Читать книгу In jeder Beziehung - Birgit Schmid - Страница 8

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ER NANNTE SIE

»MEIN HERZTIER«


Sie sind komisch und lächerlich, deshalb sollte man sie nie im Beisein von Dritten aussprechen: die Kosenamen. Sie gehören in den geschützten Raum einer Beziehung und passen ausschließlich auf zwei Menschen. Sie drücken deren Einzigartigkeit füreinander aus. Als Maria gehört sie allen, als Käfer nur mir. Für die Patienten ist er Herr Doktor, für mich heißt er Muffin. Kosenamen führen eine Privatsprache an, die ein Paar im Lauf der Zeit zu einem Code entwickelt, unentzifferbar für andere. Der Linguist Ernst Leisi nannte sie ein Initiationsritual, das den Beginn einer Beziehung markiere.

Allerdings ist der richtige Zeitpunkt wichtig für ihre Vergabe. Ich erinnere mich an die Schleimspur des »Schnäggli «, einen Namen, den ich zu früh erhielt. Da war bereits alles hoffnungslos. Man muss jede Hemmung ablegen, um zu sagen, dass der andere das Bild eines Otters oder einer Hexe wachruft. Das geschieht erst mit zunehmender Vertrautheit. Und geteilten Erlebnissen, denn oft entstehen Kosenamen aus der Situation heraus. Mein Chef de cuisine. Spitzschühchen. Mit solchen Namen lässt sich später die gemeinsame Geschichte zurückverfolgen, sie sind wie ein Tagebuchzeichen: erinnern an jene Zeit, den damaligen Tag. Bibbi, weißt du noch, wie wir unsre erste Ikea-Bettwäsche »Bibbi« kauften?

Das beliebteste Wort im deutschsprachigen Raum ist »Schatz«. Austauschbar und deshalb am gesellschaftstauglichsten. Fantasielos. »Schatz, schau dir das an!«, ruft es im Zug. Ein Schatz ist ursprünglich nicht nur etwas, was kostbar ist und beschützt werden muss, sondern meint im religiösen Kontext ein Heiligtum, nur Auserwählten zugänglich. Vielleicht nervt es darum, unbeteiligt Ohrenzeuge von Kosewörtern zu werden, wie einmal jemand gesagt hat: Man fühlt sich wie der Atheist, der in eine Messe geraten ist.

Das Zwiespältige an Kosenamen ist die Infantilisierung. Der andere wird verniedlicht und verkleinert. Viele scheinen sich beim Spaziergang durch den Zoo zu inspirieren. Mein Bär, mein Pinguin. Es ist eine Verniedlichung ins Asexuelle, die sich mit der Babysprache fortsetzt. Beginnt ein Paar früh damit, wird das zum Sexkiller wie ein Ganzkörperfrotteepyjama. Dabei will man bloß eine neue Sprache finden, weil jedes »Ich liebe dich« abgedroschen klingt. Fantasiewörter, verdrehte Syntax, Brabbellaute drücken nichts als ein Wohlgefühl aus. Man könnte auch zu schnurren beginnen.

Im Gegensatz dazu schafft der Vorname, den man kaum mehr verwendet, plötzliche Distanz: Seine Nennung macht das Gesagte dringlich. Im Streit, in einem feierlichen Moment. Wegen ihrer Einfachheit mag ich auch »Liebste« und »Geliebter«. Oder ihn »meinen Mann« zu nennen oder sie »meine Frau«, auch wenn man nicht verheiratet ist. Hier ist die Wiederverwendung in der nächsten Beziehung nicht einmal stillos.

Sympathisch, dass auch weltläufige Menschen eine »underground relationship« führen. So hat die Psychologin Wendy Langford die private Liebesrede bezeichnet. Theodor W. Adorno nannte seine Ehefrau Gretel »mein Herztier «. Edmund Stoiber sagt seiner Karin »Muschi«. Prinz Philip ruft Queen Elizabeth »Cabbage«. Gewiss haben auch Diktatoren daheim Kosenamen. Und sie haben öffentliche: »Baby Doc« für den Haitianer Jean-Claude Duvalier. Kim Jong-il, »der liebe Führer«. Väterchen Stalin. Massenmörder zum Streicheln.

Übrigens: Spätestens dann, wenn ein Kosename zum Ersatz für das Gefühl wird, das er herzustellen behauptet, sollte man seine Verwendung hinterfragen. Oder dann einen ehrlichen Namen benutzen, wie es die Engländerinnen tun. Sie nennen ihren Mann »my headache«. Wenn er nicht da ist.

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