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1. Harmonisierende Auslegung
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Neben die soeben vorgestellte „richtlinienkonforme Auslegung“ können noch andere, allgemeinere und weitergehende Formen der europäischen Auslegung des nationalen Rechts treten. Insbesondere wird von der „harmonisierenden“ Auslegung gesprochen.[102] Bei der harmonisierenden Auslegung geht es nicht um die zwingend vorgeschriebene Berücksichtigung von EU-Recht, sondern um ein rechtsvergleichendes, rechtliche Gegensätze zwischen den Rechtsordnungen überwindendes Verständnis des nationalen Rechts. Mit hierher gerechnet werden kann auch das Stichwort der Rechtsvereinheitlichung durch Auslegung.[103] Beides erscheint ebenso lobenswert wie utopisch, jedenfalls soweit der Wunsch nach europäischer Auslegung an die Praxis gerichtet ist.[104] Zwar ist es stets gut, wenn in der Praxis – und sei es aus einer Zufallskenntnis heraus – bei einer Zweifelsfrage der Blick auch auf das ausländische Recht gerichtet wird. Ernsthaft rechtsvergleichende Arbeit ist jedoch dermaßen aufwändig und fehlerträchtig, dass sie die Rechtspraxis allenfalls verunsichern kann. Bestehen allerdings bereits solide rechtsvergleichende Erkenntnisse durch wissenschaftliche Vorarbeit, so ist kein Grund ersichtlich, die Praxis nicht darauf zurückgreifen zu lassen. Dabei gibt es aber eine wichtige Grenze: Das geschriebene nationale Recht muss die rechtsvergleichende Auslegung tragen.