Читать книгу In jeder Beziehung - Birgit Schmid - Страница 21
ОглавлениеLIEBE IST AUCH NUR
EIN WORT
Sie schlagen einen heute fast in die Flucht, die berühmten drei Worte, mit denen Schlagersänger ihre Lippen formen und die auf Valentinskarten stehen: Ich liebe dich. Der Liebesschwur ist inzwischen so abgegriffen und formelhaft, dass man sich nicht mehr gemeint fühlt. Umgekehrt möchte man die Sprache neu erfinden, wenn es einen in einem ebensolchen Moment der Überwältigung zu einer Gefühlsäußerung drängt.
Nur weil man um die richtigen Worte ringt, soll man aber nicht einfach schweigen. »Die Liebe liegt in der Sprache, oder sie existiert nicht«, hat die Schriftstellerin Undine Gruenter geschrieben. Deshalb ist es keine Alternative, einfach nichts zu sagen und darauf zu vertrauen, dass der andere schon spürt, wie viel er einem bedeutet. Es gibt aber Sätze, die es viel schöner sagen. Ich schlage hier zur freien Verwendung ein paar Liebeserklärungen vor.
Da sie kurz, das heißt prägnant sein sollen, hören wir uns zuerst bei anderen Sprachen um – zumal ein exotischer Klang das Liebesgeflüster immer aufwertet. Auf Kreolisch zum Beispiel sagt man »Mi aime jou«. Das erinnert vom Lautmalerischen her an eine Aussage von Roland Barthes. »Ich liebe dich«, schreibt er in »Fragmente einer Sprache der Liebe«, bedeute eigentlich »Liebe mich«. Die Aufforderung, geliebt werden zu wollen von genau jemandem, ist als Gefühlsbekundung durchaus originell.
Und weiter: Dass es manchmal reichen würde, den andern anzuschauen und nur »Wow« zu sagen, das suggeriert »Ich liebe dich« auf Hawaiianisch: »Aloha wau ia ’oe.«
Bei der Liebeserklärung in zwei weiteren Sprachen wird man mit etwas Fantasie daran erinnert, wie berauscht einen das Verliebt-Sein macht. »Techihhila«, sagen die Sioux zueinander. Man denkt dabei an die Trunkenheit nach einem Tequila, dem Schnaps.
Auch »Mi amas vin« auf Esperanto klingt so, als würde man den Treibstoff meinen. »Wein« lässt sich hier aber auch im übertragenen, das heißt christlichen Sinn mit »Blut« gleichsetzen. Also könnten die esperantischen Worte »Du bist mein Leben« heißen.
Man muss nicht von Liebe reden, um Liebe zu meinen. Auf Deutsch gibt es weitere kurze Sätze, die Hitze fluten lassen. »Ich brauche dich« hat etwas Inniges, vorausgesetzt, man meint damit nicht: Ich brauche dich als Köchin, als Informatiker bei Computerproblemen oder wegen deinem Geld.
Heute darf man zwar niemanden mehr brauchen, will man sich nicht abhängig zeigen. Bertolt Brecht wusste das noch nicht, als er dichtete: »Der, den ich liebe / Hat mir gesagt / Dass er mich braucht. // Darum / Gebe ich auf mich acht / Sehe auf meinen Weg und / Fürchte von jedem Regentropfen / Dass er mich erschlagen könnte.« Das Gedicht sei »Morgens und abends zu lesen«, empfahl er im Titel. Meistens lässt Routine ein Liebesgeständnis schnell einmal abgedroschen klingen. Indem man diese hier zweimal am Tag in sich hineinsagt wie ein Gebet, vergegenwärtigt man die Gefühle füreinander.
Es gibt die Steigerung: »Ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt.« Oder: »Ich liebe dich mehr, als ich auszudrücken vermag.« Wenigstens ist der Sprachlose ehrlich. Schnell dahingesagt, aber verantwortungslos ist der Satz: »Ich liebe dich mehr als mein Leben.« Siehe Brecht.
Es gibt den Vergleich: »Ich liebe dich, wie Adam Eva geliebt hat.« Auf keinen Fall sollte man es wie Franz Kafka machen, der in einem Brief an Milena gesteht, er liebe sie »so wie das Meer einen winzigen Kieselstein auf seinem Grunde lieb hat, genau so überschwemmt Dich mein Liebhaben«.
Und so spült er die Geliebte fort. Deutlicher kann man jemanden mit einem Liebesschwur nicht von sich fernhalten.