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Das Witwenbrot

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Die unfruchtbare Witwe begann, für Fremde zu spinnen und zu weben, Rüschen für die Häuser der Wohlhabenden zu stricken und vor allem zu nähen. Sie machte für reichere Töchter die Aussteuer. Was sie in der Hauswirtschaftsschule gelernt hatte, wurde zu ihrem Lebensunterhalt. Der war wirklich bescheiden, aber sie musste nicht hungern.

Sie fühlte sich frei. Weit weg vom Hass ihrer Schwiegermutter. Sie spürte eine seltsame Leichtigkeit. Mit jener kaum wahrnehmbaren Lockerung um den Hals, als hätte sie lange ein Joch geschleppt. Aber gleichzeitig damit verlor sie auch jene Stütze, die jede verheiratete Frau hat. Das spürte sie, als die Nachricht von der Front kam, dass ihr Mann getötet worden war. Der Postbote hatte dem Tor noch nicht den Rücken gekehrt und die junge Frau begriff schon, dass ihr Platz in diesem Haus kalt wurde. Unerbittlich und für immer. Und wie lange sie ihr auch noch erlaubten, darin zu wohnen, es wäre nur, um den Anstand zu wahren.

Jetzt gab ihr die Schwiegermutter die Freiheit. Aber sie trug sie schon seit jener Benachrichtigung von der Front im Herzen. Sie konnte bereits an einen anderen denken. Sie war noch jung. Aber wer würde dieser andere sein? Wo sollte sie nach ihm suchen?

»Sie hat noch nicht einmal gewartet, bis seine Läuse im Grab gestorben sind«, hörte sie hinter ihrem Rücken den ersten Klatsch, und es wurde bereits hemmungslos prophezeit, dass sie bald wieder heiraten würde.

Es gab für sie verbotene Orte. Wie für alle Witwen. Seit Menschengedenken steht die Frau niedriger als der Mann, und ist sie alleingeblieben, dann ist ihr eine starke Seele zu wünschen. Ihr steht kein vorderer Platz an keinem einzigen Feiertag zu, bei keinem Brauch und keinem Ritual. Ob in der Kirche, auf dem Friedhof oder zu Hause, sogar auf dem Feld, sie ist verpflichtet ein wenig abseits zu stehen – sei es zum Guten oder zum Schlechten. Wie ein Mensch zweiter Klasse. Außer wenn sie sehr viele Kinder hat und wenn sie ihrer Obsorge unterliegen. Dann geht sie notgedrungen als Mann durch, und sein Platz steht ihr in allem zu.

»Die Witwe ähnelt einem jungen Kuckuck. Wenn ihn die anderen Vögel treffen, grüßen sie ihn nicht einmal.« Dieser Ausspruch tauchte langsam an der Oberfläche wie aus einer trüben Flüssigkeit auf, und seine Bedeutung wurde mit schrecklicher Kraft klar. Sie hatte ihn in ihrer Kindheit von irgendwelchen Frauen um ihre Großmutter herum gehört, sie flüsterten untereinander, sie hatten mit jemandem Mitleid, aber mit wem, konnte das kleine Mädchen damals unmöglich verstehen. Jede Trauer und jeder Schmerz, die der Witwe ins Gesicht geschrieben stehen, werden, wenn es ein junges Gesicht ist, mit starkem Misstrauen, was die Aufrichtigkeit angeht, und ohne jegliches Mitgefühl wahrgenommen. Vranica bemühte sich, keine Erbitterung in ihrem Herzen zuzulassen, welche sie zur Sünde treiben konnte. Weil alte Frauen behaupten, dass der Fluch einer Witwe bis zum dritten Wickelband reicht. Sie wusste auch, dass das Schicksal und der Zufall niemals dem zu Hilfe kommen, der die Tat gegen Trauer und Aufschreie tauscht. Deshalb begann sie nicht zu jammern und die Hände zu ringen, noch fremde Schicksale zu verfluchen.

Eine Witwe muss, wenn sie jung ist, wieder heiraten, gebietet das ungeschriebene Gesetz. Sie war jung und hatte keine Kinder. Sie hatte nicht geboren und sie konnte nicht schwanger werden. Sie war unfruchtbar, und genau das machte sie bei den fremden Männern begehrt. Nicht für eine Hochzeit, sondern um in ihr zu kommen, ohne darüber nachdenken zu müssen. Auf dass ihre Leidenschaft vollständig befriedigt wurde. Und ihre? Manchmal ja, manchmal nein. Es kam vor, dass sie dem Trugschluss unterlag, sie sei den Männern ebenbürtig. Dann erlebte sie kindliche Freude. Eine Belohnung für die Unfruchtbarkeit. Ihr weißer Körper bedeckte sich gleichsam mit Bilsenkraut – mit den trügerisch schönen mattgelben Blüten des Teufelskrauts, welches zwischen dem Tod und dem Leben blühte. Vranica fühlte sich entfesselt. Damit verbunden und ohne Stütze, welche sie vor fremder Begierde schützen konnte. Gesegnet mit einem scharfen Verstand wusste sie, dass sie an der Ungerechtigkeit, die über sie gekommen war, keine Schuld hatte. So wie auch keine Kinderlose an ihrem leeren Mutterleib schuld ist.

Es war für sie bitter wie Gift. Mit den Jahren hatte sie sich vorgeblich damit abgefunden, aber sie hörte nicht auf zu hoffen. Irgendwo am Grund, im Tiefsten, im Verborgensten behielt sie die schwache Hoffnung, dass sie vielleicht doch ein Kind gebären würde. Die Frauen, die anderen, gebaren solange sie ihre Regel bekamen, solange sie konnten. Vranica blieb leer.

Die unfruchtbare Witwe

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