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Norfolk, Virginia, 1950 CLARENCE
ОглавлениеMeine Mutter erzählte mir diese Geschichte, und ich liebe sie über alles.
– C. C.
Der Mann trank Coca-Cola, die Frau Gingerale. Alle anderen Leute im Club tranken Alkohol. Nicht dass es dort besonders voll war. Der kleine Raum war etwa zu einem Drittel gefüllt. Alle Augen waren auf die Bühne gerichtet und auf den Mann, der Saxofon spielte. Er hieß Sill Austin und er war großartig. Er spielte mit einer solch sanften Intensität, dass es eine fast hypnotisierende Wirkung hatte. Der Mann und die Frau waren zwei Meilen durch den kalten Dezemberabend gegangen, um ihn zu sehen. In diesen Tagen gingen sie nur selten aus. Babysitter waren ein Luxus, den sie sich nicht leisten konnten. Aber als der Mann die Nachricht in der Zeitung gelesen hatte, dass Sill Austin in der Frankie’s Lounge gebucht war, wusste er, dass er dorthin musste. Seine Aufnahmen hatten sie sich immer wieder angehört.
„Du wirst das Ding noch einmal durchnudeln“, hatte sie ihm jedes Mal gesagt, wenn er die Scheibe wieder auf den Plattenspieler legte.
„Dann kaufe ich mir eine neue“, antwortete er dann immer.
Und nun waren sie hier in demselben Raum wie er und schauten ihm zu, wie er spielte und jenen Zauber heraufbeschwor.
Sill Austin zuzuschauen erwies sich als dankbar für die Leute. Er streckte der Frau seinen Arm entgegen und ergriff ihre Hand. Sie erwiderte seinen Händedruck.
Nach der Show saßen sie noch eine Weile am Tisch und tranken ihre Limonade zu Ende. Es fühlte sich an wie damals, als sie angefangen hatten auszugehen. Vor dem Krieg, der alle Kriege beenden sollte.
„Wenn der Zweite Weltkrieg der Krieg war, der alle Kriege beenden sollte“, sagte er einmal, „wie kam es dann, dass sie ihm eine Nummer gaben?“
„Ich denke, das war der Erste Weltkrieg“, hatte sie gesagt und gelächelt.
„Noch schlimmer“, hatte er geantwortet.
„Hat dir die Show gefallen?“, fragte sie ihn, obwohl sie die Antwort wusste.
„Ja“, sagte er. Er war noch nie jemand gewesen, der viel redete.
Sie dachte, wie gut er aussah in seinem Sonntagsanzug. Das Hemd war so weiß wie seine Zähne.
„Was meinst du, warum gefällt er dir so sehr?“, fragte sie. „Es gibt viele andere Saxofonisten da draußen.“
„Er spielt die Musik, die ich in meinem Kopf höre“, sagte er.
Es war sehr kalt, als sie wieder draußen standen. Der Wind hatte aufgefrischt und der Wetterbericht hatte für morgen Schnee angesagt. Weihnachtslichter leuchteten in vielen Schaufenstern. Beide zogen ihren Kragen hoch und machten sich auf den Weg. Sie hakte ihren Arm bei ihm unter und sie liefen im Gleichschritt Schulter an Schulter.
„Ich glaube, das ist er“, sagte sie.
Er guckte zu Sill Austin, der seinen Saxofonkoffer auf dem Vordersitz eines neuen DeSoto verstaute.
„Ja, er ist es“, sagte er.
„Wollen wir ihm nicht Hallo sagen?“, fragte sie.
„Nein“, antwortete er.
„Warum nicht?“
„Weil dieser Moment gerade so perfekt ist“, sagte er.
Nach der ersten Meile sagte sie: „Clarence möchte eine Spielzeugeisenbahn.“
Er schwieg.
„Vom Weihnachtsmann“, sagte sie. „Eine elektrische Eisenbahn.“
„Ja“, sagte er. „Wenn er groß wird, kann er Hoteldiener im Pullman werden.“
„Ich glaube nicht, dass das wirklich so kommen wird“, sagte sie und lächelte. Vor Kälte konnte sie kaum ihr Gesicht fühlen.
„Der Junge wird neun Jahre alt“, sagte er. „Die Zeit ist vergangen.“
„Was meinst du?“, fragte sie.
„Ich besorge ihm keine Eisenbahn“, sagte er.
„Er wird enttäuscht sein“, sagte sie.
„Er wird darüber hinwegkommen“, sagte er.
„So, und was wirst du ihm schenken?“, fragte sie.
Er hob seinen Kopf und schaute sie an.
„Ein Saxofon.“