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ANLEITUNG FÜR

LIEBESKRANKE


Liebeskummer klingt nach einem alten Gefühl, doch bemerkbar macht er sich so wuchtig wie je. Zwar tut man heute so, als stände es in unserer Macht, kraft des Denkens das Fühlen zu verändern. Aber wenn die Wellen angerollt kommen, jede Erinnerung zum Messer wird, reicht die eingeübte Selbstkontrolle höchstens noch dazu, sich nicht ins Wasser und in die Klinge zu stürzen. Die Drastik hier soll deutlich machen: Nicht jeder Schmerz lässt sich durch Arbeit am Ich temperieren.

Um an Liebeskummer zu leiden, muss man sich eingelassen haben. Und zwar ohne Sicherheitsnetz. Sodass der erste Gedanke nicht mehr einem selbst gilt, sondern dem anderen. Dann kommt es zum Bruch. Doch auch jetzt spricht der Liebeskranke noch vom Geliebten, wenn er über sich redet. Er sagt: Es stirbt ein Teil von mir.

Wie kann man teilweise sterben und trotzdem noch am Leben sein?

Um Verliebte am Anfang einer Beziehung in ihrem Überschwang zu bremsen, sagt man oft: »Schau, dass du eigene Freunde hast, auch einmal alleine verreist, ihr eure Güter trennt.« Man redet, als wäre Nüchternheit der Zustand, den ein Berauschter kennt. Stattdessen sind die Grenzen aufgehoben. Man öffnet jede Tür, um den andern in sein Leben einzulassen. Lieben heißt, sich selbst zu erweitern. Zwei Ichs greifen ineinander, Wesenszüge verflechten sich, Erfahrung kommt zusammen. Je größer der gemeinsame Bereich, desto größer die Nähe. Man übernimmt neue Perspektiven und fühlt sich aufgewertet. Umso mehr droht der Selbstverlust, wenn eine Liebe endet. Es ist, als sterbe ein Teil von mir. Du.

Wie wird man wieder vollständig?

In der wunden Phase des Liebeskummers geht es darum, die zwei Leben zu entflechten. So beschreibt es Elena Stancanelli in ihrem Roman »Die nackte Frau«, der Geschichte einer Verlassenen. Wenn man sich trenne, werde man nicht wieder zu der, die man vorher war, sondern zu einem neuen Menschen: zu dem, »der übrig bleibt, nachdem man mit viel Zeit und Geduld das Geflecht einer zu Ende gegangenen Liebe aufgelöst hat. Einiges bleibt natürlich trotzdem hängen. Und jedes Mal, wenn du das merkst, jedes Mal, wenn du eine Geste machst oder eine Wendung benutzt, die von ihm, von euch beiden stammt, erschauerst du.«

Nie sei man so verletzlich, als wenn man liebe, hat Sigmund Freud gesagt. Und man ist nie so einsam, als wenn es zu Ende ist. Der Trost von Freunden erreicht einen nicht, denn was können sie sagen? Sätze wie »Du wirst sie vergessen« oder »Das Leben geht weiter« sind das Letzte, was man in dieser Situation hören möchte. Wer Liebeskummer hat, will eine Liebe gerade nicht aufgeben. Man halte die Bindung für den einzigen Rettungsanker, heißt es in »Die nackte Frau« weiter, dem Erfolgsbuch aus Italien: »Wenn ich loslasse, denkt man, treibe ich davon, in irgendeinem Meer, unter irgendeinem Himmel.« Dabei treffe das Gegenteil zu: »Gerade wenn man sich festklammert, wird man fortgetrieben.«

Diese Erkenntnis kommt jedoch erst später. Bis dahin helfen Tabletten, Alkohol, Sport, ein Haustier, traurige Musik oder Alain de Bottons »Trost der Philosophie«, daraus besonders Schopenhauer für gebrochene Herzen. Solche Mittel nützen mehr, als das Mitgefühl von Freunden hilft, welche nur erahnen können, wie es um einen steht.

Doch irgendwann ist es so weit: Man hält sich nun das Gute der Trennung vor Augen und deutet sie zum Vorteil um.

So wie Nicole Kidman, als sie sich 2001 von Tom Cruise trennte und auf die Frage des Talkmasters David Letterman sagte: »Well, I can wear heels now.«

Man hat es geschafft.

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