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aa) Eigenständige betriebliche Organisation
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In diesen Fällen betont das BAG in ständiger Rechtsprechung die besondere Bedeutung eigener betrieblicher Voraussetzungen, die beim Werkunternehmer bzw. Dienstleister zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Werk- oder Dienstleistungen vorliegen müssen. Dies hat das BAG in einer jüngeren Entscheidung vom 25.9.2013 mit Blick auf den Werkvertrag noch einmal besonders hervorgehoben:
„Richten sich die vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen nach dem jeweiligen Bedarf des Auftraggebers, so kann auch darin ein Indiz gegen eine werk- und für eine arbeitsvertragliche Beziehung liegen, etwa wenn mit der Bestimmung von Leistungen auch über Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit entschieden wird. Wesentlich ist, inwiefern Weisungsrechte ausgeübt werden und in welchem Maß der Auftragnehmer in einen bestellerseitig organisierten Produktionsprozess eingegliedert ist. (…) Wird die Tätigkeit aber durch den „Besteller“ geplant und organisiert und wird der „Werkunternehmer“ in einen arbeitsteiligen Prozess in einer Weise eingegliedert, die eine eigenverantwortliche Organisation der Erstellung des vereinbarten „Werks“ faktisch ausschließt, liegt ein Arbeitsverhältnis nahe.“[28]
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Ein Fremdpersonaleinsatz auf Grundlage eines Werk- oder Dienstvertrags setzt danach insbesondere voraus, dass der Auftragnehmer selbst „Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit“ bestimmt und den Produktionsrechts durch die Ausübung von Weisungsrechte eigenständig organisiert.
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Was einen Teil der genannten Voraussetzungen angeht, kommt es in der Praxis allerdings oftmals dazu, dass der Werkunternehmer jedenfalls „Zeit, Dauer und Ort“ der Leistungserbringung nicht einseitig bestimmen bzw. organisieren kann, wenn bspw. dauerhafte und ortsgebundene Werk- oder Dienstleistungen den Vertragsgegenstand bilden. In derartigen Fällen – zuletzt etwa bei dem Einsatz von Sicherheitspersonal auf einem Flughafen[29] oder bei Fahrtdienstleistungen im öffentlichen Nahverkehr[30] – lässt es die Rechtsprechung aber genügen, wenn der Auftragnehmer jedenfalls „Inhalt und Durchführung“ der Leistungen durch eine
– | eigenständige Personalauswahl und Personaleinsatzplanung (z.B. durch Einsatz-/Schichtpläne) |
– | und eine eigenständige Organisation der Leistungserbringung durch Ausübung der arbeitsvertraglichen Weisungsrechte (z.B. durch den Einsatz von Vorgesetzten etc.) |
eigenständig bestimmt („Personalhoheit“). In derartigen Fällen einer bestehenden Personalhoheit führen selbst das Vorliegen anderweitiger Indizien, wie bspw. die Nutzung von Betriebsmitteln oder das Vorliegen vereinzelter direkter Weisungen durch den Auftraggeber, nicht zur Annahme einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung:
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– | BAG vom 18.1.2012 zu Sicherheitspersonal am Flughafen „Die F-GmbH setzte in jeder Schicht einen Bereichsleiter, einen Disponenten und zwei Ausbilder ein, die arbeitsbezogene Weisungen aussprachen. Die Auswahl, welcher Mitarbeiter in welcher Schicht eingesetzt wurde, erfolgte durch den von der F-GmbH eingesetzten Disponenten. Die Bekl. gab lediglich vor, wie viele Mitarbeiter der F-GmbH sie pro Schicht benötigte. Ermahnungen und Abmahnungen wurden ausschließlich durch die F-GmbH ausgesprochen. Sie schulte die Luftsicherheitsassistenten und erteilte Urlaub. Entgegen der Ansicht des Kl. spricht für eine Arbeitnehmerüberlassung nicht der Umstand, dass die F-GmbH detaillierte Vorgaben der Bekl. in das „HAM Stationsprofil“ übernommen und dieser Anweisung als Anlage die allgemeine Dienstanweisung Luftsicherheit sowie den Rahmenplan Luftsicherheit der Bekl. beigefügt hatte. (…) Auch weitere Umstände der tatsächlichen Zusammenarbeit der F-GmbH mit der Bekl. rechtfertigen nicht die Annahme einer Arbeitnehmerüberlassung. Die Fluggastkontrollen wurden zwar mit von der Bekl. zur Verfügung gestellten technischen Geräten durchgeführt. Daraus folgt jedoch nicht das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung. Ein Unternehmer muss einen Dienst- oder Werkvertrag nicht notwendig mit eigenen technischen Mitteln erfüllen. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Weisungsbefugnis bei dem Einsatz der Sicherheitsassistenten bei der F-GmbH verblieb. (…)“[31] |
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– | BAG vom 6.8.2003 zu Fahrtdienstleistungen im Personennahverkehr „Das Landesarbeitsgericht hat bei der Würdigung der praktischen Durchführung des Geschäftsbesorgungsvertrags zutreffend berücksichtigt, dass der Kl. während seiner täglichen Arbeit zwar weitgehend in den Betrieb der Bekl. eingegliedert war. Er hatte die Fahrpläne der Bekl. einzuhalten, die von ihr vorgegebenen Strecken zu fahren, die Fahrgäste nach dem Regelwerk der Bekl. zu befördern, Fahrberichte zu erstellen und alle übrigen Vorgaben der Bekl. einzuhalten. Das betraf insbesondere die verkehrslenkenden Anweisungen, die er von der Verkehrsleitstelle der Bekl. über Funk und ein EDV-gesteuertes Informationssystem erhielt. Allerdings spricht entscheidend gegen die Annahme einer Arbeitnehmerüberlassung, dass die BT GmbH den Einsatz ihrer Fahrer vollkommen eigenständig disponierte und die Bekl. weder rechtlich noch tatsächlich Änderungen bei der Diensteinteilung und der Zuweisung bestimmter Linien und Umläufe an die Fahrer der BT GmbH vornehmen konnte. Außerdem musste der Kl. bei einer Erkrankung oder bei einer fehlenden Ablösung am vorgesehenen Punkt die BT GmbH unterrichten, damit sie ohne Einschaltung der Bekl. für einen Ersatzfahrer sorgen konnte.“[32] |
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Die Vorgaben der Rechtsprechung eröffnen damit insbesondere Freiräume für Fremdpersonaleinsätze auf Grundlage von Werk- oder Dienstverträgen im Dreipersonenverhältnis. Denn in diesen Fällen kann der Auftragnehmer allein über das Kriterium der Personalhoheit und einer damit verbundenen Einrichtung betrieblicher Strukturen hinsichtlich des Einsatzes seiner Arbeitnehmer nach den oben genannten Maßgaben die Voraussetzungen für einen Fremdpersonaleinsatz auf Basis von Werk- oder Dienstverträgen schaffen. In Folge dessen lassen sich mit Blick auf die Rechtsprechung des BAG eine ganze Reihe von Entscheidungen identifizieren, in denen bei Fremdpersonaleinsätzen im Dreipersonenverhältnis im Fall einer bestehenden Personalhoheit des Auftragnehmers ein Werk- oder Dienstvertrag bejaht wurde; umgekehrt wird für den Fall einer fehlenden Personalhoheit des Auftragnehmers – insoweit wurde allein der Umstand der Urlaubsgewährung im Übrigen nicht für ausreichend erachtet – regelmäßig von einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung ausgegangen.[33]
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Im Gegensatz dazu ist es bei einem Fremdpersonaleinsatz von Solo-Selbstständigen nicht möglich, eine eigene betriebliche Organisation hinsichtlich „Inhalt und Durchführung“ der Leistungserbringung ausschließlich über eine entsprechende Personaldisposition einschließlich bestimmter Weisungsstrukturen zu etablieren. In derartigen Fällen geraten dann andere Kriterien wie eine eigenständige Bestimmung von „Zeit, Dauer und Ort“ der Leistungserbringung oder eine betriebliche Integration über die Nutzung von Betriebsmitteln in den Vordergrund. Insbesondere bei „Onsite-Einsätzen“ im Zweipersonenverhältnis ist es dann erforderlich, dass diese Einsätze bspw. nicht an die regulären Betriebszeiten des Einsatzunternehmens gekoppelt sind und durch den Einsatz eigener Betriebsmittel, d.h. ohne die Nutzung bspw. der IT-Infrastruktur des Einsatzunternehmens, erfolgen; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, hat die jüngere die Rechtsprechung eine Scheinselbstständigkeit mit dem Verweis auf eine betriebliche Eingliederung des vermeintlichen Werkunternehmers in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers stets bejaht.[34]
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Ist eine derartige eigenständige betriebliche Organisation etabliert, resultieren die Gefahren für eine Statusbewertung in der Praxis oftmals daraus, dass es im betrieblichen Alltag dennoch vereinzelt oder sogar regelmäßig zu Weisungen von Mitarbeitern des Einsatzunternehmens/Auftraggebers gegenüber dem Auftragnehmer bzw. den durch diesen eingesetzten Mitarbeitern kommt (zu den Weisungen nach Inhalt Ort und Zeit vgl. Rn. 16–34). Abhängig vom Grad der jeweiligen Interaktion der Mitarbeitergruppen sind danach weniger problematische (vgl. unter Rn. 46 ff.) und problematische Fälle (vgl. unter Rn. 51 ff.) zu unterscheiden.