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2.5Gesamtwirtschaftliche Bedeutung der öffentlichen Haushalte (Kurzfassung)
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Die in Art. 109 Abs. 1 GG vorgeschriebene Haushaltsautonomie von Bund und Ländern wird durch Abs. 2 insofern eingeschränkt, als Bund und Länder verpflichtet werden, mit ihrer Haushaltsgestaltung den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen. Ein solcher Auftrag erfordert eine Koordination der Haushalte von Bund und Ländern; auch die Gemeindehaushalte sind nach § 16 StabG einzubeziehen;
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Unter dem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht versteht man einen Zustand, bei dem die vier Ziele des § 1 StabG – hoher Beschäftigungsstand, Preisniveaustabilität, außenwirtschaftliches Gleichgewicht, stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum – gleichzeitig erreicht sind.
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Zur Erhaltung oder Wiederherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist stabilisierende (also nicht prozyklisch wirkende) Haushaltspolitik unerlässlich. Die Eignung antizyklischer Haushaltspolitik ist umstritten:
Bei stabilisierender Haushaltspolitik sind konjunkturbedingte Steuerausfälle und Mehrausgaben ohne Kompensation hinzunehmen: der Haushalt hat also bewusst Defizite in Kauf zu nehmen.
Bei antizyklischer Haushaltspolitik steigen diese Defizite in Abschwungs- oder Rezessionsphasen weiter an, da über gezielte Mehrausgaben und/oder Steuersenkungen dem Konjunkturverlauf aktiv gegengesteuert wird.
Konjunkturbedingte Mehreinnahmen in Phasen der Hochkonjunktur dürfen nicht für zusätzliche Ausgaben genutzt werden; sie sollten zum Schuldenabbau oder für Rücklagen genutzt werden.
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Jährlicher Haushaltsausgleich (im materiellen Sinn) ist bei wirtschaftspolitischem Einsatz des Haushalts nicht möglich. Haushaltsausgleich kann nur als überzyklisches Ziel verfolgt werden.
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Auch eine mittelfristig orientierte Angebotspolitik kommt ohne stabilisierende Haushaltspolitik nicht aus. Prozyklische Haushaltspolitik ist immer schädlich.
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Die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 hat weltweit zu einem kräftigen Anstieg der jährlichen Defizite und des öffentlichen Schuldenstandes geführt. Um die Staatsfinanzen mittelfristig wieder in den Griff zu bekommen, wurden
in Deutschland die sogenannte Schuldenbremse in das GG aufgenommen. Danach dürfen grundsätzlich die Länder ab 2020 gar keine neuen Kredite aufnehmen, beim Bund wurde die Obergrenze des strukturellen Defizits ab 2016 auf 0,35 % des BIP festgelegt;
auf EU-Ebene zum 1.1.2013 der Fiskalvertrag in Kraft gesetzt, der die Vertragsländer verpflichtet, Regelungen zur Begrenzung des öffentlichen Defizits in nationales Recht umzusetzen. Das strukturelle Defizit darf danach 0,5 % des BIP grundsätzlich nicht überschreiten. Zudem wurde der Stabilitäts- und Wachstumspakt verschärft. Sanktionen dürfen auch gegen diejenigen Staaten eingeleitet werden, die ihre Schuldenstandsquote nicht sukzessive auf 60 % des BIP zurückführen (1/20-Regel).
Neben die strukturellen Defizite können sowohl auf nationaler Ebene als auch auf EU-Ebene konjunkturelle Defizite treten, so dass staatliche Konjunkturpolitik möglich bleibt. Eine konjunkturell bedingte Kreditaufnahme ist bei guter Konjunktur wieder zu tilgen. Konjunkturpolitik erfolgt symmetrisch.