien hatte eine andere Firma für Rasierprodukte einen besonders klugen Einfall. Man verpflichtete den Mister Vollbart persönlich, Paul Breitner. Und der sagte zu dem lukrativen Deal: „1982 habe ich mir vor der WM für Pitralon den Bart abrasieren lassen. Ich weiß nicht, ob diese Aktion gut oder schlecht war, aber im Ergebnis rückte Pitralon im Aftershave-Ranking vom neunten auf den dritten Platz vor. Da frage ich doch nicht nach, ob die Werbung gut war.“ Richtig. Und mächtig Kohle gab es noch obendrauf.

Pitralon muss übrigens so ein auffälliges Aftershave gewesen sein, dass sich gleich zwei Musiker des komödiantischen Genres auf das Wundermittel einen Reim machten. „Die Kassierer“ in ihrem Song „Arm ab“: „Von Weitem, ja, da riech ich dich schon, du stinkst penetrant nach Pitralon.“ Und Otto Waalkes dichtete in seinem Gassenhauer „Wir haben Grund zum Feiern“: „Klosterfrau Melissengeist, oder wie der Stoff sonst heißt, Kölnisch Wasser, Pitralon, wir rülpsen nicht, wir kotzen schon.“

Für einen Riesen-Reklame-Wirbel sorgte Ende der 1980er Jahre Homburg in der Bundesliga. Der FC lief auf seinen Trikots Werbung für eine Firma („London“), die Kondome vertrieb. Der DFB war empört und sprach ein Verbot aus. Offiziell wurde vonseiten des Fußball-Bundes erklärt: „Wir sind der Meinung, dass das den Auffassungen von Sitte und Moral zumindest von Teilen der Bevölkerung widerspricht. Aus diesem Grund haben wir uns gegen die Trikotwerbung ausgesprochen.“ Homburgs Vorsitzender Udo Geitlinger reagierte auf die schüchternen Fragen der Medienvertreter, wie man denn „mit der Sache“ umzugehen gedenke, sehr unverkrampft: „Sie meinen die Sache mit den Gummihüten? Die werden wir auch weiter anbehalten.“

Daraufhin drohte der DFB mit einem Punktabzug. Als Homburgs Trainer Čendić das hörte, lachte er laut auf: „Was für Punkte wollen die uns eigentlich abziehen?!“ Schließlich beugte sich der FC kurzfristig dem Druck aus Frankfurt. Homburgs Stadionsprecher Kürten verkündete bei einem 3:1-Sieg über Schalke: „Unsere Mannschaft spielt heute mit einem schwarzen Balken auf der Brust. Jeder, der die Hauptstadt Englands kennt, weiß, was sich unter diesem Balken verbirgt.“ Grandios!

Noch im Stadion habe ich mir am Sonntag überlegt: Wenn meine Jungs so weit sind, dass wir über Kondome reden müssen, werde ich ihnen einfach die Geschichte vom FC Homburg erzählen. Ich bin mir sicher, wir bekommen auf diese Weise das besondere Vater-Sohn-Gespräch so locker und entspannt über die Bühne wie den Besuch an der Pinkelrinne im Ruhrstadion.

Zwischen Puff und Barcelona

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