Читать книгу In jeder Beziehung - Birgit Schmid - Страница 13
ОглавлениеDUMME FRAGEN AN
KINDERLOSE
Menschen ohne Kinder bekommen ja immer wieder seltsame Dinge zu hören, und dies allein des Umstands wegen, dass sie keine Eltern sind. Entsprechende Bemerkungen häufen sich, seit wir wieder in kinderseligeren Zeiten leben. Die Geburten nehmen zu, abzuzählen auch an den Kinderwagen, die sich in Trams und Bussen drängen. Es ist nichts dabei zu fragen, ob man Kinder habe. Man dürfte ja sonst bald nichts mehr fragen. Wird die Familie mit Kindern aber zur Norm für eine Lebensgemeinschaft erhoben, wie sie auch immer mehr Homosexuelle ersehnen; wird dereinst ein unerfüllter Kinderwunsch nicht mehr verstanden, weil ihn die moderne Medizin eigentlich nicht zulässt: Dann bekommt die Kinderfrage etwas Wertendes. Man gerät unter Druck, muss sich rechtfertigen.
Es wird einem zum Beispiel gesagt:
Du wärst eine wunderbare Mutter.
Das kannst du nur verstehen, wenn du Kinder hast.
Sei froh, dass du keine Kinder hast, sonst könntest du nie so leben.
Hast du dir schon einmal überlegt, wer unsere Renten dereinst finanziert?
Schau nur mal Pamela und Yves, für sie stand immer die Karriere zuvorderst. Jetzt ist es für Kinder zu spät, und es bleibt ihnen wenig.
Zur Selbstverwirklichung haben wir als Eltern keine Zeit.
Du verdrängst das doch, irgendwann holt der Kinderwunsch jede Frau ein, das ist in einer Frau angelegt.
Hast du manchmal nicht Angst, dass im Alter niemand nach dir schaut?
Und ein Bekannter sagte mir einmal:
Ich saß mit meiner Frau im Garten bei einem Glas Wein, wir besprachen die Schulnoten unseres Sohnes, dass die Kleine so wenig schläft und die Große neuerdings die Tür zum Badezimmer abschließt, und dachten an euch, ob ihr wohl auch gerade bei einem Glas auf dem Balkon sitzt und worüber man redet, wenn man keine Kinder hat. Weil Kinder doch den Gesprächsstoff vorgeben. Was hat sich ein Paar ohne Kinder zu sagen?
Ich antworte ihm gerne:
Kinderlose Leute reden darüber, wohin sie das nächste lange Wochenende fahren.
Sie reden über das neue Buch von Jonathan Franzen.
Sie reden über die Aussage von Kim Cattrall, der Schauspielerin, die in einer Frauensendung auf BBC gesagt hat: »Ich bin keine biologische Mutter, und doch bin ich eine Mutter.« Dass sie junge Kolleginnen habe und Neffen und Nichten, denen sie nahestehe, die sie umsorge und berate und denen sie Vorbild und Mentorin sei, und dass der eigene Name nicht auf einem Geburtsschein stehen müsse, um sich als Mutter zu fühlen.
Sie beraten über das Restaurant, in dem sie am nächsten Abend essen.
Sie erzählen sich von ihrem Arbeitstag.
Sie reden darüber, ob man seinem Leben mehr Bedeutung gibt, wenn man sich in Kindern verewigt.
Sie reden über den Freund, der den Kontakt zu seinen Eltern abgebrochen hat.
Sie schenken sich noch ein Glas Champagner ein.
Sie küssen sich.
Sie überlegen sich, ob sie in die Nachtvorstellung gehen sollen.
Sie schauen zu, wie der Mond aufzieht.
Der eine von ihnen sagt: Das Kind wäre jetzt sechs Jahre alt. Wie es wohl aussehen würde?
Der andere sagt: Und was wohl mit uns passiert wäre?