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Tag 02: Ex-HSH-Chef lehnt Mitschuld ab
ОглавлениеMontag, 29. Juli 2013
Zweierlei war für diesen 2. Prozesstag angekündigt: Der frühere Vorstandschef Berger wollte sich zum Vorwurf der Staatsanwaltschaft äußern und die Große Strafkammer die Vorstände besser kennen lernen. Eigentlich eine unverfängliche Angelegenheit, offenbar aber nicht vor Gericht. Bevor Richter Marc Tully das Wort an den ersten Angeklagten gab, wies er sämtliche Besetzungsrügen vom Prozessauftakt zurück, weil sie unzulässig und unbegründet seien. Und auch das Ansinnen von Verteidiger Gatzweiler lehnte die Strafkammer ab, wonach die Schöffen vierzehn Fragen beantworten sollten. Dann war Hans Berger an der Reihe.
Hans Berger hatte das, was er der Großen Strafkammer sagen wollte, schriftlich vorbereitet. Eine halbe Stunde lang las der ehemalige Vorstandsvorsitzende der HSH Nordbank seine Gedanken vor - eine Rechtfertigungsschrift[9], gerichtet an das „Hohe Gericht“. Seine Stimme wirkte brüchig und leise, er selbst körperlich schmaler als zu seinen Amtszeiten. Berger trat im November 2008 zurück, nachdem er als HSH-Chef überraschend einen Verlust von mehr als 360 Millionen Euro bekanntgeben musste - vorrangig verursacht durch Omega55. Noch im September 2008 hatte Berger von einem hohen, zu erwartenden Gewinn gesprochen. Die HSH bat den Bund um Staatshilfe. Für Berger rückte der damalige Finanzvorstand und Mathematiker Dirk Jens Nonnenmacher nach.
In fünf Akten wies Berger nun jegliche Mitschuld und Verantwortung für das Geschäft Omega55 zurück - und im Grunde auch für die desaströse Lage der HSH. Welche Verantwortung er als Vorstandsvorsitzender seiner Meinung nach trug, darauf ging er nicht ein.
Schwieriges Umfeld
Als erstes erklärte er die geschäftspolitischen Herausforderungen seit der Fusion der Landesbanken in Hamburg und Kiel im Juni 2003 zur HSH Nordbank und bis zu seinem Rücktritt Ende 2008. Die Politiker haben für 2008 den Börsengang gewollt, sagte er. Das hieß für die Vorstände: Die Bank musste viel Geld mit neuen Geschäften verdienen. Dafür sollte aber möglichst wenig eigenes Kapital eingesetzt werden, weil die HSH ohnehin wenig davon hatte und die Neugeschäfte schon zu viel Kapital banden. Verschärft wurde die Situation durch die Vorläufer der Finanzkrise. Sie griffen seit Jahresbeginn 2007 ungestüm nach der HSH. Ende 2007 versuchte der Vorstand dann vieles, um die rasch sinkenden Eigenkapitalbestände zu stärken - unter anderem durch Omega55.
Mit leicht bebender Stimme fügte Berger an: „Der Vorwurf, der Vorstand habe persönliche Ziele verfolgen wollen, ist völlig inakzeptabel.“
Unbeteiligt
Dann ging er auf das Finanzgeschäft selbst ein. Er sagte: „Ich war in keiner Weise an den Vorbereitungen von Omega55 beteiligt.“ Das sei Sache von Kapitalmarktvorstand Joachim Friedrich und dem Immobilienvorstand Peter Rieck gewesen, aus dessen Ressort Kredite aus der Bilanz mithilfe von Omega55 teilweise ausgelagert wurden. Die hohen Bestände an Neugeschäften bei gleichzeitig schwacher Eigenkapitalausstattung war der „Öffentlichkeit nicht zu vermitteln“, erklärte sich Berger.
Von Nebenabreden nichts gewusst
Er sei auch nicht über wesentliche Absprachen mit der BNP Paribas, mit der Omega55 abgeschlossen wurde, informiert gewesen. Den Brief, in dem die Nebenabreden zum Geschäft stehen, kannte er nicht, den so genannten „side letter“. In diesem Brief hatte die BNP Paribas entscheidende Bedingungen für den Deal gestellt
Nach internen Vorgaben gehandelt
Berger habe sich zudem an interne Vorgaben für solche Geschäfte gehalten. Demnach sieht die „Kompetenzrichtlinie“ der HSH vor, dass bei „Eilbeschlüssen“ - und Omega55 war von Mitvorstand Peter Rieck als „Eilbeschluss“ ausgegeben worden - zwei Vorstandsunterschriften genügten. Damit galt der Beschluss als rechtsverbindlich genehmigt. Seine Unterschrift für die Freigabe des Geschäfts sei also gar nicht mehr nötig gewesen, sagte Berger, weil vor ihm bereits Immobilienvorstand Rieck und Risikovorstand Strauß unterschrieben hatten. Seine Unterschrift will Berger dann auch nur als „zur Kenntnisnahme“ verstanden wissen, mehr nicht. Er habe Omega55 geprüft und für aufsichtsrechtlich in Ordnung befunden. Berger sagte auch, er konnte nicht sehen, dass die Risiken, die die BNP Paribas der HSH im A-Teil abnahm, im Teil-B von der HSH wieder zurückgenommen werden sollten. Für ihn sah es so aus, als seien die Risiken zwischen den Banken verteilt. Deshalb habe er das Risiko möglicher Verluste aus dem B-Teil als „vertretbar“ wahrgenommen.
Börsengang ahoi
Bei seinem gesamten Handeln habe er sich „von der Geschäftspolitik der Bank leiten lassen“, sagte Berger zum Schluss seiner Rede.
(Und die hieß bekanntlich: Hübsch machen für den Börsengang.)[10]
Vom Sparkassendirektor zum Vorstandschef
Bergers beruflicher Werdegang ist typisch für viele Vorstände der HSH Nordbank. Er lernte das Bankhandwerk bei der Landesbank Schleswig-Holstein, bildete sich intern im Sparkassennetzwerk weiter, wurde 1986 Vorstand der Sparkasse Kiel. Zehn Jahre später wechselte er in den Vorstand der Landesbank in Kiel, also dorthin, wo er einst gelernt hatte. Im Fusionsjahr 2003 übernahm er deren Vorsitz. Mit der Fusion wurde Berger stellvertretender Vorstandschef der HSH. 2007 rückte er an die Spitze. Nur ein Jahr später trat Berger zurück; er ist heute pensioniert.
Zusammengefasst war Hans Berger als Vorstandsvorsitzender der HSH also unbeteiligt an Omega55, er hat intern alles richtig gemacht, hat zur Kenntnis genommen, sich verlassen und Vorgaben der Politik umgesetzt. Selbstkritik hat der Ex-Banker am 2. Prozesstag damit nicht gezeigt.
Blog-Kommentar
31. Juli 2013 @10:50 von: bescheidwisser
Die Vermutung, dass Herr Berger nur zu gerne der erste Vorstandschef gewesen wäre, der eine Landesbank an die Börse bringt, liegt mE sehr nahe - und das wäre ja sicher auch mit persönlichen Vorteilen für ihn verbunden gewesen.
Wenn bei der Bearbeitung des Geschäfts eklatante Versäumnisse vorgekommen sind, dann trifft den Gesamtvorstand zumindest ein „Organisationsverschulden“, denn er ist für die Einrichtung des ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebes zuständig und dafür verantwortlich.
Anmerkungen:
[9] vergleiche auch Urteil LG Hamburg, vom 9.7.2014, S. 291
[10] Die Anmerkungen der Autorin zu den Zeugenvernehmungen sind in runde Klammern gesetzt.