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Tag 12: Nonnenmachers Flucht nach vorn
ОглавлениеMontag, 2. September 2013
Die neue Prozesswoche begann nun doch mit der „Einlassung“ von Prof. Dirk Jens Nonnenmacher, den viele Journalisten als den „bad boy“ des Untreue-Verfahrens einordnen. Seit Wochen lauerte die Hamburger Presse darauf, dass sich Dr. No - wie viele ihn auch nennen - zu den Klagevorwürfen äußert. Entsprechend gut besucht waren diesmal, nach vielen Tagen gähnender Leere, die Presseplätze im Gerichtssaal. Die Medienvertreter mussten sich aber noch ein wenig weiter gedulden.
Erster Zeuge hat es geschafft
Vor Nonnenmacher war zum letzten Mal der erste Zeuge dran, Analyst Marc S. Eineinhalb Stunden wurden erneut eMails zitiert, die wohl unterlassene Rechtsprüfung des B-Teils von Omega55 und seine Bilanzierung thematisiert und noch manches organisatorische abgeklopft. Kurz nach 11 Uhr entließ der Vorsitzende ihn mit einem Dank und unvereidigt. Und dann - nach weiteren Erklärungen und Beweisanträgen der Verteidiger - durfte schließlich Nonnenmacher reden.
Fehlerlos, kritiklos, später unterschrieben
In seiner zwölfseitigen Rede wiederholte Nonnenmacher dann aber das, was er bei früheren Gelegenheiten zu seiner Rolle bei Omega55 gesagt hatte. Eigene Versäumnisse, organisatorische Mängel in der Bank und die fehlende Risikokultur sprach er diesmal nicht an, wie er es noch teils in den Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen in Kiel und Hamburg getan hatte. Etwas Neues war dennoch dabei: die Sache mit dem Datum.
Nonnenmacher bestand jetzt darauf, dass er sich bei der Vorbereitung auf den Prozess das Schriftstück noch einmal genauer angesehen und die Umstände rekonstruiert habe. Dabei sei ihm aufgefallen, dass er die Vorstandsvorlage erst am 29.12.2007, nämlich in seinem Weihnachtsurlaub, unterschrieben habe, gleichzeitig mit anderen Dokumenten, und nicht, wie bisher angenommen, am 19.12.2007. Das Datum sei also falsch.
Das ist Nonnenmachers Unterschrift. Wer da 19 oder 29 erkennt - Hut ab!
Mit seiner Unterschrift habe er Omega55 auch lediglich „zur Kenntnis genommen“, sagte Nonnenmacher. Denn seiner Ansicht nach war es längst genehmigt, weil es als „Eilbeschluss“ deklariert war - von Peter Rieck, dem Immobilienvorstand. Nach den internen Zuständigkeitsregeln der HSH stimmt das sogar. Ein Geschäft im Eilbeschluss, so heißt es dort, braucht für eine Genehmigung lediglich zwei Vorstandsunterschriften. Handelt es sich allerdings um einen so genannten Großkredit, muss der Gesamtvorstand unverzüglich seine Unterschrift nachholen, also unterschreiben. Als Gesamtvorstand gelten ebenso nach der internen HSH-Zuständigkeitsrichtlinie vier Vorstände: Zuerst der jeweilige Ressortvorstand, dann sein Stellvertreter, es folgt der Vorstandsvorsitzende und der Risikovorstand. Von einem „zur Kenntnis nehmen“ steht nichts in dieser Richtlinie. Knackpunkt ist also: Was war Omega55?
Großkredit oder normaler Kredit
Das ist eine wichtige Frage in diesem Prozess. War Omega ein Großkredit? Als „Großkredit“ ist ein Kredit gemäß § 13 Kreditwesengesetz (KWG) immer dann einzustufen, wenn er mehr als zehn Prozent des haftenden Eigenkapitals einer Bank ausmacht. Das Eigenkapital ist der Verlustpuffer einer Firma. Omega55 lag mit rund 2,4 Milliarden Euro rein rechnerisch deutlich über dieser Prozent-Schwelle, denn als haftendes Eigenkapital wies die HSH Nordbank 2007 mehr als 12 Milliarden Euro aus. Omega55 war demzufolge ein Großkredit[24]. Großkredite aber müssen gemäß Kreditwesengesetz[25] alle Vorstände unterschreiben und damit nicht nicht nur vier, wie es die internen Regeln der HSH vorsahen.
Es darf davon ausgegangen werden, dass Bankvorstände um diese Rechtsdetails wussten, so wie ein Bäckermeister die Verordnung über Zusatzstoffe auch in und auswendig kennt. Vor diesem Hintergrund erschien Nonnenmachers Verteidigungsstrategie konstruiert, er habe Omega55 lediglich mit seiner Unterschrift nur „zur Kenntnis“ genommen und den Deal nicht mit entschieden.
Das Gericht wird dieses Zuständigkeits-Wirrwarr zum Schluss aufdröseln.
Lebensfremd und anmaßend
Am Schluss seiner etwa 40-minütigen Rede griff Nonnenmacher Staatsanwalt Wegerich an. Der hätte ihn gar nicht vernehmen wollen, erst auf Drängen von Nonnenmachers Anwalt Wagner durfte der Ex-Vorstand aussagen. Ihm wurden aber keine Fragen von Wegerich gestellt. Dieser soll ihm lediglich durch einen Ermittlungsbeamten habe ausrichten lassen: „Er wisse, was zu tun sei.“ Ihm, Nonnenmacher, zudem zu unterstellen, „eine strafrechtlich relevante Fehlbilanzierung vorgenommen zu haben“, sei „schon mehr als lebensfremd“. Fragen der Staatsanwaltschaft will Nonnenmacher nicht beantworten, weil er sie für voreingenommen hält.
Fragen des Gerichts aber sei er „gern bereit“ zu beantworten, allerdings zu seinen Bedingungen. „Ich möchte dies allerdings auch im Hinblick auf eine korrekte Wiedergabe in der Öffentlichkeit in Form einer Ergänzung meiner Einlassung tun. Deshalb bitte ich darum, mir gegebenenfalls einen Fragenkatalog vorzulegen, oder aber wir werden Ihre Fragen notieren und dann zu gegebener Zeit im Zusammenhang beantworten.“
Und das sagte der Ex-Finanzvorstand sinngemäß
Der Mathematiker begann mit „Sehr geehrter Herr Vorsitzender, Hohes Gericht.“ Seine Gedanken hatte er in vier Abschnitte gegliedert.
Zuerst sprach er über seinen Eintritt in die Bank am 1. Oktober 2007. Sein Posten des Finanzvorstands war neu geschaffen worden. Zu seinen Aufgaben gehörten die Ressorts Steuern, das Rechnungswesen, das Finanzcontrolling. Nonnenmacher betonte auch, wofür er nicht zuständig war: Für Recht, den Neue-Produkte-Neue-Märkte-Prozess, NPNM, die Niederlassung London und auch nicht für Meldungen an die Bankenaufsicht BaFin. Letztes fiel in die Verantwortung des Risikovorstands und damit an Hartmut Strauss.
Das herausragende Ziel
Nonnenmacher ging dann auf den für 2008 geplanten Börsengang ein; er sollte ihn federführend begleiten. „Für den geplanten Börsengang war die Kapitalmarktfähigkeit der HSH [...] ein herausragendes Ziel.“ Dafür hatte die Bank massiv neue Kredite vergeben, mehr als geplant.
Er machte sich anschließend klein und meinte, er sei „kein Sachverständiger bei der aufsichtsrechtlichen Risikoerfassung und Kapitalunterlegung“ und versicherte, dass unter Basel-I „Liquiditätsfazilitäten unter einem Jahr aufsichtsrechtlich als risikolos galten“, ganz gleich, welches ökonomisches Risiko ihnen innewohnte.[26] Unter Basel-II sollte sich das ändern. Aber dafür sei das Risikoressort zuständig gewesen.
Der Ex-Banker erklärte auch, dass er nie ein Experte für Aufsichtsrecht war und es auch heute nicht sei. In Richtung Staatsanwaltschaft warf er sinngemäß: Nur wer sich inhaltlich nicht mit Basel-I beschäftigt habe, kann zu der abwegigen Einschätzung kommen, dass bei Omega55 schon Laien hätten erkennen können, dass die risikoentlastende Wirkung nicht eintreten könne.
Rundum-Vertrauen
Dann kam er zu Omega55 selbst und erklärt, dass er zu „keinem Zeitpunkt in die Planung, Vorbereitung, Ausgestaltung, Umsetzung und Überwachung der Transaktion persönlich eingebunden war“. Er habe nur die Kreditvorlage erhalten. Außerdem: „Ich hatte zu dieser Zeit auch volles Vertrauen in die Organisation der Bank, ihrer Mitarbeiter und vor allem zu meinen langjährig erfahrenen Kollegen im Vorstand“. Weder aus der HSH internen Revision noch von den Wirtschaftsprüfern, der Bundesbank oder der BaFin seien Warnhinweise gekommen, stellte Nonnenmacher weiter fest, ohne diese Aussage zu begründen.
Kein Großkredit?
Zur Genehmigung von Omega55 hätten auch nur vier Vorstandsunterschriften geleistet werden müssen, argumentierte Nonnenmacher. Nicht sechs, wie das bei einem so genannten Großkredit der Fall gewesen wäre. Nonnenmacher betonte explizit, dass nach bankinternen Regeln er als Finanzvorstand gar nicht hätte zustimmen müssen. Er selbst war sich sicher, dass Omega55 kein Großkredit und seine Unterschrift nicht erforderlich war. Für ihn war Omega55 nichts weiter als eine „Kenntnisnahme“.
(Für Omega55 gab es zwei Vorstandsvorlagen, eine für interne Belange in der Beziehung zur BNP Paribas - eine so genannte Linienerhöhrung -, die andere für das eigentliche Geschäft Omega55. Auf der ersten Vorlage, die die Vorstände kurz vorher gegenzeichneten, war der Deal als „Großkredit“ angekreuzt. Auf der für die Genehmigung von Omega55 entscheidenden Vorlage, die Gegenstand des Strafprozesses ist, fehlt aber das Kreuz bei Großkredit.)
Von der Nebenabrede zu Omega55, dem „side letter“ - in der die HSH der BNPP zusicherte, der BaFin bis April 2008 das Geschäft zu melden - habe Nonnenmacher erst aus den Akten erfahren. Und: Er sei mit vielen anderen „Sachkundigen“ der Überzeugung gewesen, „die Subprime-Krise sei vorübergehender Natur und würde nicht auf die Realwirtschaft übergreifen“.
Nonnenmachers Rede können Sie auf den Webseiten zum Buch nachlesen, unter: http://drnounddieunschuldigen.de/
Blog-Kommentar
6. September 2013 @ 20:01 von: bescheidwisser
Ich finde es auffällig, dass Herr Nonnenmacher immer dann, wenn es eng wird, auf einmal kein Experte für das jeweilige Thema sein möchte. Bereits in der Vergangenheit wurde ja festgestellt, dass er zum damaligen Zeitpunkt angeblich kein Kapitalmarktexperte war. Nun also auch „kein Sachverständiger bei der aufsichtsrechtlichen Risikoerfassung und Kapitalunterlegung“. Grundkenntnisse in den genannten Themen werden aber sicher zur der erforderlichen Qualifikation als Geschäftsleiter gehören – zumal bei einem Institut der Größenordnung der damaligen HSH Nordbank.
KWG 13a Abs 1 Satz 3 „Für ein Handelsbuchinstitut besteht ein Gesamtbuch-Großkredit, wenn die Gesamtheit der Kredite an einen Kreditnehmer [...] 10 vom Hundert der Eigenmittel erreicht oder überschreitet; ...“
Nach dem Geschäftsbericht der HSH 2007 betrugen die Eigenmittel 12,9 Mrd. Euro zum 31.12.2007 - 10% davon wären also 1,29 Mrd. Euro. Selbst wenn man vom Vorstand vielleicht nicht erwarten kann, dass er die Einzelheiten der Vorschriften über Großkredite im Detail kennt, so ist doch eine Art „Überschlagsrechnung“ zumutbar und bei Geschäften in dieser Größenordnung geboten ?
Anmerkungen:
[24] siehe Urteil LG Hamburg vom 9.7.2014, S. 222f
[25] § 13a Abs. 2 KWG und § 13 Abs. 2 KWG
[26] Bei Omega55 gewährte die HSH der Omega Ltd. zwei Liquiditätsfazilitäten: einmal für 2 Mrd. und einmal für 400 Mio. (für die STCDO)