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Tag 09: „Der Eilbeschluss war mein Vorschlag.“

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Freitag, 23. August 2013

Die Verteidigung durfte erneut den Zeugen Marc S. befragen. Heraus kam zumindest ein spannendes Detail. Die Vorstandsvorlage für das Omega55-Geschäft trug bekanntlich den wesentlichen, handschriftlichen Vermerk „Eilbeschluss“, geschrieben von Immobilienvorstand Peter Rieck. Marc S. erklärte, wenn auf einer Vorstandsvorlage Eilbeschluss stehe, könnten gemäß der entsprechenden internen Kompetenz- beziehungsweise Zuständigkeitsrichtlinie der HSH zwei Vorstände allein die Vorlage und damit das jeweilige Geschäft genehmigen; es würden dann nicht, wie üblich, die Unterschriften aller Vorstände gebraucht.


Die Unterschriften in der Vorstandsvorlage mit dem Vermerk rechts unten: „Eilbeschluss!“

Vieles war noch in Arbeit bei dieser größeren Transaktion

S. erinnerte sich weiter: Es sei sein Vorschlag gewesen, Eilbeschluss unter die Vorlage zu schreiben, um den Prozess zu beschleunigen, weil noch vor Jahresende viele Unterlagen für Omega55 zu prüfen gewesen seien. Seiner Meinung nach hatte auch jeder der Vorstände die Befugnis, eine Vorlage als „Eilbeschluss“ zu deklarieren. Warum nun ausgerechnet Rieck die Omega55-Kreditvorlage zum „Eilbeschluss“ erhob? Keine Ahnung, sagte S., weil er gerade im Hause war?

Zuvor hatte der Bankkaufmann zu verstehen gegeben, dass es sich bei Omega55 um „kein Standardgeschäft“ gehandelt habe. Es sei eine „größere Transaktion“ gewesen, bei der sicher externe Anwälte die Gegenpartei, BNP Paribas, beraten hätten, vor allem bei den Nebenabreden, die getroffen wurden und die Teilgeschäfte verbanden (zum Beispiel über den „side letter“).

Die entscheidenden Nebenabreden[22]

Ex-Vorstandschef Berger hatte in seinem Eingangsstatement bestritten, dass er die Nebenabreden zu Omega55 kannte. Es gab immerhin zwei davon: Im „side letter“ oder „non reliance letter“ sicherte die HSH der BNPP zu, Omega bis zum 30.4.2008 der BaFin zu melden. Die entscheidende Nebenabrede aber verbarg sich im Abwicklungsschreiben, dem „unwind letter“. Darin verpflichtete sich wiederum die HSH, bis zum 31.1.2008 auch Teil-B mit der BNP Paribas abzuschließen. Wenn nicht, darf die BNPP die Kreditabsicherung aus dem Teilgeschäft A rückabwickeln - auf Kosten der HSH. Diese Nebenabreden verbanden Teil-A und Teil-B.

Auflösungstendenzen im neuen Jahr

Allzu lang hielt die HSH an Teil-A von Omega55 aber nicht fest. Bereits im April 2008 kündigte sie die Kapitalentlastung, also keine vier Monate später, nachdem sie das Geschäft abgeschlossen hatte. Die frühe Kündigung hatte die Vorstandsvorlage angedeutet. Auch drei weitere Transaktionen, an denen Marc S. im Dezember 2007 unermüdlich gearbeitet hatte, löste die Bank zwischen April und Juni 2008 auf, berichtete der Zeuge. Dazu gehörten die bereits erwähnten Deals mit Lehman Brothers und das Geschäft „St. Pancras“ mit der Hypo Real Estate. Alles Arrangements, die das Eigenkapital der HSH pünktlich zum Bilanzstichtag 31.12.2007 „entlasten“ sollten. Mehr Schein als Sein.

Der Ex-Kollege und der Auftritt der Freshfields-Anwälte

Was die Verteidiger weiter interessierte war zum einen ein privates Treffen von Marc S. mit seinem Vorgesetzten Luis Marti Sanchez, als dieser die Bank verlassen hatte. Und: Die Befragung durch die Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer. Diese Kanzlei arbeitet seit Jahren mit der HSH eng zusammen - ist quasi ihre Hauskanzlei - und wurde 2009 vom Aufsichtsrat beauftragt, das Missmanagement um das Omega55-Geschäft, das Kreditersatzgeschäft und mögliche Pflichtverletzungen der Vorstände zu untersuchen. Die Staatsanwaltschaft soll sich in ihrer Klageschrift unter anderem auch auf das daraus entstandene, geheim gehaltene Gutachten stützen.

Tendenziöses Gutachten oder Wahrheitsbeleg?

Bei den Fragen der Verteidiger dazu drängte sich der Eindruck auf, sie wollten die Seriosität des Gutachtens anzweifeln. Der Zeuge erzählte, dass er von den Freshfields-Anwälten zuerst am Telefon befragt worden sei, später noch einmal in London einen ganzen Tag lang. Bei diesem Gespräch hätten ihm eine von der Bank gestellte Rechtsanwältin und ein Kollege beigestanden. Am Gesprächsprotokoll, das Freshfields dem Zeugen S. später übersandte, (sieben bis zehn Seiten) korrigierte S. einiges. Weil er „den Gesamtzusammenhang ordentlich darstellen wollte“, und: Damit „meine Aussagen auch stimmten“.

Anwalt Gatzweiler wollte daraufhin von Marc S. wissen, ob es bei der Befragung durch Freshfields um das Sammeln von Fakten gegangen sei? Nein, antwortete der Zeuge prompt. Gatzweiler: Ob ihm Vorhaltungen gemacht worden seien? Ja, so S., es wurde die Vorstandsvorlage zu Omega55 kritisiert und er hatte den Eindruck, dass die Befragungen Alibisitzungen waren, in denen Freshfields vorgefertigte Meinungen abklopfte.

Geheimgutachten zu möglichen Pflichtverletzungen

Das so genannte Freshfields-Gutachten umfasst fast 450 Seiten. Der Aufsichtsratschef der HSH, Wolfgang Peiner, gab es im April 2009 in Auftrag. Es sollte die Sorgfaltspflichten der HSH-Vorstände gemäß § 93 Aktiengesetz untersuchen. Die HSH hütet dieses Gutachten wie ein Staatsgeheimnis. Es listet erhebliche Schwächen der Bank auf und kommt für die Vorstände Rieck, Strauß und Friedrich zu dem Ergebnis, dass sie die Vorstandsentscheidung zu Omega55 auf nicht informierter Basis getroffen haben. Kurz: Sie haben ihre Pflichten verletzt.[23] Die Gutachter kommen aber auch zu dem Schluss, dass weder Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer, Berater oder die Aufsichtsbehörden Signale der Vorsicht an die Vorstände ausgesendet hatten.

Marc S. wurde noch einmal für den 2. September geladen.

Anmerkung:

[22] vergleiche Urteil LG Hamburg, vom 9.7.2014, S. 13

[23] Abschlussbericht PUA Landtag Schleswig-Holstein, 15.8.2011, Drucksache 17/1675, S. 129f

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