Читать книгу Weisheit der Wechseljahre - Christiane Northrup - Страница 30

Die Vergangenheit in Ehren halten und zugleich zukunftsfähig sein

Оглавление

Nachdem mein Mann gegangen war, lief alles in unserem Haushalt viel entspannter. Die Anspannung war fort. Ich nahm ein paar Kätzchen aus unserem örtlichen Tierheim auf und stellte fest, dass sie mir und meinen Töchtern viel Freude bereiteten. Wir hatten nie zuvor Haustiere gehabt, weil uns ein Hund stets als zu aufwendig erschienen war und mein Mann auf Katzen allergisch reagierte.

Erstaunlicherweise stellte ich zudem fest, dass ich besser schlief als seit Jahren und jeden Morgen problemlos ohne Wecker zur richtigen Zeit aufwachte. Das war zuvor nie der Fall gewesen. Rückblickend kann ich endlich einschätzen, wie viel Energie ich darauf verwandt habe, meine Ehe fortzuführen.

Als die Wochen vergingen, begann ich langsam zu spüren, was es heißt, sich selbst für sich selbst zu haben. Und auf einer sehr fundamentalen Ebene spürte ich, wie ich meine inneren Batterien aus einer Quelle tief in meinem Inneren wieder auffüllte, wenn auch ganz allmählich. Wie bei dem ganzen Prozess des Trauerns und Loslassens gab es dabei Hochs und Tiefs. In einer Woche fing ich beispielsweise bei der Donnerstagabend-Show im Fernsehen, die ich als wöchentliches Ritual immer zusammen mit meinem Mann und meinen Töchtern angeschaut hatte, plötzlich zu weinen an. Aber dann, eine Woche später, konnte ich den Abend allein, fern vom Fernseher, verbringen und in dem wundervollen Licht am Fluss vor meinem Haus schwelgen. Ich war allein, aber nicht einsam. Ich wusste, dass ich es schaffen würde. Ich war glücklich.

Die Art Ehe, die ich geführt hatte, hatte viele Jahre lang für mich funktioniert, und ich war sehr dankbar, dass ich all die Freuden des Familienlebens mit meinem Mann und unseren beiden Kindern erleben durfte. Diese Freuden waren sehr real, woran ich an dem Tag erinnert wurde, als mein Mann kam, um seinen Teil der Bilder an den Wänden einzufordern. Als er sie mitnahm, blieb ich mit einem schrecklichen Gefühl der Leere und des Verlustes zurück, wie es nackte Wände in solchen Zeiten vermitteln.

Um mir über diese letzte Hürde der Trauer hinwegzuhelfen, verbrachten zwei Freundinnen und ich einen ganzen Nachmittag damit, eine ganze Wand im Esszimmer mit Familienfotos zu schmücken – konkreter und tröstlicher Beweis für die guten Zeiten in meiner Vergangenheit. Ein Jahr später ersetzte ich die Fotos meines Mannes durch Fotos von meinen Töchtern und mir. Ich habe gelernt, dass Loslassen ein Prozess ist, kein einmaliges Ereignis. Ich habe auch gelernt, dass ein Teil dieses Prozesses darin besteht, den Wert anzuerkennen, den die Beziehung, die man hinter sich lässt, in der Vergangenheit gehabt hat, und das nicht nur still für sich allein, sondern, wenn möglich, auch dem Menschen gegenüber, der Teil dieser Partnerschaft war.

Ich tat dies fünf Monate nach unserer Trennung, als mein Mann und ich uns einer Einigung über die Bedingungen der Scheidung näherten. Nach einer unserer Mediatorensitzungen bat ich ihn, sich mit mir privat zu treffen, und dann sprudelte ich alles heraus, was mir auf dem Herzen lag. Ich entschuldigte mich für meine Versuche, ihn zu ändern. Ich sagte ihm, wie froh ich war, dass keiner von uns mithilfe einer Affäre aus der Beziehung ausgestiegen war. Ich dankte ihm für den sicheren Familienhafen, den wir zusammen geschaffen hatten, und für die wunderbaren Kinder, die ohne unsere Liebe zueinander nicht existieren würden. Ich sagte ihm, dass ich ihm dankbar war für die Unterstützung und die Struktur, die er mir geliefert hatte, als ich in der Frauengesundheit neue Wege gegangen war. Ich sagte ihm auch, dass ich ihn liebe.

Meine Gefühle während dieses Dankesschwalles waren so wehmütig, dass ich leicht verstehen konnte, warum Paare ihre Wut und ihre Ressentiments wach halten wollen. Auf diese Weise müssen sie nicht die ganze Wucht und den ganzen Schmerz ihres Verlustes verspüren. Doch ich sah auch, wie schädlich dies für ihre Kinder, für sie selbst und alle übrigen Beteiligten sein konnte, und ich war froh, dass ich den Mut gefunden hatte zu sagen, was ich in meinem Herzen empfand.

Ich ließ in diesem Jahr so viel los, darunter auch mein Gefühl des Versagens. Die renommierte Anthropologin Margaret Mead hat einmal darauf hingewiesen, dass die meisten Ehen in der Vergangenheit deshalb fortdauerten, »bis dass der Tod uns scheidet«, weil nach 25 Ehejahren ein oder beide Ehepartner gestorben waren! Mit anderen Worten, im selben Alter, in dem die meisten von uns durch die Veränderung der Wechseljahre gehen, wurden unsere Vorfahren krank und starben – oder sie waren bereits tot. Das Versprechen »bis dass der Tod uns scheidet« war weitaus leichter einzuhalten, als das Leben noch kürzer war. Meads Beobachtung half mir, mich weniger als Versagerin zu fühlen, weil ich nicht vermocht hatte, meine Ehe zu erhalten. Meine Gesundheit blieb in diesem schwierigen und schmerzhaften Scheidungsjahr unbeeinträchtigt. Ich erlaubte meinen Tränen, frei zu fließen, und meiner Wut, auszubrechen und sich in alle Winde zu zerstreuen. Ich nahm auch ständig spirituelle Orientierungshilfe in Anspruch, und zusammen mit meiner neuen emotionalen Offenheit half mir dies, eine Zeitspanne, die durch bedeutsame hormonelle Veränderungen gekennzeichnet ist, mit einem Minimum an Symptomen zu überstehen. Mit einer Reihe von natürlichen Mitteln und Übungen stabilisierte ich mein hormonelles Gleichgewicht (siehe sechstes Kapitel). Jetzt, 10 Jahre später, schaue ich mit leichter Belustigung und Mitgefühl auf die Frau, die ich damals war. Zu dieser Zeit war ich so besorgt, was die Zukunft anging, so besorgt, dass ich das Leben meiner Kinder verspielt haben mochte. Heute sehe ich, dass mir die Scheidung tatsächlich das Leben gerettet und sogar eine ganz neue Welt eröffnet hat, die ich zusammen mit meinen Töchtern genießen kann.

Nun ist es für mich wie für viele andere Frauen der Babyboom-Generation an der Zeit, als Pionierinnen die zweite Hälfte unseres Lebens zu unseren eigenen Bedingungen neu zu schaffen. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass physische und psychische Gesundheit selbst in dieser Zeit des Übergangs unser natürlicher Zustand ist. Und auch wenn das Leben, das vor uns liegt, unkartiertes Gelände ist, befrachtet mit der Ungewissheit, die mit jeder Veränderung einhergeht, so ist es doch nicht weniger wertvoll und muss nicht weniger glücklich sein als das Leben, das bereits hinter uns liegt.

Wie auch immer Sie sich entscheiden, bedauern Sie nichts. Nutzen Sie die Klarsicht, die das Geschenk der Wechseljahre ist, und nutzen Sie dieses Geschenk, um die zweite Hälfte Ihres Lebens wirklich zu Ihrer eigenen zu machen.

Weisheit der Wechseljahre

Подняться наверх