Читать книгу Theorien der Sozialen Arbeit - Christian Spatscheck - Страница 30

2.6 Bedeutung für die Soziale Arbeit

Оглавление

Die im Jahre 1525 von Vives dem Magistrat der Stadt Brügge gewidmete Schrift „Über die Unterstützung der Armen“ ist eine für die damalige Zeit bedeutsame Leistung. „Sie ist historisch denkwürdig als die erste durchdachte und mit nötiger Klarheit hingestellte Theorie einer allgemeinen bürgerlichen Armenpflege“ (Heine 1881, XXII). Das Werk scheint damals viel Anklang gefunden zu haben, denn es wurde sehr bald aus dem Lateinischen ins Französische und Spanische übersetzt.

Vives wird heute vielfach als Wegbereiter der Anthropologie des 17. Jahrhunderts und der modernen (empirischen) Psychologie angesehen. Aus seiner Freundschaft mit Erasmus von Rotterdam und Thomas Morus hat er viele Anregungen und Impulse für seine Lehren erhalten. Beide haben sich wie Vives in ihren Werken intensiv mit den sozialen und humanitären Fragen ihrer Zeit befasst. In einigen süddeutschen Städten (z. B. in Augsburg und Nürnberg) und in Straßburg war durch humanistisch gebildete Mitarbeiter der städtischen Verwaltungen das Armenwesen neu geordnet worden (vgl. Sachße/Tennstedt 1980, 23–84). Diese Reformen waren Erasmus bekannt und sind vermutlich über Erasmus zu Vives nach Brügge gelangt. Vives hat einige der bereits praktizierten und erprobten Maßnahmen in seine Abhandlung aufgenommen. Insofern besteht eine enge Verbindung zwischen der praktischen Armenpflege süddeutscher Städte und der Unterstützungstheorie für die Armen (Subventionstheorie) von Vives. „Vives ist eine charakteristische Gestalt einer Übergangszeit, in der die verschiedenen Auffassungen sich mischen und keineswegs in vollem Einklang miteinander gebracht sind“, urteilt Hans Scherpner (1974, 79).

Nicht wenige der von Vives in seiner Subventionstheorie vorgeschlagenen Maßnahmen werden auch heute von der Sozialpolitik und in der Sozialen Arbeit praktiziert: Die Arbeitspflicht, die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die Registrierung der Armen, die schriftliche Erfassung der jeweiligen Notlage der einzelnen Armen, die ärztliche Begutachtung, die individuell orientierte Unterstützung und eine Erziehungskontrolle durch die städtische Obrigkeit (Jugendamt) sind heute nicht aus der Sozialen Arbeit wegzudenken. Der Gedanke, die Armen zu erziehen, das heißt die Pädagogisierung der Sozialen Arbeit, hat sich über Pestalozzi (vgl. 1.5) und Nohl (vgl. 2.8) bis in die Gegenwart hinein erhalten. „Fördern und fordern“ gilt vielen auch heute als Aufgabe und Bestimmung Sozialer Arbeit beziehungsweise der Sozialpolitik und hat mit den „Hartz IV-Reformen“ neuen konjunkturellen Aufschwung erfahren.

Beispielhaft für die gegenwärtige Diskussion in der und über die Soziale Arbeit kann zudem die von Vives in seiner Theorie vorgelegte enge Verknüpfung von philosophischen, ethischen, pädagogischen und fürsorgerischen Aspekten stehen, also letztlich die Verknüpfung von Sozialpädagogik und Sozialarbeit, selbst dann noch, wenn die strengtheologischen Begründungen und Appelle für sozialwissenschaftliche Theorien heute nicht mehr als adäquat angesehen werden.

Theorien der Sozialen Arbeit

Подняться наверх