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Neptune, New Jersey, 1972 CLARENCE

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Aus Gründen, die ich nicht verstehe, geht mir immer das Lied durch den Kopf, dass in Moll gespielt wird, die dunkle Melodie, die dem süßeren Lied des Lebens entgegensteht. Die ausdrückt, dass die Zeit kurz ist.

Daran dachte ich, als ich mich entschloss, in Seldins Schmuckladen zu gehen, um mit Norman zu reden.

Als ich eintrat, war gerade eine Kundin bei Norman. Eine schmale grauhaarige Frau, die eine große Handtasche unter ihrem Arm festhielt. Beide schauten auf, als ich hereinkam. Die Frau griff ihre Tasche ein wenig fester. Norman lächelte und hielt einen Finger hoch.

Die Klimatisierung im Laden tat mir gut. Es war erst halb elf, aber schon sehr heiß draußen. Sommer in New Jersey.

Ich schaute auf die Auslagen mit all den Ringen und Uhren. Und ich sah die silberne Rolex. Eines Tages, dachte ich.

Nach ein paar Minuten hatte Norman das Verkaufsgespräch mit der Frau beendet. Die Frau behielt mich im Blick, als sie wegging.

„Big Man“, sagte Norman. „Was machst du hier?“

Norman lächelte. Aber ich konnte den Ausdruck in seinen Augen sehen. Norman wusste, was kam.

Ich bemerkte auch, dass er seinen roten Afro ein gutes Stück weit zurückgeschnitten hatte. Er hatte vor etwa sechs Monaten damit begonnen, sein Aussehen zu verändern, etwa zu der Zeit, als Karen die Band verlassen hatte.

„Ich wollte mit dir persönlich reden“, begann ich.

„Oh, oh“, sagte Norman. „Das klingt gar nicht gut.“ Er lachte unsicher. Norman hatte dieses Presslufthammerlachen, das gleichzeitig ansteckend und nervig war.

„Ja“, sagte ich. „Ich habe ein Angebot von Bruce bekommen und ich hab mich entschlossen, es anzunehmen. Gerade jetzt ist er im Studio, sein Album aufnehmen.“

Norman schaute nach unten und dann aus dem Fenster hinaus auf die Straße. Wegen der Hitze waren draußen nicht viele Leute unterwegs. Schließlich schaute er mich wieder an.

„Clarence“, sagte er. „Ich mag dich, Mann, aber lass mich ehrlich zu dir sein. Du machst einen Riesenfehler.“

Auf diesen Gesprächsverlauf war ich vorbereitet. Vielleicht war es ein Riesenfehler. Man konnte wirklich nicht voraussehen, was passieren würde. Ich wusste nur, dass es sich richtig anfühlte, wenn ich bei Bruce spielte. Und zwar absolut richtig. Es war wie mit dem Hut, den ich in Puerto Rico bekommen hatte. Zum zweiten Mal setzte ich ihn auf, und er saß perfekt.

„Mag sein“, sagte ich. „Aber wenn ich die Chance nicht ergreife, wer weiß, ob ich noch eine zweite bekomme.“

„Wie lange spielen wir zusammen? Zwei, zweieinhalb Jahre?“, fragte Norman.

Das war schlimmer, als mit einer Tussi Schluss zu machen. Norman schien bereit zu sein für diesen Tanz.

„So ungefähr“, sagte ich.

„Ist doch ganz gut gelaufen, oder?“

„Oh ja“, sagte ich. „Es hat nichts mit dir zu tun, Norman. Du bist schwer in Ordnung. Ich weiß, du hast deinen Kopf dafür hingehalten, mich als Bandmitglied einzustellen, und ich bin dir dankbar. Ich möchte nur etwas Neues ausprobieren.“

„Ich denke, dass es bei Noyze ganz gut läuft, Clarence“, sagte Norman. „Wir könnten groß rauskommen.“

„Verstehe“, sagte ich.

Draußen brauste ein Feuerwehrwagen vorbei, Sirenen heulten.

„Aber ich glaub nicht, dass für Bruce etwas zu holen ist“, sagte Norman. „Plattenvertrag hin oder her. Ich hab davon gehört, Clarence. Er glaubt, er sei der nächste Bob Dylan oder so. Er macht zu viele Worte.“

Ich fand die Einschätzung zutreffend. Bruce machte wirklich viele Worte. Einen Sturzbach von Worten. Manchmal dachte ich an Wolkenbrüche, wenn ich Bruce singen hörte. Eine unmögliche Menge an Regen, in ganz wenig Zeit hineingepresst. „Madman drummers bummers and Indians in the summer with a teenage diplomat / In the dumps with the mumps as the adolescent pumps his way into his hat“, sang Bruce in einem der neuen Songs. Ich hatte verdammt keine Ahnung, was das alles bedeutete, aber es hatte diese Chuck-Berry-Synkopierung, die Vokale und Konsonanten wie musikalische Noten benutzt. Anstatt über „School Days“ oder „Memphis“ zu singen, sang Bruce davon, die Schlüssel zum Universum in der Maschine eines alten abgestellten Autos zu finden.

Er war wie Dylan. Aber er glaubte, er sei auch wie Elvis. Und er war wie Jerry Lee Lewis und sogar wie ein kleiner Hank Williams.

Und musikalisch gesehen war Bruce ein Abenteurer. Der Junge versuchte alles. Es gab eine unglaubliche Menge an Stoff, die die ganze Zeit in Bruce’ Kopf herumgeisterte.

Aber es war sinnlos, irgendetwas davon Norman zu erklären.

„Ich weiß“, sagte ich stattdessen.

„Weißt du, wie viele neue Dylans schon da gewesen sind, die jetzt keine Rolle mehr spielen?“, fragte Norman.

Ich wollte schon auf die Tatsache zu sprechen kommen, dass wir diese Unterhaltung in einem gottverdammten Schmuckladen führten, aber ich ließ es sein.

„Ich weiß das alles, Norman“, sagte ich. „Was soll ich sagen, Mann? Ich hab mich entschieden, es mal zu versuchen.“

„Was zahlt er dir?“, fragte Norman.

Das war eine Streitfrage. Ich würde es für ein Butterbrot machen. Zwanzig, vielleicht fünfundzwanzig Dollar die Woche. Wir würden für eine Weile am Hungertuch nagen. Vielleicht sogar für länger. Bruce beharrte darauf, keine Cover zu spielen, wodurch uns etliche Gigs durch die Lappen gingen. Aber wenn wir einen Hit hätten, würden wir pausenlos auftreten können und es käme richtig Geld rein.

„Über Geld haben wir noch nicht gesprochen“, log ich.

„Federici hat mir erzählt, dass er im Schnitt nur fünfzehn Dollar die Woche kriegt“, sagte Norman. „Ich kann dir fünfunddreißig garantieren, und für einige Gigs, wie in der Wonder Bar, gebe ich dir fünfzig.“

„Du machst es mir nicht leicht“, sagte ich.

„Es soll auch nicht leicht sein, C. Es liegt mir etwas an dir, und ich möchte nicht, dass du etwas tust, das du für den Rest deines Lebens bedauerst. Du könntest eines Tages an der Seite von Helena Troy spielen. Wenn du diese Tür zumachst, bleibt sie verschlossen.“

„Ich weiß, was du meinst“, sagte ich.

Norman hatte schließlich zu diesem letzten Mittel gegriffen. Es war nicht wirklich eine Drohung – dazu war er ein zu netter Kerl –, aber es war auch klar, dass diese Brücke dann nicht mehr existieren würde.

„Es tut mir leid“, sagte ich. „Aber ich habe mich entschieden.“

Norman stand ganz aufrecht und seufzte laut. Er schaute wieder auf die Straße hinaus, stand nur da und nickte einige Augenblicke lang.

„In Ordnung“, sagte er. „Wenn es denn so sein soll, kann ich dir nur noch viel Glück wünschen.“

Er streckte die Hand aus. Ich schüttelte sie. Ich fühlte mich gleichzeitig freudig erregt und erschrocken. Ich wusste, dass ich gerade einen Schritt hin zu etwas Großem gemacht hatte. „Ich weiß das zu schätzen“, sagte ich.

„Du wirst es brauchen“, sagte Norman.

Clarence Clemons - Big Man

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