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3. Europäische Grundrechte und Privatrecht

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Bei der Auslegung und Anwendung des Rechts der EU sind stets auch die europäischen Grundrechte zu beachten. Der EuGH wendet diese in ständiger Rechtsprechung an.

Sollte eine Richtlinie Normen enthalten, die gegen die Charta, die EMRK oder gemeinsame verfassungsrechtliche Grundsätze der Mitgliedstaaten verstoßen, so würde der EuGH dies also durch Auslegung korrigieren oder die Richtlinie für unwirksam erklären. So erklärte der EuGH die Vorratsdatenspeicherungs-RL (RL 2006/24/EG) für unwirksam, weil sie gegen Art. 7 und 8 GRCh verstieß.[67] Für die Verbraucherrechte-RL ist ein solcher Verstoß immerhin in der Literatur schon angesprochen worden.[68]

Man wird sich nun fragen, inwieweit die Mitgliedstaaten an die europäischen Grundrechte gebunden sind. Soweit sie sich mit ihren eigenen, nationalen Grundrechten decken oder in der EMRK enthalten sind, ist das kein spezifisch europarechtliches Problem. Interessanter ist im hiesigen Kontext die Frage, inwieweit die Mitgliedstaaten an die EU-Charta gebunden sind. Nach Art. 51 Abs. 1 GRCh sind die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Unionsrechts an die Charta gebunden. Dies umfasst einerseits die Durchführung unmittelbar geltenden EU-Rechts (z.B. Verordnungen) und die Umsetzung von Richtlinien. Hierzu zählt aber auch die Auslegung und Anwendung von Normen, die auf Unionsrecht beruhen.[69] Die genauen Grenzen haben bereits für erheblichen Zündstoff gesorgt. In der Entscheidung Åkerberg Fransson formulierte der EuGH nämlich so, dass man annehmen könnte, ihm genüge für die Geltung der EU-Grundrechte ein bloßer unionsrechtlicher Bezug der Rechtsfrage.[70] Das widerspräche Art. 51 Abs. 1 GRCh, und das BVerfG hat deutlich gemacht, dass es in einer solchen Auslegung des Art. 51 Abs. 1 GRCh einen Ultra-Vires-Akt sehen würde.[71]

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Eine wirklich spannende und bisher fast ganz ungeklärte Frage betrifft die Wirkung der EU-Grundrechte zwischen Privaten. Im deutschen Recht gibt es zur Wirkung der Grundrechte zwischen Privaten eine differenzierte Debatte. Nach der herrschenden, auch vom BVerfG vertretenen Ansicht strahlen die Grundrechte als objektive Wertordnung – in sehr unterschiedlichem Maße – in das Privatrecht aus.[72] Weitgehend anerkannt ist zum einen die Einwirkung der Grundrechte über die zivilrechtlichen Generalklauseln. So ist insbesondere Art. 2 Abs. 1 GG, der die Privatautonomie sichert, bei der Ausfüllung und Anwendung der Generalklauseln (vor allem § 138 BGB) zu beachten. Zum anderen gibt es in den Mitgliedstaaten gelegentlich auch eine unmittelbare Anwendung von Grundrechten durch die Schaffung oder Gestaltung bestimmter Ansprüche, die im geschriebenen Privatrecht eigentlich nicht enthalten sind. So ist es in Deutschland mit der Entschädigung bei Ehrverletzungen, die der BGH aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG entnimmt.[73] In Italien wurde aus dem verfassungsrechtlichen Schutz der Familie ein Ersatzanspruch beim Tod von Angehörigen hergeleitet.[74]

Für die Charta ist eine solche unmittelbare Wirkung angesichts des klaren Wortlauts von Art. 51 Abs. 1 GRCh, der als Adressaten die EU und die Mitgliedstaaten benennt, schwer zu begründen.

In der Entscheidung Kücükdeveci ist der EuGH dennoch zu einer Wirkung des in Art. 21 GRCh enthaltenen Diskriminierungsverbots zwischen Privaten gelangt. Allerdings betonte er zum einen deutlich, dass der allgemeine Grundsatz des Diskriminierungsverbots durch eine Richtlinie konkretisiert worden war. Zum anderen hat der EuGH nicht im eigentlichen Sinne ein Grundrecht zwischen zwei Privaten angewendet. Vielmehr war im Fall Kücükdeveci nur eine der Charta entgegenstehende Norm unangewendet zu lassen.[75]

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