Читать книгу In jeder Beziehung - Birgit Schmid - Страница 17

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VATER UND

MUTTER


Ein Sonntagmorgen am Küchentisch der Eltern. Die Mutter schneidet das selbst gebackene Brot, mein Vater liest die Zeitung. Sie trägt ihre geblümte Bluse und sagt zu ihm, er sollte sich wieder einmal rasieren. Mein Vater murmelt und blättert. Meine Mutter hält nichts von der heutigen Bartmode. Sie hat sich schon früher meistens durchgesetzt. Und so wird es auch diesmal sein.

Meine Mutter und mein Vater, eine Frau und ein Mann. Mit ihnen habe ich die ersten zwanzig Jahre meines Lebens verbracht, bis heute bin ich ihr Kind. Oft denke ich darüber nach, wie meine Eltern mich geprägt haben und mein Verhalten mitbestimmten; wie ich zu der wurde, die ich bin, weil sie es waren, die sie sind. So sehr verschieden und so sehr zusammen, eine tiefe Stimme und eine hohe, er trug Anzug, sie ein Kleid.

Es gibt immer mehr Varianten der Elternschaft, gleichgeschlechtliche Paare haben Kinder, neuerdings werden auch platonisch Kinder gezeugt, unter Freunden, um die romantische Beziehung nicht durch Nachwuchs zu belasten. Ich kann nichts gegen all das vorbringen. Ich weiß nicht, wie es ist, mit zwei Vätern oder zwei Müttern groß zu werden, ich habe es nicht erlebt. Aber ich bin froh, mit einer Mutter und einem Vater herangewachsen zu sein.

An den weichen Körper der Mutter gedrängt einzuschlafen, die Handcreme zu riechen, mit der sie nach einem strengen Tag abends im Bett ihre Hände einrieb. Sie streckte sie dabei in die Dunkelheit, als ob sie betete. Zwischen meinen Eltern zu liegen, aber immer näher bei ihr, der Matratzengraben wie die symbolische Grenze zum anderen, meinem Vater.

Sie als Liebespaar wahrzunehmen, auch wenn das selten geschah. Aber so unnötig mir schien, dass sie als solches auftraten, so selbstverständlich war es auch, denn darum gab es mich. Wegen dem Mann mit Zylinder auf jenem Bild aus den Siebzigerjahren, der Frau in weißen Schlaghosen. Als Kind denkt man lieber nicht daran: Aber sobald ich zur Romantikerin wurde – auch daran werden sie ihren Anteil haben –, war es okay, mir ihre Vereinigung vorzustellen.

Mein Vater war der erste Mann, dem ich gefallen wollte. Wer heute kritisiert, wenn ein Mädchen beim Vater den Augenaufschlag übt und ausprobiert, wie viel mit Verführung zu erreichen ist, der hat Sigmund Freud nicht verstehen wollen. So merkte ich irgendwann, dass mein Vater schon an meine Mutter vergeben war. Und wollte ihn erst recht gewinnen, so wie meine Schwestern dasselbe wollten; ein frühes Üben, schmerzhaft auch, weil man nicht immer die Erste war. Trug er uns zu dritt die Treppe hoch, so saß nur eine auf seinen Schultern.

Nicht immer waren beide gleich anwesend, aber war der eine überfordert, übernahm der andere. Ging zum Elternabend, kochte Tee bei Fieber, tröstete, wenn eine Katze starb. Es war meine Mutter, die vieles zusammenhielt; mein Vater würde es nicht bestreiten. Mein Vater: ein Meister des Schweigens. Das habe ich von ihm. Und wie das Glück und die Geborgenheit, so blieben auch die Risse, die durch ihre Beziehung gingen. Später hörten wir meine Mutter sagen, was es durchaus an den Männern auszusetzen gab, sie könne das Heiraten nicht nur empfehlen. Meine Mutter: die das Leben liebt.

Warum musste sich mein Vater immer rasieren? Sie begründete ihre Verordnung damit, dass ein Mann sein Gesicht nicht verstecken sollte. Und dass sie kein kratzendes Gesicht küssen möge. Also rasierte sich mein Vater, denn es gefiel ihm auch am besten so. Meine Mutter strich ihm über die Wangen.

Auch das habe ich von ihnen gelernt.

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