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2.3Wirkungsweise des konjunkturpolitischen Instrumentariums

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Die Wirkungen der indirekten Maßnahmen (Transfers, Steuern) sind unsicherer als die von Variationen der Staatsnachfrage, da die Nachfrageeffekte von der Einkommensverwendung der privaten Wirtschaftssubjekte abhängen.

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Für den Fall einer Steuersenkung zur Stimulierung der Konjunktur bedeutet dies: Werden die privaten Haushalte ihr höheres Einkommen nicht zum Teil sparen, zum Teil auch für den Kauf von Importgütern verwenden? In beiden Fällen erfahren die heimischen Unternehmen keine Absatzsteigerung, Nachfrage „versickert“. Eine gewisse Kompensation des Nachfrageausfalls (nach Konsumgütern) könnte nur dann eintreten, wenn das durch die gestiegene Spartätigkeit erhöhte Angebot an Kapital zu Zinssenkungen am Kapitalmarkt führt und damit die Nachfrage nach Investitionsgütern (Ipriv) anregt. Aber: kommt es in der Rezession, in der die Lage am Kapitalmarkt aufgrund allgemein nachlassender Kreditwünsche ohnehin entspannt ist, wirklich zu nennenswerten Zinssenkungen und ist die Investitionsnachfrage in einer solchen Situation wirklich so zinsreagibel?

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Wie reagieren die privaten Unternehmen auf eine Steuersenkung? Werden sie die erhöhte Liquidität wirklich für mehr Investitions-Nachfrage (Ipriv) nutzen oder werden sie angesichts einer schwachen Auslastung bestehender Kapazitäten eher Anlagen ins Geldvermögen tätigen? Nehmen sie Rationalisierungs-Investitionen vor, tritt zunächst die gewünschte Nachfrage- und Beschäftigungswirkung im Investitionsgüter produzierenden Gewerbe ein, die über den Einkommenszuwachs und seiner Verausgabung noch multiplikativ verstärkt werden könnte; nach Installation der Rationalisierungs-Investitionen im Betrieb wird es dann zu Freisetzungen und Einkommensausfällen kommen. Welcher Nettoeffekt stellt sich aus kurzfristig-konjunktureller Sicht ein?

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Variationen der Staatsausgaben für die Käufe von Konsum- und/oder Investitionsgütern (Realausgaben/Staatsnachfrage) sind in ihren kurzfristigen Nachfragewirkungen sicher, sie kommen in voller Höhe bei den Unternehmen an. Durch die verbesserte Absatz-, Auslastungs- und Beschäftigungssituation im Falle einer expansiven Fiskalpolitik können sich auch die Absatz- und Beschäftigungserwartungen der privaten Wirtschaftssubjekte stabilisieren. Zumindest ist es wahrscheinlich, dass überzogene, objektiv durch die wirtschaftliche Entwicklung nicht gerechtfertigte Ängste („Erwartungsfehler“) durch die tatsächliche Verbesserung der Lage korrigiert werden.

Staatliche Nachfrageimpulse, gepaart mit einer Stabilisierung der Absatz-, Einkommens- und Beschäftigungserwartungen, sind die Crux der Fiskalpolitik. Es war noch niemals Ziel staatlicher Nachfragepolitik, den gesamten privaten Nachfrageausfall zu kompensieren.

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Von Bedeutung ist, dass zusätzliche Staatsausgaben (Nachfrageimpulse) nicht nur in ihrer tatsächlichen Höhe für zusätzliche Nachfrage sorgen. Die durch staatliche Aufträge veranlassten Einkommenssteigerungen bei privaten Haushalten führen bei diesen zu höheren Konsumausgaben, was zusätzliche Aufträge und Einkommen an anderer Stelle verursacht. Produktion und Volkseinkommen wachsen weiter. Dieser sich fortsetzende Multiplikatoreffekt kann im fortgeschrittenen Aufschwung noch verstärkt werden, wenn die Unternehmungen durch die erhöhte Konsumgüter-Nachfrage veranlasst werden, Erweiterungsinvestitionen vorzunehmen. Dieser Akzeleratoreffekt (Beschleunigungseffekt über die induzierte Investitionsnachfrage) bringt eine weitere Zunahme von Produktion und Volkseinkommen mit sich.

Die Höhe der Multiplikator- und ggf. Akzelerator-Wirkungen ist freilich ungewiss; sie hängt entscheidend davon ab, inwieweit es gelingt, die Absatz-, Einkommens- und Beschäftigungserwartungen von Produzenten und Konsumenten zu stabilisieren und zu verbessern.

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Wurde in der Bundesrepublik Mitte der 1960er bis Mitte der 1970er Jahre noch stark auf die Wirksamkeit der Konjunkturpolitik über die öffentlichen Haushalte (Fiskalpolitik) vertraut, so ist in den Jahren danach die kurzfristig ausgerichtete Fiskalpolitik zunehmend in Misskredit geraten, vor allem weil sie zu einem starken Anstieg der Staatsverschuldung geführt hat.

Es ist unbestritten, dass Ausgabensenkung und Steuererhöhung per se kontraktiv (bremsend), Ausgabenerhöhung und Steuersenkung per se expansiv wirken. Freilich muss bei allen Maßnahmen auch deren Finanzierung mit in die Wirkungsanalyse einbezogen werden.

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Als Finanzierungsquellen expansiver Maßnahmen kommen grundsätzlich in Betracht:

 Steuererhöhungen oder

 Kredite.

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Steuererhöhungen sind in Rezessionsphasen wenig sinnvoll, da sie den privaten Haushalten und den Unternehmen Kaufkraft bzw. Liquidität entziehen und damit die expansiven Maßnahmen wieder (weitgehend) kompensieren.

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Eine (zusätzliche) öffentliche Kreditaufnahme (deficit spending) ist daher in Rezessionsphasen die einzig sinnvolle Finanzierungsart, da mit ihr kein direkter Entzugseffekt (kein Kaufkraftentzug) bei den Privaten verbunden ist.

Allerdings ist auch eine Kreditfinanzierung konjunkturpolitischer Maßnahmen nicht in jedem Falle ohne negative Rückwirkung auf die private Nachfrage möglich. Indirekte Entzugs- bzw. Verdrängungseffekte (Crowding-out-Effekte) sind denkbar, wenn

 die erhöhte staatliche Nettokreditaufnahme auf ein begrenztes Geldangebot stößt, so dass es zu Zinssteigerungen und damit zur Verdrängung privater Investitionen kommt (zinsbedingtes Crowding-out);

 die privaten Marktteilnehmer mit der erhöhten öffentlichen Nettokreditaufnahme Erwartungen verbinden, die hemmend auf die Konsum- und Investitionsneigung wirken. Denkbar wäre, dass die privaten Haushalte und Unternehmen wegen der steigenden Staatsverschuldung baldige Steuererhöhungen oder Kürzungen von Sozialtransfers oder Subventionen befürchten und deshalb als Reaktion auf die erhöhte staatliche Kreditaufnahme bereits heute Vorsorge zu Lasten ihrer aktuellen Konsum- und Investitionsnachfrage treffen (erwartungsbedingtes oder psychologisches Crowding-out).

Ob ein zinsbedingtes Crowding-Out infolge steigender öffentlicher Kreditaufnahme eintritt, hängt wesentlich von der Geldpolitik der Notenbank ab. Versorgt die Zentralbank den Markt mit ausreichend Liquidität, werden Zinssteigerungen ausbleiben.

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