Читать книгу Torn apart - Zerrissen zwischen zwei Männern - Cedrina Lautenfeld - Страница 7

Moment der Wahrheit

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Auch im Januar, Februar und März besuchte René regelmäßig den Englischunterricht von Herrn Bookman. Eines Nachmittags während der Pause, als alle anderen Studenten den Übungsraum verlassen hatten und nur René und Cecilia noch nebeneinander an einem Tisch saßen, fragte Cecilia in frechem Tonfall plötzlich:

„Na, wie ist der Sex mit Cassandra?“ René sah sie überrascht und entsetzt an. Er sah in ihr Gesicht und bemerkte zum ersten Mal die Eiseskälte in ihren Augen, die keine menschlichen Gefühle zuzulassen schienen. Ihre Frage war dreist und die lässige Art und Weise in der sie über ihrem Stuhl hing, unterstrich diese Dreistigkeit ihrer unerwarteten Frage.

Wütend und mit zusammen gekniffenen Augen schaute René sie jetzt an. Mit harter Stimme antwortet er ihr. „Das geht Dich gar nichts an.“ Cecilia lachte laut auf. „Wow, welch ein Gefühlsausbruch.“ Sie lachte erneut und war amüsiert. Dann legte sie ihre Beine auf Renés Oberschenkel und grinste frech.

René sah sie erneut wütend an und schubste ihre Beine mit einer kräftigen Handbewegung von seinen Oberschenkeln. „Fass mich nicht an“, ermahnte er sie danach noch, bevor er sich wieder auf seine Bücher konzentrierte.

Cecilia amüsierte seine Reaktion, doch sie startete keinen weiteren Annäherungsversuch, da jetzt der Unterricht wieder begann.

Später erzählte René Cassandra, dass Cecilia immer noch in seinem Englischkurs war und dass sie ihn nicht nur nervte, sondern auch immer wieder anbaggerte. Cassandra grinste amüsiert. Cecilia hatte ihr natürlich längst erzählt, dass sie mit René im Englischkurs war. Doch dass sie ihn anbaggerte, hatte sie Cassandra verschwiegen. Trotzdem überraschte Cassandra Cecilias Verhalten nicht. Ganz im Gegenteil, wenn Cecilia nicht die Absicht haben sollte René anzubaggern, wieso war sie dann in diesem Kurs?

Das englische Theater an der Mundsburg war in einem alten Gebäude untergebracht, dass vor dem zweiten Weltkrieg einmal ein öffentliches Schwimmbad gewesen war. Nach dem Krieg war es einer anderen Verwendung zugeführt worden und diente jetzt seit mehreren Jahrzehnten als Gewerbegebäude und beherbergte überwiegend Arztpraxen, eine Apotheke, ein Fitneß-Center nur für Frauen, ein indisches Restaurant und eben das besagte englische Theater.

„Wusstest Du, dass wir in Deutschland nur zwei professionelle englische Theater haben?“, fragte Cassandra während sie von der U-Bahnstation Mundsburg zum englischen Theater gingen. René sah sie erstaunt an. „Nein, das wusste ich nicht.“ „Doch“, bestätigte Cassandra, „es gibt ein englisches Theater in Frankfurt am Main und hier bei uns in Hamburg. Wir sind also in der glücklichen Lage die englische Theaterkunst hautnah genießen zu können.“

Cassandra strahlte über das ganze Gesicht. Sie liebte es ins englisch sprachige Theater zu gehen und nutzte gern die Vorteile, die ihr eine Großstadt wie Hamburg bot. In Mexico D.F., in der Hauptstadt war sie auch mehrfach mit Michael im Theater gewesen. Sie hatte es genossen und den Humor der Mexikaner als sehr amüsant empfunden. Doch ein englisch sprachiges Theater hatten Michael und sie in der mexikanischen Hauptstadt nicht ausfindig machen können. Aber vielleicht war dieser Wunsch auch ein bißchen zu extravagant gewesen.

Das englische Theater befand sich im ersten Obergeschoß des Gebäudes und war ein kleines Privattheater mit nur 144 Plätzen. Eine breite Flügeltür aus dunklem Holz verschloss die Räumlichkeiten des Theaters, wenn es keine Vorstellungen gab und diente gleichzeitig als Eingangstür zum Theater. Ein schmaler Flur, der rechts und links von Szenenfotos in Metallrahmen früherer Theaterstücke flankiert wurde, führte ins kleine quadratische Foyer des Theaters von dem ein weiterer sehr kleiner Flur abging, der die Bar und die Garderobe des Theaters beherbergte.

Die Wände hinter den Fotos waren in einem hellen weinroten Farbton gestrichen, der Harmonie und Ruhe ausstrahlte. Auf Stehhöhe waren auf beiden Seiten dunkle, schmale Ablageflächen installiert auf denen jeweils zwei Stapel mit Info-Faltblättern über das Programm der aktuellen Spielzeit auslagen.

Nachdem Cassandra und René ihre Jacken an der Garderobe abgegeben hatten, standen sie an eben diesen Ablageflächen und nahmen jeweils ein Info-Faltblatt in die Hand. Das Stück, das sie heute sehen würden hieß „Same time, next year“ und war eine Komödie von Bernard Slade. Cassandra las den Inhalt des Stückes enthusiastisch auf Englisch leise vor.

”An adulterous love affair taking place only once a year and also a reflection of twenty-five years of American morals and attitudes mirrored by the two characters. George picks up Doris in a California Inn in 1951 and they agree to meet there once each year. They are both happily married, have children and remain loyal to their spouses except for their yearly brief encounter. Six scenes take place spaced five years apart. The characters change over twenty-five- years covered in the play, but their transitions never synchronize making for pointed contrasts.”

René hatte gegrinst als Cassandra den Text vorlas, denn erstens konnte er jedes Wort verstehen und zweitens hörte er deutlich ihre Begeisterung für die englische Sprache und das englische Theater heraus.

Cassandra hatte das Vorlesen des Textes so viel Spaß gemacht, dass sie ihn schnell ins Deutsche übersetzte, noch bevor René protestieren konnte. „Also es geht um eine Liebesbeziehung bei der beide Ehebruch begehen. Der Ehebruch findet nur einmal im Jahr statt, dafür aber über 25 Jahre lang. Während dieser Zeit reflektiert er die Moral der USA zu diesem Zeitpunkt. George lernt Doris 1951 in einem kalifornischen Motel kennen und sie vereinbaren sich jedes Jahr einmal dort zu treffen. Beide sind glücklich verheiratet, haben Kinder und bleiben ihren Ehepartnern treu, bis auf ihr jährliches kurzes Zusammentreffen. Sechs Szenen werden gezeigt im Abstand von fünf Jahren. Die Charaktere ändern sich über die 25 Jahre, die das Stück abdeckt. Aber ihre Veränderung ist niemals Synchron, wodurch starke Kontraste entstehen.“

Cassandra lächelte begeistert. Dann sah sie Renés Kopfschütteln. „Die Übersetzung war nicht nötig. Ich gehe seit Monaten zum Englischkurs von Herrn Bookman, habe die ersten beiden Kurse erfolgreich abgeschlossen und werde auch noch den dritten Kurs beenden und Du meinst immer noch, dass Du mir englische Texte übersetzten musst?“ René sah sie ein wenig beleidigt an.

Cassandra wurde plötzlich klar, dass sie ihn verletzt hatte in ihrer Euphorie für das englische Theater. Schuldbewusst sah sie ihn nun an. „Entschuldige, ich wollte Dich nicht kränken. Du hast ja Recht. Durch Deine bestandenen Prüfungen, die auch eine mündliche Prüfung miteinschließen, hast Du bewiesen, dass Du gut Englisch kannst. Es tut mir leid. Du brauchst wirklich keine Übersetzung.“ Cassandra sah ihn vorsichtig lächelnd an.

René grinste. Er war ihr nicht wirklich böse gewesen, doch hatte er sich in seiner Ehre gekränkt gefühlt, weil sie anscheinend gemeint hatte ihm beim Englischen immer noch helfen zu müssen. „Ich nehme Deine Entschuldigung an“, sagte er nun lachend, nahm Cassandra liebevoll in seine Arme und küsste sie. Fremdsprachen ins besondere Englisch und Spanisch waren nun einmal ihre Leidenschaft, da konnte es schon einmal sein, dass sie über das Ziel hinausschoss.

Die Vorstellung begann und René saß erwartungsvoll neben Cassandra am linken Rand in einer der ersten Sitzreihen. Scheinwerferlicht beleuchtete die Bühne und die beiden Schauspieler waren sofort in ihrem Element und spielten wunderbar. Cassandra, aber auch René, lehnte sich entspannt im Sitz zurück und lauschte dem Theaterstück.

Die ersten Sitzreihen waren nur wenige Meter von der Bühne entfernt, weshalb das Publikum den Eindruck bekam mitten im Stück zu sitzen. Dieser Eindruck wurde durch das intensive und ausdrucksstarke Spiel der beiden Schauspieler verstärkt.

Begeistert und an einem Gin Tonic nippend, redete Cassandra in der Pause mit René über das Stück. René trank ein Bier und beteiligte sich mit ebenso großer Begeisterung wie Cassandra an ihrem Gespräch.

Er war glücklich. Seine Englischkurse bei Herrn Bookman hatten den Erfolg gebracht, den er sich erhofft hatte. Er verstand zwar immer noch nicht jedes Wort, dass die beiden Schauspieler sprachen, doch er konnte ihren Dialogen jetzt mit Leichtigkeit folgen.

Er hatte nicht mehr das Gefühl von Frust und Enttäuschung, dass er noch im November nach dem englischen Theaterstück in der Marschnerstraße empfunden hatte. Seine Mühe und harte Arbeit hatten sich gelohnt. Jetzt konnte er mit Cassandra ins englische Theater gehen und den Besuch dort genauso genießen wie sie.

Nur eines fehlte noch. René hoffte auf eine akustische Möglichkeit Cassandra zu beweisen wie gut er jetzt Englisch konnte. Doch er wusste bislang nicht wie und wo er so eine Gelegenheit bekommen konnte.

Cassandra freute sich, dass René offenbar keine Schwierigkeiten gehabt hatte, den ersten Akt des Theaterstückes zu verstehen und redete begeistert mit ihm über das Stück, bis die Klingel ertönte und alle Theatergäste zum zweiten und letzten Akt des Stückes bat.

Der zweite Akt des Stückes war genauso spannend und interessant gewesen wie der erste Akt, weshalb Cassandra und René auch auf dem Weg nach Hause noch ein weiteres anregendes Gespräch über das Stück führen konnten. Dann fragte Cassandra plötzlich. „Habe ich Dich mit meiner Begeisterung für das englische Theater angesteckt?“

René grinste und bestätigte ihre Vermutung. „Ja, das hast Du.“ „Wie wunderbar.“ Cassandra strahlte über das ganze Gesicht. Dann gab sie René einen Kuss. „Du gehst also mit mir auch in das nächste Stück des englischen Theaters?“, fragte sie jetzt in der sicheren Annahme er würde ihre Frage bejahen.

René nickte und nahm Cassandras Hände in seine. Sie sah so glücklich aus und ihr Gesicht hatte so warme, sanfte Züge, von denen sich René magisch angezogen fühlte und die dafür sorgten, dass er sie jetzt nur noch küssen wollte.

René spürte ihre Zuneigung und Liebe für ihn in allem was sie tat. Sie hatte ihm mit der englischen Sprache und dem englischen Theater eine ganze neue Welt geöffnet, die ihm sehr gefiel und die er gern mit ihr teilte.

Durch Cassandra war sein Leben interessanter und abwechslungsreicher geworden. Sie hatte durch ihre vielen Reisen ins Ausland dieses Gefühl für den berühmten „Blick über den Tellerrand“ entwickelt und konnte mit anderen Sprachen und Kulturen leicht und sicher umgehen. René bewunderte und faszinierte diese Fähigkeit an ihr. Er liebte sie innig und seine Verbundenheit mit ihr wurde stärker, umso mehr sie ihn an ihrer Welt teilhaben ließ.

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