Читать книгу In jeder Beziehung - Birgit Schmid - Страница 18

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MEINE FREIE

ARZTWAHL


Als Kind kam nur einer infrage: ein Arzt. Ich wollte einen Arzt heiraten. Und wo lernte ich einen solchen am ehesten kennen? Im Spital. Also wollte ich Krankenschwester werden. Da ich diese Pläne lesend vornahm und darob nicht mehr ansprechbar war, hielt mich schon das davon ab, tatsächlich eine medizinische Fachangestellte zu werden, wie die korrekte Bezeichnung heute lautet. Die Traumverbindung wurde mir in den Jugendbüchern »Susanne Barden« vorgeführt, drei dicke Romanbände, in denen die Titelheldin sich zur Krankenschwester ausbilden lässt, Dr. Barry kennenlernt und heiratet.

Wie sehr die Träumerei von kulturellen Vorstellungen geprägt war, was einen Mann ausmacht (entscheidungsfreudig, zupackend) und wie eine Frau zu sein hat (fürsorglich, kümmernd), weiß ich nicht. Ich las das einfach gern. Und muss jedes Mal daran denken, wenn Umfragen gemacht werden über die Berufe, die beim andern Geschlecht gut ankommen, wie gerade eben wieder.

Die Partnervermittlung Elitepartner hat ermittelt und herausgefunden: 42 Prozent der Frauen finden Ärzte attraktiv. Die Männer wählten an zweiter Stelle mit 37 Prozent Krankenschwestern. Noch besser gefallen 45 Prozent von ihnen aber Ärztinnen. Das ist eine gute Nachricht, da eine Folge der Emanzipation: Neben Medizinern stehen nun auch Medizinerinnen auf dem nach Berufen sortierten Begehren an erster Stelle. Bei männlichen Vorlieben folgen Wissenschaftlerin, Künstlerin, Lehrerin, Architektin. Frauen zählen weiter Handwerker, Architekt, Polizist, Geschäftsführer zu den anziehendsten Berufen. Eher ungern lassen sich Frauen wie Männer mit einem Steuerberater und einer Politikerin ein.

Es ist ja eine der ersten Fragen, wenn man jemanden kennenlernt: Was arbeitest du? Meist trägt das bei zum Bild, das man sich von jemandem macht, steigert dessen Attraktivität oder dämpft das Interesse. Man assoziiert mit Berufen gewisse Charaktereigenschaften und bewertet so die Begehrlichkeit des Inhabers. Ein Ingenieur schaut dafür, dass die Wände gerade stehen, das Dach trägt und die Brücken halten. So einer ist gewissenhaft und vertrauenswürdig. Eine Lehrerin kann einem die Welt erklären, sie gilt als geduldig und verständnisvoll. Ein Arzt, der Retter. Eine Ärztin, mitfühlend.

Seien wir ehrlich: Wir definieren uns auch über das berufliche Ansehen des andern. Die Beruf-Liebeswahl ist ein Bekenntnis zum Elitären. Man wünscht sich jemanden an der Seite, der etwas darstellt, dessen Tage mit Sinn gefüllt sind. Will mit Stolz ihren Beruf nennen in einer Runde. Schlimm zu merken, da schämt sich eine für die Arbeit des Partners. Auch will man verstehen, was der andere macht, was bei heutigen Berufsbezeichnungen nicht immer einfach ist. Er ist Telematiker – und jetzt?

Damit soll nicht gesagt sein, dass sich unterschiedliche Berufe nicht ergänzen können. Und doch kann ein intellektuelles Gefälle beide einsam machen. Sich abends nicht von der Arbeit erzählen, weil die Neugier fehlt oder das Verständnis. Das Problem stellt sich bei den vielen Paaren nicht, die sich nach wie vor über die Arbeit kennenlernen. Da ist es dann eher wichtig, nicht ständig das Büro durchzunehmen.

Was folgern wir daraus? Wir wähnen uns romantisch, aber machen die Liebe sogar abhängig vom Beruf einer Person. Auch dann, wenn die Wahl zufällig scheint.

Jahre später bin ich dem Mann begegnet, er trug da gerade keinen weißen Kittel. Der Moment war wohl trotzdem entscheidend, als er mir ein leeres Terminkärtchen mit seiner Nummer gab. Und der Roman begann.

In jeder Beziehung

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