Читать книгу Öffentliche Finanzwirtschaft - Bodo Leibinger - Страница 32
Оглавление2.2Ansatzpunkte staatlicher Stabilisierungspolitik
129
Vom Staat wird durch Grundgesetz (Art. 109 Abs. 2) und Stabilitätsgesetz (§ 1 StabG) verlangt, dass er seine Haushaltspläne als Instrument der Wirtschaftspolitik einsetzt, mit dem Ziel, das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht zu erhalten bzw. wiederherzustellen. Konkrete Handlungsanweisungen lassen sich aus diesen Normen jedoch nicht ableiten.[15]
130
War man in Deutschland in der Dekade Mitte der 60er bis Mitte der 70er Jahre dazu übergegangen, das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht über antizyklische Konjunktursteuerung (auch Globalsteuerung genannt) zu erreichen, wurde in den beiden folgenden Jahrzehnten eine eher angebotsseitige „Steuerung“ der Wirtschaft präferiert. Während die Angebotspolitik auf eine mittelfristige Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen setzt, zielt die (antizyklische) Konjunkturpolitik auf eine kurzfristig orientierte Steuerung der Gesamtnachfrage ab.
Antizyklische, d.h. dem Konjunkturzyklus entgegensteuernde staatliche Stabilisierungspolitik versucht, privaten Nachfrageschwankungen durch staatliche Nachfrageimpulse entgegenzusteuern. Man spricht daher auch von staatlicher Nachfragepolitik. Eine solche Konjunkturpolitik kann sowohl über die Ausgabe- als auch über die Einnahmeseite des staatlichen Budgets betrieben werden. Das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz (StabG) liefert hierfür einen umfangreichen Instrumentenkasten.
131
Wie eine solche nachfrageseitige Stabilisierungspolitik aussehen kann, wird anhand der einzelnen Komponenten der Gesamtnachfrage (bzw. des realen Bruttoinlandsprodukts) deutlich:
Grundsätzlich können die in einer Volkswirtschaft produzierten Güter für drei Zwecke verwendet bzw. nachgefragt werden. Sie können
1 von Inländern konsumiert werden,
2 von Inländern investiert, d.h. produktiv verwendet werden und sie können
3 ins Ausland exportiert werden.
Werden Güter exportiert, stehen sie für die binnenwirtschaftliche Verwendung nicht mehr zur Verfügung. Auf der anderen Seite stehen den Inländern nicht nur die in der eigenen Volkswirtschaft produzierten Güter zur Verfügung, sondern auch die Güter, die aus dem Ausland importiert werden. Formal lässt sich dieser Sachverhalt wie folgt darstellen:
132
Die hier verwendeten üblichen Symbole sind häufig dem englischen Sprachgebrauch entnommen:
Y = Inlandsprodukt (Y steht für „yield“ = Ertrag, Ergebnis)
Imp = Import
C = Konsum („consumption“)
I = Investition
Ex = Export
133
Da nun i.d.R. das im Inland erzielte Produktionsergebnis (Y) Gegenstand der Analyse ist, ist die Gleichung umzuformulieren, sind die Importe also auf die rechte Seite der Gleichung zu bringen:
Der Saldo aus Exporten und Importen heißt auch Außenbeitrag. Berücksichtigt man, dass nicht nur die privaten Haushalte konsumieren, sondern auch der Staat, so kann der Konsum (C) in den privaten Verbrauch (Cpriv) und den staatlichen Verbrauch (CSt) aufgeteilt werden.
Das Bruttoinlandsprodukt lässt sich dann über die Verwendungsseite wie folgt ermitteln:
Aus analytischen Zwecken, insbesondere wenn es um konjunkturpolitische Analysen geht, kann es sinnvoll sein, den privaten und den staatlichen Bereich scharf abzugrenzen. Man muss dann nicht nur beim Konsum, sondern auch bei den Investitionen zwischen privater und staatlicher Verwendung trennen:
Fasst man den Staatsverbrauch (CSt) und die staatlichen Investitionen (ISt) zu der Größe „Ausgaben des Staates für Konsum und Investitionen“ (C+IASt), also zur gesamten Staatsnachfrage, zusammen, erhält man die folgende Gleichung:
Steht Y für das Bruttoinlandsprodukt, so ergibt diese Gleichung die volkswirtschaftliche Gesamtnachfrage mit ihren vier Komponenten. Die Gleichung wird auch als 1. Keynes’sche Gleichung bezeichnet.
Die Verwendungsrechnung des Bruttoinlandsprodukts zeigt wichtige Ansatzpunkte für die Finanzpolitik auf. Die Verwendungs- oder Nachfragegleichung macht deutlich:
(1) Der Staat ist selbst Nachfrager (C+IASt), d.h. er kann die Gesamtnachfrage (das BIP) unmittelbar durch Erhöhung oder Senkung seiner Konsum- und/oder Investitionskäufe beeinflussen. Dadurch verändert sich auch die tatsächliche Auslastungs- und Beschäftigungssituation in den Unternehmen;
(2) Der Staat kann die Gesamtnachfrage auch mittelbar (indirekt) beeinflussen, indem er
durch Variationen von Transferausgaben (Sozialleistungen, Subventionen wie z.B. Investitionszulagen) oder
durch Variation der Steuersätze
die Kaufkraft der privaten Haushalte bzw. die Liquidität der privaten Unternehmen beeinflusst, so dass diese in die Lage versetzt werden, ihre Konsum-(Cpriv) bzw. Investitionsnachfrage (Ipriv) in gewünschter Richtung zu ändern. Die Abbildung 10 verdeutlicht diesen Zusammenhang.
Abbildung 10:Ansatzpunkte der staatlichen Konjunkturpolitik