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5. Zeitlicher Beginn der richtlinienkonformen Auslegung
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Nach herrschender und überzeugender Ansicht dürfen nationale Vorschriften schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist richtlinienkonform ausgelegt werden.[96] Eine EU-rechtliche Verpflichtung dazu besteht in aller Regel nicht.[97] Es handelt sich vielmehr um eine aus dem nationalen Recht abgeleitete Zweckmäßigkeitserwägung: Steht die Umsetzung einer Richtlinie bevor, so wäre es insbesondere bei neuen Rechtsfragen sinnlos, zunächst noch eine die Richtlinie ignorierende Lösung anzuwenden. Zu Recht ist allerdings aufgezeigt worden, dass dies in extremen Fällen anders sein kann, weil die Nichtbeachtung der Richtlinie eine spätere wirksame Umsetzung gerade unmöglich zu machen droht.[98] Das kann allerdings durch die Auslegung von nationalem Recht, um die es hier geht, nur sehr selten geschehen. Typischer ist der Fall, dass der nationale Gesetzgeber vor Ablauf der Umsetzungsfrist (vorübergehend) ein Gesetz erlässt, welches den Richtlinienzweck gerade unterläuft. In beiden Fällen spricht man von einem „Frustrationsverbot“. Die bekannteste Konstellation betrifft Fälle, in denen nationale Normen über die Zulässigkeit einer Befristung von Arbeitsverträgen weitherzig ausgelegt werden, kurz bevor eine Richtlinie solche Befristungen gänzlich verbietet.[99]