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Die Legende von Daphne, 1972

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Das Mädchen in dieser Geschichte steht für all die Mädchen, die mich immer ausgenutzt haben. Es handelt sich um eine traurige Geschichte von Liebe und Betrug. Die Namen wurden geändert, um die Schuldigen zu schützen. Sie fand an dem Tag statt, als ein Anruf mein Leben veränderte.

– C. C.

Wie gehts, Jelly-Snack?“, sagte Clarence zu Daphne.

Er fuhr durch Neuengland. Dies war ein wunderschöner Flecken Erde, den er vorher noch nie besucht hatte und der außerdem sehr weiß war. Sie waren in den gottverdammten White Mountains und er hatte ein weißes Mädchen im Auto. Es war ­verwirrend. Daphne schrieb in ihrem Lederjournal mit ihrem schicken blauen Füller. Sie schien die ganze Zeit mit Schreiben zu verbringen.

„Jelly-Snack“, sagte sie. „Ein süßer Name.“

„Ich könnte dich die wundersame Heimatlose nennen“, sagte er. Gott verdammt, sie sah so jung aus, und sie kleidete sich noch jünger. Heute trug sie eines von diesen Shiftkleidern mit großen Taschen und dazu Schuhe von Mary Janes. Sie sah aus wie zwölf.

„Bieg hier links ab“, sagte sie, als sie schließlich den Einband zuklappte und den Füller daran befestigte.

„Bist du sicher? Weißt du, wohin es hier geht? Hier ist ziemlich viel Wald.“

„Ich kenne diesen Teil der Welt auswendig“, sagte sie. „Folge einfach den Wegweisern nach Cornish. Da gibts ein Café mit dem besten Apfelkuchen im ganzen Nordosten.“

„Licht an“, sagte er, „Landeklappen hoch, Visier runter, links ab!“

„Du sagst Sachen, die mir in hundert Jahren nicht einfallen würden“, sagte sie, schlug ihr Buch auf und begann erneut zu schreiben.

„Du schreibst alles auf, was ich sage?“, fragte er.

„Clarence, ich bin Schriftstellerin“, sagte sie. „Ich sammle Sätze und füge sie dem großen Schreibpool hinzu. Eines Tages, wenn ich nach einem bestimmten Wort oder Ausdruck suche, tauche ich da hinein und schaue nach, ob sich was findet.“ Sie schloss den Einband wieder und klemmte den Füller daran.

„Ich fand dein Buch gut“, sagte er.

„Freut mich“, erwiderte sie.

„Eine ziemliche Leistung, mit neunzehn schon was zu veröffentlichen“, sagte Clarence.

„Wie alt bist du?“, fragte sie.

„Alt“, antwortete er. Er bog ab und fuhr Richtung Cornish. Er überlegte, ob da wohl die Brathähnchen herkommen.

Daphne hatte er bei einer Hochzeitsfeier in Boston getroffen. Er und Hal Hollander spielten für Hals Cousin, der geheiratet hatte. Daphne war eine Freundin der Braut und per Flugzeug aus New York gekommen, wo sie lebte. So kam eines zum anderen, und dieser Ausflug ergab sich aus all dem.

„Meine Mutter ist Malerin“, sagte sie.

„Malt sie Häuser an?“, fragte er.

„Nein“, lachte sie. „Sie ist Künstlerin.“

„Und was für Sachen malt sie?“, fragte er.

„Alles Mögliche: Landschaften, Seenlandschaften, Straßenszenen. Die ganze Palette. Aber was immer dabei ist, ist eine schreiende Frau“, sagte sie. „Das ist ihre Signatur.“

„Wow“, sagte er.

Sie schrieb wieder für eine Weile.

„Wie lange willst du noch herumreisen?“, fragte sie und drehte sich zu ihm.

„Weiß nicht“, sagte er. „Bei mir ist noch vieles offen. Ich könnte bei einer neuen Band mitmachen, bin mir aber noch nicht sicher. Im Augenblick bin ich ein Rasiermesser im Wind.“

Sie lachte und schlug wieder ihr Buch auf.

Als der groß gewachsene Mann im Overall das Restaurant betrat, änderte sich etwas an Daphnes Gesichtsausdruck. Nicht auffällig, aber doch sichtbar. Ihre Augen schienen größer zu werden und ein wenig leuchtender. Der Typ schaute zu ihr und Clarence rüber, die beide in einer Sitzecke an der hinteren Wand saßen. Er zögerte einen Moment, sah auf seine Uhr und setzte sich dann an den Tresen.

„Kennst du den Typen?“, fragte Clarence.

„Er kommt mir bekannt vor“, sagte sie. „Ich kenne so viele Leute hier, wo ich herkomme. Ich bin mir ziemlich sicher ...“

„Worüber?“, fragte Clarence, als sie verstummte.

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich ein Bild von ihm gesehen habe. Das muss aber schon vor längerer Zeit gemacht worden sein“, sagte sie.

Bevor Clarence antworten konnte, legte sie ihre Gabel neben den halb aufgegessenen Apfelkuchen und wischte sich die Lippen mit der Serviette ab. „Entschuldige mich“, sagte sie. „Ich bin gleich zurück.“

Sie stand auf und ging zu dem Mann in dem Overall, der den Barhocker etwas gedreht hatte, um zu sehen, wie sie näher kam.

„Willst du deinen Apfelkuchen nicht zu Ende essen?“, fragte Clarence, als sie wegging.

Doch Daphne antwortete nicht.

Ein paar Stunden später befanden sie sich im Haus dieses Mannes. Er hieß Jerry. Clarence fand ihn merkwürdig, auch das Haus fand er merkwürdig, ein Nurdachhaus, vollgestopft mit Büchern und einer Menge asiatischer Statuen und Grafiken. Von der Straße aus konnte man es gar nicht sehen. Jerry selbst hatte etwas von einem Habicht an sich und er starrte Clarence auf eine entnervende Art an.

Daphne war zurück zum Tisch gekommen und hatte gesagt, sie kenne ihn wirklich und ob es Clarence etwas ausmachen würde, bei ihm vorbeizuschauen. Warum eigentlich nicht? Der Typ sah aus wie sechzig, weshalb es wohl unwahrscheinlich war, dass er Daphne anbaggern würde. Trotzdem war da dieser Ausdruck in ihrem Gesicht, als Jerry in das Haus ging, das so seltsam aussah.

Jetzt, als sie in seinem Wohnzimmer saßen, fiel Clarence auf, dass sie immer noch diesen Typen anstarrte, als sei er das nächste große Ding.

„Darf ich euch etwas zu trinken anbieten?“, fragte Jerry.

„Ja, danke“, sagte Daphne.

Jerry sah Clarence an, hob die Augenbrauen.

„Bier?“, fragte Clarence.

„Ich hab Ingwerbier.“

„Nein, ist schon in Ordnung“, sagte Clarence. „Wir haben sowieso noch etwas vor und wir müssen noch einen Platz zum Übernachten finden.“

„Ich hätte gern ein Ingwerbier“, sagte Daphne.

„Kommt sofort“, sagte Jerry. Noch stehend, lächelte er Clarence an. „Sicher, dass du keins möchtest? Es ist ziemlich würzig.“

„Ich möchte nichts“, sagte Clarence.

Jerry zuckte mit den Schultern und ging in die Küche. Clarence wandte sich mit unüberhörbarem Flüstern an Daphne.

„Verdammt, was tun wir hier?“, fragte er.

„Er ist Schriftsteller“, sagte sie, als ob sie damit jedes Geheimnis des Universums erklären könnte.

„Na und?“, fragte Clarence. „Er ist merkwürdig, und ich mag das hier nicht. Ich weiß, er möchte mich nicht hier haben.“

„Das stimmt nicht“, sagte sie.

„Es stimmt“, erwiderte er. „Es ist eine Schwingung, die nur auf schwarzer Haut zu spüren ist.“

„Unsinn“, sagte sie.

Er sah, dass sie nervös war. Sie führte sich auf wie ein Schulmädchen, was zu ihrem Aussehen passte.

„Schriftsteller ist er also. Warum bleiben wir?“, fragte er.

„Na ja, ich schreibe auch. Wir haben viel gemeinsam“, sagte sie.

Jerry kam zurück mit zwei Flaschen einer sprudelnden braunen Flüssigkeit. Der Aufdruck auf dem Etikett sah aus wie japanische Schriftzeichen.

„Ich denke, wir verzichten auf Gläser“, sagte er.

„Von mir aus gern“, sagte sie.

Sie tranken ihr Ingwerbier in kleinen Schlucken und schauten sich die ganze Zeit an, als teilten sie irgendeine Art von Ingwerbier-Trinker-Geheimnis.

„Daphne sagt mir, du bist Schriftsteller, Jerry“, sagte Clarence. „Worüber schreibst du?“

Daphne guckte nach unten auf ihre Mary Janes. Ihrer Körpersprache nach zu urteilen, war ihr die Frage peinlich.

„Das ist eine gute Frage“, sagte Jerry. „Worüber ich schreibe? Nun, lass es mich so erklären. Ich würde sagen, ich schreibe subversive Sachen. Meine Arbeit beinhaltet eine Menge schiefer Blickwinkel.“

Daphne hustete, vielleicht war es auch ein ersticktes Lachen. Schwer zu beschreiben. „Und was machst du, Clarence?“, fragte Jerry.

„Ich bin Musiker“, sagte Clarence. „Ich spiele Saxofon.“

„Echt?“, fragte Jerry.

„Ja, wirklich“, sagte Clarence.

Jerry lächelte und schaute dann Daphne an, die an ihrem Ingwerbier nippte.

„Entzückend“, sagte er.

Später:

Als sie wieder am Auto standen, schaute Daphne nach unten auf ihre Kleinmädchenschuhe, die Hände in den Taschen ihres Klein­mädchenkleids.

„Diese ganze Sache war also geplant?“, sagte Clarence. „Das mit diesem Treffen war alles ausgemacht? Alles vorbereitet?“

„Wir schreiben uns seit Monaten“, sagte sie. „Aber wir haben uns noch nie getroffen.“

„Und ich hab den Taxifahrer gespielt?“, fragte er.

„Nein“, sagte sie. „Ich wollte eigentlich auf eigene Faust hierherkommen, aber dann haben wir uns in Boston getroffen und du warst so süß, und ich glaubte, es könnte Spaß machen, mit dir hierher zu fahren.“

„Und zuzulassen, dass Jerry dich hier mit einem großen schwarzen Typen sieht?“

„Jerry ist weder eifersüchtig noch hat er Vorurteile, da kannst du sicher sein.“

„Daphne, der Typ ist alt genug, um dein Großvater zu sein“, sagte er.

„Er ist mein Held“, sagte sie. Dann stellte sie sich auf Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. „Dir wirds bald wieder gut gehen“, sagte sie.

Eine Stunde später befand sich Clarence in einer Telefonzelle und redete mit seinem Freund Terry Magovern, der zurück in Jersey war. Terry wurde sein Assistent und später arbeiteten beide für Bruce.

„Wo bist du?“, fragte Terry.

„Nirgends“, sagte Clarence.

„Springsteen sucht dich“, sagte er. „Er hat bestimmt schon zehnmal angerufen. Er ist in irgendeinem Studio. Sagt, er muss mit dir reden.“

„Hast du eine Nummer von ihm?“, fragte Clarence.

„Yeah, hab ich hier“, sagte Terry. „Hast du was zum Schreiben?“

Clarence nahm den schicken blauen Füller aus seiner ­Hemdtasche.

„Hab ich“, sagte er.

Clarence Clemons - Big Man

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