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Die Schwiegermutter jagte Vranica fort

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Vranica blieb ohne Mann. So jung! Und so kurz war das gemeinsame Leben mit ihrem Ehemann gewesen, dass sie später über sich selbst sagte: »Ich bin schon als Witwe auf die Welt gekommen.« Die Schwiegermutter jagte sie bald fort. Sie wies ihr nicht nur die Tür. Ins Gesicht sagte sie ihr, dass sie nichts mehr bei ihnen verloren habe. Mit einer jungen Witwe trieb man Spott, und die Alte wollte nicht, dass ihr Haus zum Gesprächsthema der Leute würde. Schon bevor ihr Sohn an die Front gefahren war, hatte eine eisige Kruste zwischen den beiden Frauen ihre Zacken gezeigt. Es war nicht übermäßig viel Zeit vergangen, drei, vier Jahre, aber die junge Frau wurde nicht schwanger. Doch Miltana hatte es eilig. Sie hatte kein anderes Kind und fürchtete, ihr einziger Sohn könnte ohne Nachkommen bleiben. Die Kinderlose ist schlecht für das Haus, dachte sie sich. Es kam der Schwiegermutter gar nicht in den Sinn, die Schuld bei ihrem Sohn zu suchen. Ihrer Meinung nach lastete über jedem leeren Mutterleib ein mütterlicher oder väterlicher Fluch, und vor diesem Unheil gab es keine Rettung. Vranica war ein Waisenkind. Wer genau ihre Eltern waren, wusste man nicht. Sie geriet mit einem Strom von Flüchtlingen in die Stadt, ein minderjähriges Mädchen. Irgendwie rief diese Ungewissheit bei Miltana wegen ihres schlechten Charakters kein Mitleid hervor. Es war immer der Zweifel, der sie bei ihrem Tun und im Umgang mit anderen leitete.

Vranica lud sich die Bettdecken, die ihr gehörten, auf den Rücken, quasi ihren Hausrat. In die eine Hand nahm sie den Koffer mit den Kupferbeschlägen, unter den anderen Arm steckte sie das Portrait der seltsamen Gestalt, über das ihre Schwiegermutter sich immerzu ärgerte. Am Ende schloss sie die Tür ihres Zimmers. Die Alte erwartete sie im Flur.

»Ich muss wegen der Maschine zurückkommen«, sagte die junge Frau leise, besorgt, man könnte ihr die Tür zu diesem Haus nicht mehr öffnen und es würde ihr nicht gelingen, die Nähmaschine der Marke Singer mit sich zu nehmen.

»Tu das«, entgegnete die Schwiegermutter, rückte aber nicht beiseite. Sie hatte sich ihr wie einem Dieb in den Weg gestellt. Ohne den Mund aufzumachen, streckte sie die Hand nach ihr aus, wobei sie ihr vielsagend aufs Ohr schaute. Vranica stellte den Koffer auf den Boden, lehnte das Portrait dagegen und nahm einen nach dem anderen die Ohrringe ab, die sie als junge Braut bekommen hatte. Sie zog sie aus den Ohrmuscheln und ließ sie in die aufgehaltene Hand der Schwiegermutter fallen. Im Gegenzug bekam sie das Hemd, mit dem sie ihre Schwiegermutter am Tag der Hochzeit beschenkt hatte, zurück. Genäht aus weißem handgewebtem Baumwollstoff mit einem Seidenstreifen, an den Ärmeln und auf der Vorderseite bestickt, eigens als Geschenk für die Schwiegermutter angefertig.

»Gott sei Dank!«, bekreuzigte sich die Alte, als das Tor hinter ihrer Schwiegertochter ins Schloss fiel. Sie ging ins Haus, beruhigt, dass sie einem großen Unglück entgangen war – eine junge und schöne Frau, eine Witwe, obendrein auch noch kinderlos. Sehr bald würde ihr wie ein unsichtbarer Schwanz der Spottname die unfruchtbare Witwe anhaften, eine wirklich unheilvolle Mahnung an jeden Mann, der gedachte, sie zur Frau zu nehmen und einen Hausstand mit ihr zu gründen. Es ging vom Mund der Schwiegermutter selbst aus, die inzwischen in keinem Verhältnis mehr zu der jungen Frau stand.

Miltana bekreuzigte sich noch einmal und schloss sich allein mit dem Trugbild des unbekannten Grabes ihres Sohnes ein, in dem er mit weiß Gott wie vielen anderen lag. Irgendwo jenseits des Vardar. So hatte man es ihr gesagt. Die Mutter behielt es im Gedächtnis, aber nie konnte sie sich vorstellen, wo das war und was das für ein Feld war, das angeblich unser und doch voll fremder Gräber war.

Das einzige, was von Vranica blieb, war der weiße Marmorstein vor dem Gartentürchen, den sie, als man sie als Braut herbrachte, als Schwelle gelegt haben wollte. Und niemand fragte, warum und woher dieser weiße Marmor gekommen war. Die junge Frau pflanzte sofort zu seinen beiden Seiten Goldlack, und stand der Frühling vor der Tür, zeigten die hartnäckigen grünen Triebe ihre jungen Hörnchen.

Wahrscheinlich zählte die alte Miltana die Gartenschwelle nicht als Hausrat, deshalb machte sie auch keine Anstalten, sie aus ihrem Nest zu holen, wo sie sich für einige Jahre niedergelassen hatte. Sie gab sie ihrer Schwiegertochter nicht mit dem geschenkten Hemd zurück.

Der weiße Marmorstein blieb unverrückt an seinem Platz.

Die Schwiegermutter jagte Vranica fort und niemand brachte ihr Mitleid entgegen. Wer weiß, warum, aber die Leute beschlossen alle zusammen, dass der Verlust ihres Mannes sie nicht verletzte. Dass sie jung war und ihre Trauer wie Frühlingstau verdampfen würde. Und als die Mutter ihres getöteten Mannes ihr die Tür wies, akzeptierten sie es als etwas Richtiges. Bis zum nächsten Sonntagsgottesdienst hatten sie es bereits vergessen.

Die unfruchtbare Witwe

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