Читать книгу Leider geil, fett & faul - Christian Zippel - Страница 24
Cogito ergo sum – Ich denke, also bin ich
ОглавлениеFast jeder von uns tippt täglich auf der Tastatur seines Computers herum – manche, wie ich, sogar stundenlang und das über Jahre hinweg. Aber lernt heute noch irgend jemand das 10-Finger-System? Fehlanzeige.
Dabei ist das Adler-Such-System mit dem gezielten Herabstürzen und Attackieren des gewollten Buchstabens alles andere als erfüllend und schon gar nicht effizient. Man müsste mal ausrechnen, wie viele Stunden, Tage, ja Wochen oder gar Monate man an Lebenszeit sparen könnte, wenn man sich für ein paar Wochen anstrengen würde, um das 10-Finger-System zu lernen.
Zudem stört jede Unterbrechung den Fluss der Gedanken. Stellen Sie sich vor, wie flüssig Sie schreiben, arbeiten und chatten würden, wenn Sie so flink schreiben wie denken könnten – und nicht dauernd Buchstaben suchen und Fehler korrigieren müssten. Dabei ist Denken selbst noch sehr langsam. Am Schnellsten und Stilvollsten ist gekonntes Handeln ohne darüber nachdenken zu müssen.
Diese Kunst erlangt, wer seinen Körper derart stark mit einer Fähigkeit vernervt hat, dass sie ohne Mühe verwirklicht wird – wenn er es will. Dann ist es reines wirksames Wollen, ohne bremsendes Denken. Denken ist zum Zweifeln und Planen da, Wollen zum Handeln. Deswegen ist Denken allein so wirksam wie Chatten ohne Internet.
Solange wir bei unseren alltäglichen Tätigkeiten und erwünschten Fähigkeiten denken müssen, sind wir weit davon entfernt, unser Potenzial auszuschöpfen. Dann befinden wir uns noch im Lernprozess oder wenn wir nicht zu lernen gewillt sind, in einer trägen, mühevollen und ineffizienten Warteschleife unseres Daseins. Dann sind wir Menschen, die auf der Klaviatur des Lebens mit ein paar Fingern herum hacken, anstatt ihr spielerisch eine Melodie zu entlocken und unsere Denkfähigkeit für Höheres zu nutzen.
Wir existieren vielleicht und können denken, aber wahrhaft leben tun wir erst, wenn wir unser Denken verkörpern und uns die alltäglichen Dinge spielerisch leicht gelingen, weil sie eingefleischt sind. Evolutionär betrachtet ist das Denken eine wertvolle Fähigkeit. Unter anderem ermöglicht es uns Neues zu schaffen, abseits unserer genetisch und gesellschaftlich bedingten, schwer beeinflussbaren Triebe und Prozesse.
Neue Ideen und Fähigkeiten lassen sich erdenken und erlernen. Der französische Philosoph Rene Descartes hat mit seinem berühmten Dictum: „Cogito ergo sum“, also durchaus recht. Es ist das Denken, dass uns unsere Existenz belegt und zum Menschen macht, aber leider ist das Denken auch nicht makellos. Es hebt gerne ab und ist auf seinen Höhenflügen schnell ohne Fleisch und Adel.
Es ist der Bezug zur Welt, zum Leben, zum Körper, der das Denken adelt. Wenn es den verliert, dreht es frei wie eine Schiffsschraube ohne Wasser. Wer dann noch weiterdenkt und sich in der Leere verrennt, der bestätigt durchs Denken nicht seine Existenz, sondern löst sich von ihr, er verliert sie und das ist dumm – cogito ergo dumm.
Natürlich ist es wichtig, zu abstrahieren und mal Abstand zu gewinnen. Nur so lässt sich reflektieren. Doch all das hat nur Wert, wenn man auch wieder zurückkehrt. Wir denken, um zu leben und nicht umgekehrt.
Das ist das Problem der modernen Gesellschaft. Sie hat vor lauter Denken verlernt, richtig zu leben – wodurch wiederum der innere Schweinehund voll auf seine Kosten kommt, da er in einem unbeherrschten Körper kaum auf Widerstand trifft. Warum er uns eigentlich nichts böses will, erfahren Sie im nächsten Kapitel.