Читать книгу Weisheit der Wechseljahre - Christiane Northrup - Страница 27

Ich würde Ihnen etwas vormachen und Frauen in der Lebensmitte einen schlechten Dienst erweisen, wenn ich Sie glauben machen wollte, ich hätte damals nur Trauer und Verlust gespürt. Es gab da auch ein anderes Gefühl, das in meinem Inneren hochkochte, und dieses Gefühl bewahrte mich vor der Lähmung, die ich sonst vielleicht verspürt hätte.

Es war das Gefühl der Wut, das mir die Energie gab, mit der beschwerlichen Aufgabe fortzufahren, 24 Jahre Eheleben zu demontieren – und eine andere Art von Leben aufzubauen. Ich nutzte die vulkanische Energie meines Zorns und ließ mich von ihr leiten, um meine Bedürfnisse zu erkennen und sie anschließend zu stillen. Da mein Mann meinem Empfinden nach mich und unsere Töchter im Stich gelassen hatte, als er ging, war ich entschlossen, alles mir Mögliche zu tun, um unsere Leben wieder »heil« zu machen.

Anfangs war ich mir nicht sicher, ob ich es schaffen würde. In meinen Zorn mischte sich eine gehörige Portion Angst. Aber jedes Mal, wenn ich am Rande der Verzweiflung oder des Schreckens stand, kam mit der Post irgendein Papierstück ins Haus geflattert, das mich zwang, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Mit großer Regelmäßigkeit trafen Kontoauszüge ein, die mir zeigten, dass das Konto überzogen war, Kreditkartenrechnungen und Rechtsanwaltsbriefe. Ob ich es wollte oder nicht, ich war finanziell und in jeder anderen Hinsicht auf mich allein gestellt. Ich musste Abschied von der sentimentalen Fantasievorstellung nehmen, dass unsere Ehe noch zu retten war, und mich stattdessen auf mein eigenes Wohlergehen und das meiner Töchter konzentrieren. In dieser schweren Zeit hatte ich noch eine andere Stütze. Mein Bruder hatte einige Jahre zuvor selbst eine Scheidung durchgemacht, und er wusste offenbar instinktiv, wann er mich anrufen und ermutigen sollte. Seine klare Sicht der Dinge war für mich von unschätzbarem Wert.