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d) Wechselverpflichtung

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Aus dem Wechsel verpflichtet sind nach Maßgabe des Vorstehenden der Akzeptant (Art. 28 WG), der den Wechsel angenommen hat, sodann der Aussteller (Art. 9 WG) und jeder Indossant (Art. 15 WG). Soweit der Akzeptant den Wechsel bei Verfall nicht bezahlt, stehen dem Inhaber gegen den Indossanten, den Aussteller und evtl. weitere Wechselverpflichtete Rückgriffsansprüche zu (vgl. Art. 43), die dann jedoch einen rechtzeitig eingelegten Protest voraussetzen. Die notwendigen Formalien des Protests ergeben sich aus Art. 79 ff. WG.

Beispiel (Ausgangsfall):

A (Aussteller) hat eine Wette mit der minderjährigen R (Remittent) verloren und stellt aus Geldnot einen eigenen Wechsel (sog. Solawechsel, vgl. Art. 3 Abs. 2, 75 ff. WG: „auf den Aussteller selbst gezogen“) über die Wettsumme aus, den er an R begibt. Diese indossiert den Wechsel an ihre Mitbewohnerin I (Indossant), der sie gleichfalls Geld für einen von I übernommenen Wocheneinkauf ihrer studentischen Wohngemeinschaft schuldet. Ansprüche der I gegen A und R?

1. Ansprüche der I gegen A: I könnte gegen A wechselrechtliche Ansprüche nach Art. 78 Abs. 1, 28 WG haben, sofern ein formgültiger Wechsel vorliegt, sie Eigentümerin der Urkunde ist (Recht am Papier) und keine Einwendungen gegen das Recht aus dem Papier durchgreifen. a) Die zwingend notwendigen Bestandteile des Solawechsels ergeben sich aus Art. 75 f. WG (des – auf einen anderen – gezogenen Wechsels aus Art. 1–10 WG); im Zweifel handelt es sich um einen Sichtwechsel (Art. 75 Nr. 3, 76 Abs. 2 WG), der bei Vorlage fällig ist (Art. 33 Abs. 1, 34 Abs. 1 S. 1 WG). Davon ist hier auszugehen. b) I gilt jedenfalls als Eigentümerin der Urkunde, wenn sie durch eine ununterbrochene Reihe von Indossamenten legitimiert ist (widerlegliche Vermutung nach Art. 16 Abs. 1 WG), außer, ihr kann die fehlende materielle Berechtigung am Wechsel nachgewiesen werden. Die Voraussetzungen des Art. 16 Abs. 1 WG sind hier erfüllt. I konnte aber materiell nicht Eigentümerin der Urkunde werden. Sie leitet ihr Eigentum von R ab, die trotz Minderjährigkeit zwar selbst Eigentümerin von A werden konnte (vgl. § 107: lediglich rechtlich vorteilhafter Eigentumserwerb der R, vgl. dazu Rn. 46). Für die Weiterübereignung durch R an I greift § 107 dann allerdings nicht und der Eigentumserwerb der I (der sog. Übereignungs- oder Begebungsvertrag nach § 929 S. 1) ist nach § 108 schwebend unwirksam. Ohne Berechtigung der I am Wechsel hat sie aber keine wechselrechtlichen Ansprüche (vgl. dazu Rn. 493).

2. Ansprüche der I gegen R: I könnte möglicherweise Zahlung von R beanspruchen. a) I hätte wechselrechtliche Ansprüche nach Art. 77 Abs. 1, 15 Abs. 1 (Garantiefunktion des Indossaments, vgl. Rn. 499), wenn der wechselrechtliche Hauptschuldner, beim Solawechsel also mangels eines Akzeptanten der A nach Art. 77, 43 WG, bei Fälligkeit nicht gezahlt hätte und das durch förmliche Protesturkunde nach Art. 44 Abs. 1, 79 ff. WG bewiesen würde. Allerdings besteht die Garantiefunktion nur gegenüber einem berechtigten Inhaber, was die I nicht ist, wie bereits festgestellt (die Vermutung des Art. 16 Abs. 1 ist widerlegt worden). – b) I hat aber eine schuldrechtliche Forderung gegen die R aus §§ 670, 662 aus dem Einkauf. Zwar wird die Minderjährige durch § 108 geschützt, allerdings ist davon auszugehen, dass sie den eigenen Hausstand in der Wohngemeinschaft berechtigt begründet hatte und ihre Eltern in alle damit zusammenhängenden Rechtsgeschäft im Voraus generell eingewilligt haben (dazu Rn. 49; alternativ: § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1).

Abwandlung des Ausgangsfalls: Was, wenn I die R gutgläubig für volljährig gehalten hatte?

1. Ansprüche der I gegen A: I könnte gegen A dann doch, nämlich gutgläubig, wechselrechtliche Ansprüche nach Art. 78 Abs. 1, 28 WG kraft Rechtsscheins erworben haben. Ein formgültiger Wechsel liegt vor, die I müsste Eigentümerin der Urkunde geworden sein (Recht am Papier) und es dürften keine Einwendungen gegen das Recht aus dem Papier durchgreifen. a) Gegenüber dem Ausgangsfall (Ziff. 1b im Ausgangsfall) könnte I Berechtigte an der Wechselurkunde geworden sein, weil die Widerlegung der Vermutung aus Art. 16 Abs. 1 WG jetzt durch Abs. 2 ausgeschlossen ist (gutgläubiger Erwerb des Rechts am Papier). Zwar schließt Art. 16 Abs. 2 WG nach seinem Wortlaut nur Einwendungen aus dem Abhandenkommen der Urkunde aus, allerdings wird die Vorschrift nach einhelliger Meinung auf alle Übertragungshindernisse erstreckt (Schutz der Transportfunktion des Indossaments, vgl. Rn. 497). Damit gilt I für die Geltendmachung der Art. 78 Abs. 1, 28 WG als Eigentümerin des Wechsels (obwohl R das Eigentum an sie sachenrechtlich nicht verloren hat). b) Daran schließt sich jedoch die Frage an, ob ihr auch das Recht aus dem Papier zusteht. Dem Wechsel liegt eine an sich unwirksame Wettschuld zugrunde (vgl. § 762 Abs. 2: „Wettschulden sind Ehrenschulden“ und können nicht eingeklagt werden; was allerdings auf sie gezahlt wurde, kann auch nicht zurückgefordert werden). Allerdings schließt Art. 17 WG alle Einwendungen aus dem Grundverhältnis aus. Das ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut, der sich nur auf persönliche Einwendungen bezieht, aber wiederum aus Gesichtspunkten des Verkehrsschutzes (gutgläubiger Erwerb des Rechts aus dem Papier; vgl. dazu Rn. 496). Damit kann I gegen A aus dem Wechsel vorgehen.

2. Ansprüche der I gegen R: a) Im Verhältnis I gegen R ändern Art. 16 Abs. 2 und 17 an den fehlenden wechselrechtlichen Ansprüchen nichts (vgl. Ziff. 2a des Ausgangsfalls). Die Rechtsscheintatbestände können zwar sowohl den (sachenrechtlichen) Übertragungs-/Begebungsvertrag als – jedenfalls beim gutgläubigen Zweiterwerb – auch den wechselrechtlichen Verpflichtungsvertrag durch das Indossament (vgl. Art. 15 Abs. 1 WG und dazu Rn. 498) heilen. Die Garantiefunktion des Indossaments wirkt jedoch trotz Art. 17 WG niemals gegen Minderjährige – hier zeigt sich die Bedeutung der Trennung von Übertragungsvertrag und Verpflichtungsvertrag (vgl. Rn. 495, 497).

b) Da I nun aber wechselrechtliche Ansprüche gegen A hat, wird man hinsichtlich der schuldrechtlichen Forderung gegen R (Ziff. 2b des Ausgangsfalls) davon ausgehen müssen, dass durch den erfüllungshalber (vgl. § 364 Abs. 2) von R an I begebenen Wechsel implizit eine Abrede dahin getroffen wurde, dass die I vorrangig gegen A vorzugehen habe. Die Forderung gegen R aus §§ 670, 662 ist damit einstweilen einredebehaftet bis feststeht, dass A nicht leisten wird.

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