Читать книгу Weisheit der Wechseljahre - Christiane Northrup - Страница 61
Ein Wort zur Vorsicht: Vergangene Traumata verstärken
ОглавлениеDie beunruhigenden Erinnerungen und die Depressionen, die in den Wechseljahren so oft auftreten, sind viel weniger furchterregend und hinderlich, wenn wir sie als das ansehen, was sie sind: Als den Beweis dafür, dass wir nun tief im Inneren stark genug sind, um diesem Schmerz und diesen verdrängten Ereignissen aus der Vergangenheit zu erlauben, an die Oberfläche zu kommen und ein und für alle Mal aus der Welt geräumt zu werden.
Die Erforschung und Bereinigung schmerzhafter Muster aus der Vergangenheit in der Lebensmitte ist notwendig, um wahrhaft geheilt zu werden. Vertrauen Sie darauf, dass Ihr Gehirn und Ihr Körper Ihnen die Informationen übermittelt, die Sie zum Handeln brauchen, wenn Sie dazu bereit sind. Es ist wertvoll und hilfreich, jemanden zu haben, der Ihren Schmerz miterlebt und ernst nimmt. Viele Leute haben festgestellt, dass es nicht allein die schmerzhafte Erfahrung war, die sie als Kinder so verwundete, sondern auch die Tatsache, dass es niemanden gab, an den sie sich vertrauensvoll wenden konnten, niemand, der damals ihre Wirklichkeit verstehen oder sie ernst nehmen konnte.
Vielleicht entscheiden Sie sich dafür, mit einem Therapeuten zu arbeiten, vielleicht auch, einen Meditationskurs zu belegen, um mit den Schlafproblemen, der Angst oder der Panik umzugehen, die auftreten können. Denken Sie jedoch daran, dass viele Angst lösende Psychopharmaka äußerst suchterzeugend sind. Viel zu vielen Frauen sind in den Wechseljahren Psychopharmaka verschrieben worden, die dann später feststellen mussten, dass sie für den Rest ihres Lebens davon abhängig waren. Wenn Sie gewillt sind, mit einem Therapeuten zu arbeiten und die erforderlichen Veränderungen in Ihrem Leben vorzunehmen, werden Sie wahrscheinlich nicht länger als über einen Zeitraum von sechs Monaten bis zwei Jahren Medikamente einnehmen müssen (siehe zehntes Kapitel für verschreibungspflichtige Medikamente und frei verkäufliche Alternativen).
Wenn ich den Verlauf der Genesung hier auch nicht im Detail wiedergeben kann, möchte ich Sie doch vor einer Fallgrube warnen: Einige Formen der Therapie verstärken negative Muster in Ihrem Gehirn wie in Ihrem Körper, zum Beispiel wenn es darum geht, das Trauma wiederholt neu zu »durchleben« und nach vergrabenen Erinnerungen zu schürfen.
Der Grund für meine Warnung ist folgender: Starker Stress jedweder Art – und dazu gehört auch das erneute Durchleiden schmerzhafter Erinnerungen – ist mit einem hohen Kortisolspiegel verbunden. Das ist genau das hormonelle Milieu, das die Wahrscheinlichkeit für die Speicherung von Erinnerungen aller Art erhöht, besonders aber von traumatischen Erinnerungen, die durch eine Gehirnregion, die Amygdala, vermittelt werden.20 Wenn Sie ein sehr empfindsamer oder beeinflussbarer Mensch sind, der empfänglich für mentale Bilder ist, und Sie eine Menge Kortisol in Ihrem Blutstrom haben (wie es der Fall ist, wenn Sie gestresst sind), dann kann es leicht passieren, dass Sie in Ihrem Gehirn und Ihrem Körper neue traumatische »Erinnerungen« verinnerlichen, die nicht auf vergangenen Erfahrungen beruhen. Stattdessen sind sie unter Umständen das Produkt Ihrer gegenwärtigen Umgebung, kombiniert mit den Suggestionen und Bildern, die Sie von einem wohlmeinenden Therapeuten aufgeschnappt haben.
Wenn ein Therapeut Sie beispielsweise fragt: »Hat Ihr Vater Sie missbraucht, als Sie drei Jahre alt waren?«, und Sie sich in einem leicht beeinflussbaren biologischen Zustand befinden, kann es passieren, dass Ihr Gehirn die Frage als Tatsache in seinen Gedächtnispool einbaut – »Mein Vater hat mich missbraucht, als ich drei Jahre alt war« –, ob das nun tatsächlich passiert ist oder nicht. Dieses Szenario kann dann als neue traumatische Erinnerung kodiert werden – eine Erinnerung, mit der Sie zusätzlich zu den realen Erinnerungen fertig werden müssen, die eigenständig aufgetaucht sind.
Und schließlich: Machen Sie es sich zum Ziel, allmählich sich selbst und denjenigen zu vergeben, die Ihnen in der Vergangenheit Schmerz zugefügt haben. Vergebung heißt keineswegs, dass das, was Ihnen zugefügt worden ist, akzeptabel war. Es heißt nur, dass Sie nicht länger willens sind, sich durch eine frühere Verletzung davon abhalten zu lassen, erfüllt und gesund in der Gegenwart zu leben.