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Bayern vernichtete schon einmal einen Weltstar

Das 8:2 der Bayern gegen seinen FC Barcelona soll den Ausschlag gegeben haben: Lionel Messi möchte die Katalanen unbedingt verlassen. Es wäre nicht das erste Mal, das acht Bayern-Tore die Karriere eines Weltstars maßgeblich beeinflussen.

Immer wenn der FC Bayern München acht Tore gegen ein herausragendes Team schießt, dann rappelt es bei einem Weltstar im Karton. Nach dem Desaster von Lissabon war klar, dass beim FC Barcelona etwas geschehen musste. Doch das ausgerechnet der bekannteste Sohn des Klubs sein Heimatnest nach zwanzig Jahren verlassen möchte, stellt für den Verein und seine Fans ein bis vor Kurzem noch unvorstellbares Desaster dar. Lionel Messi flüchtet aus Katalonien – und daran ist der FC Bayern München, vorsichtig ausgedrückt, nicht ganz schuldlos. Denn die Lawine, die durch das 8:2 im Viertelfinale der Champions League ausgelöst wurde, ist in Barcelona mit einfachen Maßnahmen und Mitteln nicht mehr zu stoppen. Die Naturgewalt stellt den Klub auf den Kopf. Der Trainerwechsel von Quique Sétien zu Ronald Koeman war da nur ein kleines Puzzleteil. Mit Messi vibriert nun das Fundament des Vereins. Doch so hart dieser Schritt nach der sportlichen Katastrophe von Lissabon für den FC Barcelona sein mag – für Lionel Messi können nun wieder gute Zeiten beginnen, wie ein Beispiel aus früheren Tagen zeigt.

Vor etwas über vierzig Jahren hatte der große niederländische Starspieler Johan Cruyff seine Karriere eigentlich schon beendet – doch dann kamen die Bayern zu einem der kuriosesten Abschiedsspiele der Fußballgeschichte, und plötzlich hängte „König Johan“ noch ein paar Jahre dran. Am 7. November 1978 war der FC Bayern München von Cruyff ins kühle Amsterdam eingeladen worden. Der niederländische Nationalspieler und Vizeweltmeister von 1974 wollte in seiner Geburtsstadt seine Karriere mit einer letzten Partie gegen den Klub aus Deutschland endgültig beenden. Einige Monate zuvor hatte es in Barcelona bereits ein erstes Abschiedsspiel zwischen dem heimischen FC und Ajax Amsterdam gegeben. Nun sollte der allerletzte Schlussakkord in der Erfolgssymphonie von Cruyffs Laufbahn ertönen. Doch an diesem Tag erklangen nur Dissonanzen – und welch grausame das waren.

Später wusste zuerst niemand mehr so genau, wie alles gekommen war. Doch was unumstößlich feststand: Als die Gala zu Ehren von Johan Cruyff im Olympiastadion von Amsterdam abgepfiffen war, hatte der FC Bayern das Team des großen niederländischen Fußballkünstlers mit sage und schreibe 8:0 abgefertigt. Viele Jahre später entschuldigte sich Karl-Heinz Rummenigge, der an diesem Tag alleine drei Treffer zu dieser „Beleidigung von 1978“ (O-Ton Rummenigge) beigetragen hatte, voller Demut bei „König Johan“. Erst nach und nach hatten die Bayern-Profis in den Folgejahren versucht zu rekonstruieren, wie es zu dieser unwürdigen Schande von Amsterdam hatte kommen können. Was erst völlig unbegreiflich und ungehörig erschien, stellte sich auf einmal etwas anders dar. Bis schließlich eines Tages sogar ein Bild gezeichnet werden konnte, das dieses Debakel für Cruyff und seine Kollegen weitgehend verständlich machte. Man hatte den dreifachen Gewinner des Europapokals der Landesmeister schlicht und einfach in seiner Ehre verletzt.

Denn als die Münchener am Amsterdamer Flughafen gelandet waren, wartete dort niemand, um sie abzuholen. Den Transfer zum Hotel mussten sie selbst organisieren. Und auch die Unterkunft verschreckte die Bayern. Obwohl sie sich anstandslos zur Teilnahme an diesem Freundschaftsspiel bereit erklärt hatten, brachten die Amsterdamer den Münchener Tross in einem allenfalls zweitklassigen Hotel unter. Und auf dem Platz ging das unwürdige Schauspiel schließlich weiter. Die Ajax-Fans beschimpften die deutsche Mannschaft als „Scheiß Nazis“ und bespuckten sie. Die äußeren Bedingungen waren also alles andere freundschaftlich und gastfreundlich. Irgendwann an diesem kühlen Novemberabend wurden die Münchener sauer und fragten sich, was sie hier, im Olympiastadion von Amsterdam, an diesem Tag eigentlich zu suchen hätten. Da kam ihnen Johan Cruyff gerade recht. Als dieser vor der Partie in der Bayern-Kabine erschien, meinte er nur, dass er doch um ein „richtiges“ Spiel bitten würde. Diese Bitte mussten die Münchener nicht zweimal hören. Das konnten Cruyff und Co. haben!

Vielleicht war dieser Abend mit den acht Toren der Bayern die Initialzündung für Johan Cruyff, seine Karriere nicht auf diese Art und Weise beenden zu wollen. Vielleicht hatte er aber auch schon vorher die Pläne gehabt, noch weiterzuspielen. Ähnlich wie bei Lionel Messi weiß man nicht so genau, was in den Köpfen der Weltstars vor sich geht. Aber tatsächlich entschloss sich Cruyff weiterzumachen. Erst in den USA bei den Los Angeles Aztecs und den Washington Diplomats, dann in Spanien bei UD Levante, und schließlich kehrte Cruyff mit 34 Jahren in seine Heimat zu Ajax Amsterdam und schlussendlich zu Feyenoord Rotterdam zurück. Und rückblickend kann man sagen: Der Entschluss, weiterzumachen und noch einmal etwas Neues zu wagen, hatte sich für Cruyff gelohnt. In den USA spielte er nicht nur mit Weltstars wie Franz Beckenbauer und George Best in einer Liga, sondern wurde auch zum „NASL Player of the Year“ gewählt. Und in den Niederlanden holte er zweimal das Double und wurde zum Ende seiner Karriere noch einmal zum „Spieler des Jahres“ gekürt.

Mal schauen, ob sich Lionel Messi seinen wahrscheinlichen Abgang aus Barcelona ähnlich versüßen kann wie Cruyff. Aber die Chancen stehen nicht schlecht. Schließlich haben beide eines gemeinsam: Acht Tore gegen die Bayern kassieren wahre Weltstars nur sehr, sehr selten.

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