Читать книгу In jeder Beziehung - Birgit Schmid - Страница 23

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DAS VERSCHRAUBTE

GLÜCK


Eine Psychologin nannte Ikea einmal »Landkarte der Beziehungsalbträume«, und die meisten dürften wissen warum. Da geht man immer schön den Pfeilen nach, setzt sich auf fünf Sofas zur Probe, biegt dort zu den Betten ab, rümpft die Nase, zerrt ein Leintuch aus dem Stapel, Moment! – schau mal diese Lampen. Der eine geht vor, der andere trottet hinterher, Nein, vergiss das! Und weiter. Im Kinderzimmer kommt es zum Streit, das Tischset wird zurückgelegt. Am Schluss sind beide müde und gereizt, jetzt nichts wie auf die Zielgerade und dem Ausgang zu.

Doch da beginnt es ja erst. Während zu Hause der eine die Gebrauchsanweisung für den Schrank vorliest, schraubt der andere die Bretter zusammen. Zumindest versucht er es. Lass mich mal machen! Sagst du damit, ich hätte zwei linke Hände?

Auch an solche Momente ist zu erinnern, wenn man dem verstorbenen Ikea-Gründer Ingvar Kamprad gedenkt. Der Einkauf im Möbelhaus stellt Beziehungen auf die Probe, deckt verborgene Seiten am andern auf, lässt Frischvermählte aneinander zweifeln. Und macht Psychologen reicher: Immer wieder würden Paare in ihrer Praxis von Konflikten beim Ikea-Besuch erzählen oder von der Krise danach, sagt Ramani Durvasula, die erwähnte Therapeutin. Sie fragte sich, warum der Besuch des Möbelhauses so belastend ist, und betrieb in den Läden etwas Feldforschung. Dort traf sie auf Paare, die sogar thematisch streiten. Im Schlafzimmerbereich geht es um Sex, bei den Küchen wirft man sich Fehler in der Haushaltführung vor.

Wie kommt es, dass etwas, das eigentlich verbindend wäre und im wahrsten Sinn beziehungsaufbauend so zum Stresstest wird? Das Magazin »The Atlantic« fragte weitere Fachleute nach den Gründen.

Im Showroom trifft ein Geschmack auf den andern. Da heute schon ein Sideboard Ausdruck der Persönlichkeit ist, fühlt man sich schneller angegriffen, wenn etwas nicht gefällt. Ist er für das Malsjö und sie für das Bestå, stellen sich grundsätzliche Fragen: Wollen wir dasselbe Zuhause? Das gleiche Leben? Wer bist du überhaupt? Zudem hat jeder sein eigenes Tempo, dem es sich beim Spaziergang durch die Möbelwelt anzupassen gilt.

Zu Hause geht es weiter. Macht man sich am selben Tag ans Zusammensetzen, sind die Nerven bereits aufgebraucht. Gelingt einem bei der Montage nicht auf Anhieb, was in der Anleitung so einfach klingt, wird ein Schuldiger gesucht. Oft verflucht man die Anleitung, manchmal ist es aber auch praktisch, dass der assistierende Schuldige neben einem steht. Es geht um Macht, und wer die Führung übernimmt. Besser, ihn dann nicht auszulachen, wenn man von den Stühlen rutscht, weil er die Sitzfläche falsch herum montiert hat.

Das leuchtet alles ein. Doch etwas haben die Verhaltensforscher nicht herausgefunden, und ich rede hier aus eigener Erfahrung. Nämlich, wie eng einem werden kann beim Gang durch das saubere aufgeräumte Ikea-Dasein. Das schlägt am stärksten auf die Stimmung. Die drapierten Kissen auf den Polstergruppen, die Vasen in der Glasvitrine: Läuft ein Paar nicht in die Falle, wenn es so ein Ziel anstrebt? Sich einzurichten heißt, angekommen zu sein. Der Liebe aber genügt eine Matratze. Es konnte kein Zufall sein, dass der klassische Ikea-Rollwagen mit den vielen Schubladen Helmer heißt. So heißt auch das Ehepaar in »Nora oder Ein Puppenheim« von Henrik Ibsen, einem Norweger zwar. In diesem Drama wird ein »gemütlich und geschmackvolles, aber nicht luxuriös eingerichtetes Zimmer« zum Ehegefängnis.

Das Romantischste am Einkauf bei Ikea ist, dass die Möbel so erschwinglich sind und es keine Gütertrennung braucht. Für den Fall einer späteren Scheidung.

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