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2.1Gesamtwirtschaftliche Ziele im Konjunkturverlauf

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Das Bund und Ländern durch Art. 109 Abs. 1 GG garantierte Recht, über die Gestaltung ihrer Haushalte frei zu entscheiden (Haushaltsautonomie), erfährt durch Art. 109 Abs. 2 GG eine gewisse Einschränkung. Dort nämlich heißt es:

Bund und Länder erfüllen gemeinsam die Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft […] zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin und tragen in diesem Rahmen den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung.“

Hinter dieser Verfassungsvorschrift steht die Auffassung, dass die öffentlichen Haushalte auch als Instrument der Wirtschaftspolitik dienen sollen.

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Was unter dem „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht“ zu verstehen ist, sagt das Grundgesetz nicht. Die Staatspraxis interpretiert diesen Begriff aber in Anlehnung an die in § 1 StabG (Stabilitäts- und Wachstumsgesetz) genannten gesamtwirtschaftlichen Ziele. Danach liegt der Zustand eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vor, wenn die vier Ziele

 hoher Beschäftigungsstand,

 Preisniveaustabilität,

 außenwirtschaftliches Gleichgewicht sowie

 stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum

gleichzeitig erreicht sind. Da es aber an Zauberei grenzt, alle vier Ziele gleichzeitig zu realisieren, spricht man im Zusammenhang mit diesem gesamtwirtschaftlichen Zielbündel auch von einem „magischen Viereck“.

Verletzt werden die gesamtwirtschaftlichen Ziele, wenn konjunkturelle Störungen eintreten.

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Wie in allen marktwirtschaftlich organisierten Volkswirtschaften tritt auch in der Bundesrepublik Deutschland das Phänomen der Konjunkturzyklen auf. Während das gesamtwirtschaftliche Produktionspotenzial, also die Produktionskapazität (das potenzielle Angebot) einer Volkswirtschaft im langfristigen Trend recht stetig gestiegen ist, unterliegt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage im Zeitablauf ausgeprägten Schwankungen. Phasen stark ansteigender Nachfrage nach Gütern und Diensten (Aufschwung) schlagen sich in einer zunehmenden Auslastung der Produktionskapazitäten nieder; in einer solchen Phase sinken die Stückkosten und die Gewinnsituation der Unternehmen verbessert sich sowohl von der Absatz- als auch von der Kostenseite her sehr deutlich.

Zumindest im fortgeschrittenen Aufschwung wird die starke Nachfrage es immer mehr Unternehmen ermöglichen, Preisanhebungen durchzusetzen (nachfrageinduzierte Inflationstendenzen).

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Expandiert die Nachfrage anhaltend und schnell, gerät die Volkswirtschaft in eine Phase (Hochkonjunktur, Boom), in der die Unternehmen ihre Produktionskapazitäten zur Befriedigung der „überschäumenden“ Nachfrage stärker auslasten als dies wirtschaftlich sinnvoll wäre, d.h. sie produzieren nahe an den technischen Grenzen ihrer Produktionsanlagen, wo Energieverbrauch und Verschleiß überproportional zunehmen. Zudem werden zunehmend Überstunden in den Betrieben geleistet und nach und nach auch Neueinstellungen vorgenommen. Als Folge dieser Entwicklung beginnen die Produktionskosten wieder zu steigen, vor allem dann, wenn die Gewerkschaften die verbesserte Beschäftigungssituation und die „explodierenden“ Gewinne der Unternehmen zum Anlass nehmen, hohe Lohnforderungen durchzusetzen (kosteninduzierte Inflationstendenzen).

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Die Unternehmen setzen den Lohnforderungen der Gewerkschaften häufig nur geringen Widerstand entgegen, da sie bei hoher Nachfrageintensität davon ausgehen (können), die gestiegenen Lohnkosten über Preisaufschläge auf die Käufer überwälzen zu können. Auch zusätzliche Gewinnaufschläge sind durchsetzbar, wenn die Produktion mit der Nachfrage nicht Schritt halten kann und die Lieferfristen immer länger werden.

Abbildung 9:Konjunkturschwankungen


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Spiegelbildlich verhält es sich, wenn die Wirtschaft, aus welchen Gründen auch immer, aus der Boom-Phase heraus in eine Abschwungsphase einmündet. Die nachlassende Nachfrage bewirkt, dass die Produktionskapazitäten (Maschinen wie Mensch) zunehmend unterausgelastet sind. Der nachfragebedingte Druck auf die Preise lässt nach, doch wird zunehmend das Ziel eines hohen Beschäftigungsstandes verletzt.

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Ein beginnender Abschwungsprozess birgt die Gefahr, sich rasch kumulativ zu verstärken, da „Erwartungsfehler“ als Akzelerator (Beschleuniger) wirksam werden: die Unternehmen fürchten die Absatzkrise und schränken aus diesem Pessimismus heraus ihre Investitionsnachfrage stärker ein als es die objektive Absatzsituation rechtfertigen würde; die Beschäftigten fürchten die Beschäftigungskrise und erhöhen ihre Spartätigkeit (Vorsichts- oder Angstsparen) zu Lasten ihrer Konsumnachfrage. Ohne staatliche Eingriffe droht die Rezession, also eine Phase sehr schwacher Kapazitätsauslastung, häufig verbunden mit einem absoluten Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Aktivität, also des realen Bruttoinlandsprodukts.[14]

In einer solchen Rezessions-Phase ist nicht nur das Beschäftigungsziel, sondern auch das Ziel eines angemessenen Wirtschaftswachstums verletzt.

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