Читать книгу Gestrandet in der Unendlichkeit: Paket 15 Science Fiction Abenteuer - Conrad Shepherd - Страница 29

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Krut versuchte noch einmal, die Luftblase vollzupumpen und sich vom Boden abzustoßen. Doch es ging nicht mehr. Er klebte wie ein Wurm an der Erde. Seine wunden Sohlen standen auf schroffem Stein. Aus dem rechten Vorderballen floss etwas Blut. Er zog ein noch frisches, abgefallenes Blatt aus dem Unterholz zu sich heran, drehte die Unterseite nach oben und stellte den verletzten Fuß darauf.

Das tat wohl.

Das Blatt war groß wie ein Tropakopf. Und es war zäh. Es stammte von einem Lederbaum. Die vielen tausend Härchen an der Unterseite waren wie ein Teppich aus Mehltau, weich wie Samt und saugfähig wie ein Löschblatt. Sie stillten die blutende Wunde.

Krut nahm den nach allen Seiten überstehen den Rand des Blattes und schlug ihn nach oben. Mit einem Grashalm band er den so entstandenen Schaft am Beingelenk fest.

„Ein guter Schuh“, stellte er schweigend fest. „Wenn Tsou schon das Schweben am heiligen

Berg verbietet, so lässt er mich doch wenigstens ein Lederblatt finden. Tsou ist ein guter Gott. Und deshalb will ich ihm dienen.“

Krut hockte noch lange auf dem Felsenweg, um sich auszuruhen und dem Fuß Erholung zu gönnen. Sowie der Schmerz erträglich wurde, schweiften seine Gedanken von der Feststellung ab, dass Tsou ein guter Gott sei. Er sah auf das Land unter sich. Vom Fuße des Berges dehnte es sich bis weit in den milchigen Nebel des Horizonts. Für Kruts Auge war das schon fast die Unendlichkeit.

Die Ebene dort unten war seine Heimat. Von den Wiesen der Tropas aus sah die Welt ganz anders aus. Kleiner und kürzer. Bäume und Sträucher verwehrten den Blick in die Weite. Nur eins kam noch hinzu, wenn man die Welt in den Wiesen erlebte.

Der Berg.

Der große Berg Tsous, des Gottes der Götter.

Die neue Perspektive machte Krut unsicher.

Scheu drehte er sich um und blickte wieder auf den Berg vor sich. Ja, da war er noch. Bis zur halben Höhe hatte er ihn bezwungen, und doch sah er jetzt noch gewaltiger als je zuvor aus. Spitz stieß er durch die Wolken und ragte an den Himmel.

Krut hob zwei Beine und verlagerte sein ganzes Gewicht auf den rechten Vorderballen. Die Prüfung verlief zu seiner Zufriedenheit. Das Lederblatt tat der Wunde gut. Er würde gehen können. Er musste gehen, denn die Männer in den Wiesen schienen tatsächlich recht zu behalten.

„Zu Tsou musst du auf den Füßen laufen“, hatte Psröi gesagt. „Wenn du es schaffst, mein Guter. Tsou hat allerdings verboten, dass überhaupt jemand zu ihm kommt, denn keiner darf ihn jemals sehen. Darum hat er das Schweben nicht nur verboten, sondern es auch unmöglich gemacht. Du wirst es sehen.“

Und so weiter und so weiter.

Psröi hatte noch eine Menge zu Kruts Plänen gesagt. Es hatte alles sehr klug und weise geklungen, aber auf die Gegenfrage, ob er denn schon einmal auf dem Berg gewesen sei, hatte Psröi auch nur den Kopf in die Brust ziehen können. Er hatte das alles gewiss nur von anderen erfahren, und die auch wieder nur von anderen. Keiner wusste eigentlich genau, wie es auf dem Berg aussah und wie man sich Tsou vorzustellen hatte. Nur …

Nur in diesem einen Punkt stimmte tatsächlich, was ihm Psröi prophezeit hatte. Er konnte nicht mehr schweben.

Noch einmal sog Krut den Körper voller Luft. Er atmete so tief und so lange ein, dass seine Außenhaut sich spannte und schmerzte. Noch nie im Leben hatte er seine Schwebeblase so sehr gefüllt, noch nie hatte er alle Vaku-Euter gleichzeitig pumpen lassen und den Schraubenschwanz bewegt. Und alles nützte nichts.

Er blieb am Boden. Wie ein Wurm, der zum Kriechen verdammt ist.

Verbissen starrte er auf den Berg, der steil vor ihm anstieg. Wie eine Mauer, wie eine Festung.

„Ich will dir doch dienen“, dachte Krut naiv und verzweifelt. „Warum soll ich nicht zu dir kommen dürfen, Tsou?“

Seine plumpen Finger griffen in den Stein. Meter um Meter arbeitete er sich an der steilen Wand nach oben. Es war ein Handikap, dass er nur drei Arme benutzen konnte, da der rechte Vorderballen in dem Lederblatt verschnürt war.

In der Wand hängend, kamen ihm die ersten Zweifel an seiner Ausdauer. Er wollte sich fallen lassen, so tief hinunterrollen, dass Tsou ihm nicht mehr zürnte, und dann nach Hause schweben.

Aber die Gesichter in den Wiesen! Der Spott!

Lange und laut genug hatte er die anderen wissen lassen, dass er auf den Berg schweben würde, um mit Tsou zu sprechen. Den Spott für die verunglückte Expedition würde er nicht ertragen können.

Er zog noch einmal an den Vorderarmen und drückte mit dem Schraubenschwanz nach. Das half ihm ein Stück weiter, und plötzlich hatte er wieder eine sanft ansteigende Strecke vor sich, die er gehend zurücklegen konnte.

Sein Optimismus stieg. So sehr er das Klettern verabscheute, so gern wollte er es sich gefallen lassen, wenn er den ganzen Weg bis zum Gipfel auf den vier Armen gehen musste. Ohne Schweiß und ungewöhnliche Strapazen würde es nicht gelingen. Das hatte er von vornherein gewusst.

Wenig später, als es noch bequem bergan ging, überraschte ihn eine neue Erkenntnis. Sein absolutes Zeitgefühl sagte ihm, dass er noch zwei Stunden bis zur Dämmerung hatte. Aber es dunkelte bereits.

Das veranlasste ihn, die Sonne und den Berg genauer zu betrachten.

Natürlich! Die Sonne ging hinter den Berg. So war es auch für die anderen in den Wiesen. So war es immer gewesen. Aber zwei Stunden früher? Sollte Tsou so zornig sein?

Ängstlich hielt Krut inne und drehte sich wieder nach dem Tal um. Dabei stellte er fest, dass die Wiesen noch im Sonnenlicht lagen. Nur er selbst befand sich im Schatten, weil er sich so dicht am Berg befand. Vielleicht war das eine ganz logische Erklärung. Vielleicht zürnte Tsou gar nicht. Vielleicht …

Während er noch kritisch auf den Berg blickte, fand er heraus, dass er die Baumgrenze erreicht hatte. Hier und da gab es noch ein paar verkrüppelte Ledersträucher, doch weiter aufwärts wuchs nur noch trockenes Gras.

Eilig suchte er nach einem neuen Lederblatt, um den Verband zu wechseln. Dann ging er weiter, bis es endgültig dunkel geworden war. In einer Felsnische legte er sich zum Schlafen nieder. Am nächsten Morgen würde er neue Kräfte gesammelt haben, und auch die Wunde würde fast verheilt sein.

Krut war zu optimistischen Träumen bereit, als er einschlief. Es kam allerdings nicht dazu, denn lange bevor es wieder hell wurde, weckte ihn höllischer Lärm.

Erschreckt schnellte er aus seinem Winkel hervor, zog sich dann aber sofort wieder in die Deckung zurück.

„Tsou! Gott der Götter“, jammerte er. „Komme nicht zornig zu mir, denn ich bin dein gehorsamer Diener.“

Wo die Nacht nur hätte schwarz sein dürfen, stand ein strahlendes, feuriges Licht am Himmel, begleitet von dem donnernden Zorn aller Götter.

Die Wand im Rücken gebot ihm Einhalt. Er musste stehen und zuschauen. Und warten, ob ihn der Groll des Mächtigen treffen würde.

Das Licht kam aus der Höhe, wo tagsüber die Sonne wanderte. Aber nachts hatte es noch nie ein Licht gegeben. Und erst recht keins, das derart zornig donnerte.

Wenn er hätte schweben können! Er wäre in die Wiesen hinuntergehuscht und hätte sich zwischen den Bäumen verkrochen. So aber gab es kein Entrinnen. Laufen konnte er nicht mehr. Nicht so schnell, wie Tsous Zorn auf ihn herabregnete.

Es waren tausend spitze Strahlen – zu einem Bündel geformt. Gelb, rot und blau glänzte Tsou, während er majestätisch niedersank.

Erst als das Geräusch verstummte und das Licht im Tal erlosch, löste sich Krut aus seiner Erstarrung.

Tsou war nicht zu ihm gekommen. Er war ins Tal gegangen zu den Tropas. Oder er würde jetzt heimlich zu ihnen gehen, denn das Licht war erloschen und der Donner verstummt. Und wenn Krut sich nicht alle Sinne hatte trüben lassen, dann war Tsou sogar am Fuße des Berges in den dichten Wäldern verschwunden. Von dort war es noch weit bis zu den Wiesen.

Wenn er sich beeilte, konnte er Tsou noch einholen, bevor ihn die anderen zu Gesicht bekamen.

Angst und Neugier hielten sich die Waage. Ausschlaggebend war, dass der Weg abwärts sich bequemer gehen ließ. Und vielleicht würde er auch wieder schweben können, wenn er wieder ins Tal kam.

Er konnte nicht mehr einschlafen. Bis zur Morgendämmerung war es keine ganze Stunde mehr. Sobald der erste Sonnenstrahl die geringste Orientierung erlaubte, wollte Krut losmarschieren.

Bis dahin schossen ihm die unmöglichsten Gedanken durch den Kopf. Tsou zu begegnen, das war schon eine aufregende Sache. Und jetzt glaubte er fest daran, denn der Gott hatte sich bereits gezeigt.

Andererseits … wenn er sich zeigte, was erwiesenermaßen bisher nicht ein einziges Mal geschehen war, so lag es nahe, dass man ihn erzürnt hatte. Und erzürnte Götter waren nicht angenehm. Dafür gab es freilich weder Beweise noch Erfahrungen, doch man konnte es sich denken.

Instinktiv hatte Krut lange in die Richtung geblickt, in der das Licht verschwunden war. Sehr bald gewöhnte sich sein Auge wieder an die plötzliche Dunkelheit, und da stellte er fest, dass die Flamme noch nicht ganz erloschen war.

Immer noch lag ein gelblicher Funke über dem Wald, der sich jetzt allerdings nicht mehr bewegte.

Vielleicht schlief auch Tsou jetzt, bevor er sich auf den Weg zu den Tropas machte. Warum sollte ein Gott nicht schlafen, wenn er müde war?

Gestrandet in der Unendlichkeit: Paket 15 Science Fiction Abenteuer

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