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New York City, 1966 CLARENCE

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Die erste Zeile dieser Geschichte ähnelt der ersten Zeile von William Goldmans großartigem Roman Control. Im Showbusiness ist dies kein Diebstahl, sondern eine Hommage.

– C. C.

Wenn es einen Ort in dieser Welt gab, wo ich nie Probleme erwartete, dann war es Bloomingdale’s. Trotzdem hatte ich im dritten Stockwerk ein seltsames Erlebnis, das ich niemals vergaß.

Ich war hier, um mir ein neues Saxofon zu kaufen. Ich hatte Jahre gebraucht, um mir das Geld zusammenzusparen. Nach mehreren gescheiterten Versuchen hatte ich schließlich die Entscheidung getroffen, mich endgültig von Virginia zu trennen. Ich hatte mich entschlossen, Berufsmusiker zu werden, und dieses neue Instrument sollte mir dabei helfen. Das Saxofon war wunderschön. Als ich es das erste Mal in die Hand nahm, seufzte ich vor Erleichterung. Es war, als ob ein Teil von mir, der verloren gegangen war, nun wieder zu mir zurückkehrte. Zum ersten Mal in meinen Leben fühlte ich mich rundum glücklich. Es wartete auf mich in seinem Koffer bei Manny’s. Ich wollte es nicht im Wagen lassen. So beschloss ich, es in etwa einer Stunde abzuholen, und machte mich auf den Weg Richtung Süden.

Die vorherige Nacht hatte ich in einem billigen Motel an der Jersey Shore verbracht. Die Wände dort waren so dünn, dass man jedes Wort verstand, das die Nachbarn sprachen. Mein Glück oder Pech, dass das Paar im Nebenraum einen Rekord im Dauervögeln aufstellen wollte. Zuerst war es lustig, sogar antörnend, aber es wurde bald langweilig, dann total nervig. Schließlich pochte ich an die Wand und sagte: „Hört zu, ihr Ficker, ihr habt die Wahl – kommt her oder haut ab!“ Danach wurde es ruhig; ich schlief ein und träumte von meiner ersten Freundin Shirley.

Am Morgen fuhr ich über die Brücke in die Stadt und hörte die Drifters im Radio. Sie sangen „Sweets for My Sweet“, ich hörte den Song gern. Ich liebte Manhattan, fühlte mich dort wie zu Hause. Es kam mir vor wie eine riesige Schatzkiste, die alles enthielt, was ich mir jemals gewünscht hatte. Nicht nur Dinge, sondern auch Gefühle. Ich wusste, mein Leben würde mich irgendwie hierherführen. Es war der richtige Zeitpunkt.

Nachdem ich das Saxofon gekauft hatte, wollte ich noch etwas in der Stadt herumlaufen. Ich liebte Grand Central Station, also ging ich dorthin, setzte mich ins Grand Concourse und dachte mir zu den Leuten, die vorübergingen, Geschichten aus. Ich sah aus wie ein großer schwarzer Typ, wahrscheinlich ein Athlet – und nicht besonders schlau. So sahen mich die meisten Weißen. Auch die meisten Schwarzen. Aber in mir war eine Welt voller Farben und Ideen und Musik, die grenzenlos schien. Meine Gedanken produzierten unaufhörlich Bruchstücke von Songs und Bildern und einen Schwall von Wörtern. Es fühlte sich an wie eine geheimnisvolle Tür in der Wand, durch die man in den schönsten Garten der Welt schauen konnte.

Am Tresen der Oyster Bar aß ich zu Mittag. Viel konnte ich mir nicht leisten. Ich hatte eine Muschelsuppe bestellt und trank ein Bier. Beides war fantastisch. Dort wollte ich für den Rest meines Lebens jeden Tag essen. Ich steckte mir eine Tüte mit OysterCrackern in die Hemdtasche, zahlte und ging nur ungern.

Später ging ich am Lex vorbei zu Bloomingdale’s. Noch nie war ich in dem berühmten Kaufhaus gewesen, aber wegen des Saxofonkaufs war ich so euphorisch, dass ich mir sagte, kaufen kann ich mir hier zwar nichts, aber gucken kostet nichts.

Im Kaufhaus erschien es mir, als würde ich direkt in den Morgen des ersten Weihnachtstages versetzt. Niemals zuvor hatte ich mich inmitten eines solchen Überflusses befunden. Ich fand alles unglaublich. Das Kaufhaus war voll von Weißen der Oberschicht. Ich überlegte, woher all diese Leute nur das Geld hatten, in einem solchen Laden einzukaufen. Wenn ich daran dachte, wurde mir ganz schwindelig. Bei den meisten handelte es sich um ältere, gut situierte Frauen. Sie trugen Anzüge und flache Schuhe und einige sogar Hüte. Viele rauchten diese langen, elegant aussehenden Zigaretten. Sie schienen Wesen aus einer anderen Welt zu sein. Shit, sie waren Wesen aus einer anderen Welt.

Ich schlenderte durch das Kaufhaus und schaute mir alles an. Im ersten Stock roch es besser als draußen, wenn Frühling war. Es roch nach den verschiedensten Arten von Pudern, Parfüms und Shampoos. Nach einer Weile bemerkte ich einen schwarzen Typen in einer grauen Hose und einem dunkelblauen Blazer, der mir folgte. Das überraschte mich nicht. Ich war es gewohnt, dass man in Läden hinter mir herging. Die Tatsache, dass ich von dem einzigen Schwarzen im Gebäude verfolgt wurde, ließ mich schmunzeln. Nach kurzer Zeit schien er das Interesse zu verlieren. Als ich Blickkontakt zu ihm aufnahm, nickte er mir zu und trollte sich.

Als ich mir Lederjacken im dritten Stock anschaute, bemerkte ich, wie sie mich anstarrte. Okay, eine Menge Leute starren mich an, aber nicht so. Sie saß auf einem Stuhl in der Nähe der Fahrstühle. Sie schaute sich nicht um, sie rauchte nicht und sie bewegte sich kaum. Sie starrte mich nur an, und zwar so, wie ein Habicht auf ein Kaninchen starrt.

Sie war alt – vielleicht achtzig, schwer zu schätzen –, aber das war schon echt eine Kombi: schwarzer Anzug, weiße Bluse, das weiße Haar zurückgekämmt und – mein Gott – sie trug Handschuhe. Weiße gottverdammte Handschuhe. Wer trägt drinnen Handschuhe? Sie hatte nur wenig Make-up aufgetragen, sie war eine großartige Erscheinung. Sie muss unglaublich hübsch gewesen sein, als sie jung war. Aber nun waren ihre Augen von Falten umrahmt und machten einen leicht gequälten Eindruck, als ob die Dinge, die sie erlebt hatte, sie erheblich verletzt hätten.

Unsere Blicke trafen sich ein paarmal, doch ich schaute schnell weg. Mir war früh beigebracht worden, dass man weiße Frauen nicht anstarrte. Aber jedes Mal, wenn ich einen Blick riskierte, folgte sie ihm. Es war unheimlich. Nein, nicht wirklich unheimlich; sie schaute nicht furchterregend oder so. Es war nur seltsam. Sie schien durch mich hindurchzugucken. In mich hinein.

Ich ging Richtung Fahrstuhl. Verdammt. Es war Zeit, hier rauszukommen. Das Saxofon abzuholen und zurückzufahren, bevor der Berufsverkehr anfing. Vielleicht noch einmal zur Jersey Shore fahren und einen Club finden, wo man mich spielen lassen würde. Dort entwickelte sich gerade eine unglaubliche Musikszene, und es schien, als eröffnete jeden Tag eine neue Bar.

„Junger Mann“, sagte sie.

Ich blieb stehen. Ich schaute zu ihr hinüber.

„Ja?“, fragte ich.

Einen Augenblick lang sagte sie nichts. Sie starrte mich nur an. Gerade wollte ich weitergehen, als sie aufstand. Sie war sehr klein und spindeldürr. Sie kam herüber zu mir und legte ihre behandschuhte Hand auf meinen Arm. Sie schaute fortgesetzt in meine Augen. Ihre Augen waren sehr dunkel, fast schwarz, und ihre Haut war so weiß wie ihr Haar. Sie schimmerte regelrecht.

„Sie werden einmal ein sehr wichtiger Mann sein“, sagte sie mit einer klaren Stimme, die wie die einer viel jüngeren Frau klang. „Ein bedeutender Mann“, sagte sie.

Dann lächelte sie leicht, tätschelte meinen Arm und ging weg.

Ich aß die OysterCracker auf dem New Jersey Turnpike.

Clarence Clemons - Big Man

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