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Vom Eliastag bis Mariä Himmelfahrt

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Vranica trug Schwarz. Nicht, weil sie trauerte. Nicht einmal wegen des ungeschriebenen Gesetzes, wie sich eine Frau anzuziehen hatte, die ihren Mann verloren hatte. Ihr war bewusst, dass sie in Schwarz schöner war. Sie würde diese Farbe auch später beibehalten, wenn sie die örtliche Tracht langsam aber sicher gegen fertig gekaufte Kleidung eintauschte.

Der scharfe Gegensatz zwischen der hellen Haut und dem schwarzen Kopftuch ließ die Männer anbeißen. Immer nach hinten gebunden und hinauf geschoben, damit man ihren milchig weißen Hals sehen konnte. Sie trug ihr Haar in langen Zöpfen. Einmal ließ sie sie frei, auf dass sie sich wie Schlangen über ihren Rücken wanden. Ein andermal bändigte sie sie unter den Trägern der Schürze. Sie war eine bekannte Reinlichkeitsfanatikerin. Sie hatte schwarze Augenbrauen, ein Mal ihrer väterlichen Abstammung. In welches Geschlecht ihr Same auch fiel, die Brauen wurden an deren Kinder weitergegeben. Bei den Männer hingen sie wie Vordächer über den Augen, bei den Frauen wanden sie sich wie Blutegel. Ihre eine Braue endete in einem Muttermal und sah aus wie ein Fragezeichen.

Hatte sie es auf jemanden abgesehen, dann versagten ihr ihre Lider den Dienst. Ihr Blick wurde schwer vor sichtbarem Verlangen. Dann starrte das Fragezeichen den Auserwählten direkt an und er wurde verhext. Der Gezeichnete konnte ihr nicht widerstehen.

Vranica arbeitete im Gegensatz zu den meisten Frauen hier nicht auf dem Feld. Sie hatte kein Land. Manchmal ging sie helfen, wenn man sie einlud. Sie mochte die Zeit der Heuernte, wenn die ganze Stadt auf die Wiesen hinausging, die den riesigen grünen Kragen der Berge bildeten. Kruše (wie die Ortsansässigen die Zeit der Heuernte nach dem Namen des Ortes nannten) wurde vom Eliastag bis Mariä Himmelfahrt eingebracht, und die Mahd auf dieser riesigen Weide stellte eher eine Erholung dar als Arbeit. Zumindest im Vergleich zu den anderen landwirtschaftlichen Arbeiten. Das galt natürlich nicht für die Schnitter. Das Schwingen der Sense erforderte ein starkes und sehniges Kreuz, stabile Beine und feste Hände. Und Können. Der gute Schnitter stellte einen für jede Frau aufregenden Anblick dar. Wenn Vranica den Tag über den schönen Tanz eines Schnitters, das geschickte Schwingen der Sense und das mit einem Zischen vor seine Füße fallende Gras beobachtet hatte, seine konzentrierte Stirn, eingefasst mit einem weißen Tuch, dann wälzte sie sich nachts unruhig im Bett. Der erregende Anblick und der ihr lang in Erinnerung bleibende Duft von rotem und weißem Klee, Löwenzahn und Taubnesseln, vermischt mit dem Duft des bei der schweren Arbeit geflossenen Männerschweißes, verfolgte sie tagelang in ihren Träumen.

Im Übrigen, auch wenn sie es sich nicht eingestehen wollte, an der Heuernte nahm Vranica vor allem wegen dieses Anblicks teil.

Große Wiesen, durch Haselnuss- und Hagebuttensträucher aufgeteilt nach Familien, durchzogen von Bächen, in denen man die Milch kühlte, die man in Tonkrügen, deren Hälse mit großen Blättern von Klette umwickelt waren, für Joghurt angesetzt hatte. Inmitten mancher der Wiesen gab es Brunnen, die ein besonderes Privileg darstellten, welches natürlich alle nutzen konnten. Auch wenn das Gras um sie herum ein wenig flachgetreten wurde, verliehen sie dem Landbesitz Bedeutung. Sie verwandelten ihn in einen belebten Ort, in ein eigenartiges Zentrum, das entsprechend Stolz beim Besitzer hervorrief, und war er nur ein armer Kerl, der gerade mal eine Wiese von einem einzigen Schnitter besaß. Das wiederum ist keine Zahl, sondern ein Maß für das an einem ganzen Sommertag von einem durchschnittlichen Schnitter Gemähte. Durch den Brunnen wurde der Name des Besitzers sogar in den Gemeinderegistern geführt und verblieb dort auf alle Ewigkeit, weil man mit ihm ein Territorium bezeichnet hatte.

Wenn man abends im Schönen Talkessel kein Lichtlein mehr sehen konnte, brannten die Feuer nach Kruše immer noch weiter. Um sie herum hatten sich die müden, vielköpfigen Familien niedergelassen. Die Kinder schliefen schon längst. Die Erwachsenen erholten sich verdientermaßen, und manche von den Jungen raschelten schon stürmisch in den nahe gelegenen Heuschobern.

Die Glühwürmchen begannen ihren Tanz. Die pulsierenden Lichtlein markierten das Chaos ihrer verdammten, aber ewigen Bemühungen im ungleichen Kampf gegen die Sterne, kaltblütig und gleichmütig in ihrer kosmischen Herrlichkeit und Unerreichbarkeit.

Es brach eine warme Nacht herein, kurz und weich.

Am nächsten Morgen zeigte sich die Sonne schon früh. Sie vertrieb den Tau von den schweren Heuschwaden, die am Ende des vorhergehenden Tages umgemäht worden waren. Die fleißigsten jungen Frauen zogen unter den Schatten der Erlen und Haselnusssträucher das noch rohe Heu hervor. Am oberen Ende dengelte ein Schnitter die bissige lange Zunge seiner Sense, am unteren Ende blitzte eine andere schon im Gras. Als letzte erwachten die Kinder. Kruše strömte einen dichten Duft von blühenden Kräutern und frisch gemähtem Gras aus. Gegen Mittag versank der Schöne Talkessel in Gluthitze, die Grillen wurden vor lauter Hitze verrückt, und machte sich schließlich die Sonne daran, hinter den Bergen unterzugehen, trat die Stunde der langen Schatten ein. Danach waren die langgezogenen, traurigen Lieder an der Reihe.

Und so ging es zwei Wochen lang – vom Eliastag bis Mariä Himmelfahrt.

Die unfruchtbare Witwe

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