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Vorwort

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Als zu Beginn des Jahres 2009 klar wurde, dass die HSH Nordbank AG kurz vor dem Kollaps stand und nur durch unmittelbare Finanzhilfen ihrer Anteilseigner, letztlich der Steuerzahler in Hamburg und Schleswig-Holstein, vorläufig gerettet werden konnte, begann die Ursachenforschung. Seit Anfang April 2009 befasste sich die Staatsanwaltschaft Hamburg mit den Geschäften der Bank. Wo anfangen und wo aufhören? In einer ersten Strafanzeige war die Staatsanwaltschaft auf einen Sachverhalt hingewiesen worden, den ihr damaliger Vorstandsvorsitzender bei einer Anhörung durch den Haushaltsausschuss der Bürgerschaft am 17. Februar 2009 selbst vorgetragen hatte: Den in den Jahren zuvor vollzogenen Aufbau eines „Credit Investment Portfolios“, von ihm etwas euphemistisch als „Kreditersatzgeschäft“ bezeichnet. Das bestand aus plötzlich – aufgrund der Finanzkrise – unverkäuflich gewordenen Kreditderivaten mit einem Volumen von 30 Milliarden Euro. Nonnenmacher wörtlich kurze Zeit später in einem Interview mit der FAZ:

„Wir müssen feststellen: Es fehlte dort einfach die angemessene Risikokontrolle. Das Kreditersatzgeschäft, in dem Sprengsätze steckten, hatte am Ende ein Volumen von 30 Milliarden Euro. Es wurde vor allem in Luxemburg aufgebaut, fern von der Risikokontrolle der Zentrale. Man hat die Gefahr unterschätzt und dafür einen extrem hohen Preis bezahlt.“

Eine Staatsanwaltschaft ist keine Bankenaufsicht. Die über längere Zeit entstandenen systematischen Kontrollmängel in einer Landesbank können allenfalls ein Ausgangspunkt strafrechtlicher Überlegungen sein, nicht aber Thema einer Anklage. Das in 2008 unverkäuflich gewordene Portfolio in Höhe von ca. 30 Milliarden Euro, das zum drohenden Zusammenbruch der Bank maßgeblich beigetragen hatte, blieb außerhalb der staatsanwaltschaftlichen Betrachtung. Bei der Feststellung eines strafrechtlich relevanten Sachverhalts kommt es nach wie vor auf individuelle Schuld an.

Die Staatsanwaltschaft hat sich in ihrer im Dezember 2011 erhobenen Anklage konzentriert auf die Ende 2007 durch den damaligen Vorstand der HSH Nordbank AG beschlossene Transaktion Omega55. Sie war eine von insgesamt zwölf Transaktionen, mit denen die HSH Nordbank AG Ende 2007 Kredite mit einem Volumen von insgesamt 17,31 Milliarden Euro aus ihrer Bilanz herausverlagerte und die Eigenkapitalquote künstlich heraufsetzte. Vertragspartner waren andere Großbanken, die – vermittelt über Zweckgesellschaften in Irland oder Off-Shore-Gebieten – die Risiken dieser Kredite scheinbar übernahmen. Nach wenigen Monaten wurden diese Transaktionen wieder rückabgewickelt und der vorherige Zustand wiederhergestellt. Wirtschaftlich eigentlich alles sinnlos. Sie „dienten lediglich der Verbesserung der genannten Quoten zum Jahresultimo“, wie es ungeschminkt in einer Vorlage des Vorstandes an den Risikoausschuss des Aufsichtsrats vom 7. April 2008 heißt – also der Aufhübschung der Bilanz und der so fingierten Darstellung einer höheren Eigenkapitalquote. Jede dieser wirtschaftlich völlig sinnlosen Transaktionen dürfte Millionen Euro an Kosten (Prämien und Anwaltshonorare) verschlungen haben.

Omega55 hatte allerdings eine Besonderheit. Der Vertragspartner, die französische Bank BNP Paribas, war etwas gewitzter als die anderen Kontrahenten der HSH. Die BNP Paribas hatte ihre Freude an den Hamburgern. Sie übernahm von der HSH Nordbank AG zwar Kredite in einem Volumen von 2 Milliarden Euro. BNP Paribas ließ sich jedoch auf diese Dienstleistung gegenüber der HSH Nordbank AG nur deshalb ein, weil die HSH sich wiederum bereit erklärte, für einen von der BNP Paribas zusammengestellten CDO namens Omega55 eine Ausfallkreditzusage in Höhe von 400 Mio. Euro zu übernehmen. In diesen CDO packte im Laufe des Jahres 2008 die BNP Paribas nun Bonds von Lehman Brothers, der isländischen Landsbanki und Instituten ähnlichen Kalibers, sodass die „Kreditfazilitäten“ schnell gezogen wurden (die HSH Nordbank AG die aus dem CDO resultierenden Verluste unmittelbar ausgleichen mußte). Die Banker aus Paris ließen die Banker aus Hamburg als Waisenknaben zurück.

Zu den Journalisten, die bei der Aufklärung des Skandals um die HSH Nordbank AG frühzeitig und wirklich investigativ tätig waren, gehörte ein Trio von „NDR Info“, bestehend aus den jungen Journalisten Peter Hornung, Jürgen Webermann und Dani Parthum. Sie waren es, die Informanten auftaten. Als erste hielten sie die „Credit Application“ zu Omega55 in den Händen und berichteten über diese Transaktion. Dani Parthum ist dem Thema treu geblieben und hat sich der unsäglichen Mühe unterzogen, jedem Tag des Prozesses, in dem über die Anklage der Staatsanwaltschaft verhandelt wurde, als Zuhörerin beizuwohnen. Den im Prozess anwesenden Journalisten war die Benutzung eines Laptops untersagt worden. Die Gründe hierfür sind mir nicht bekannt. Ihr dennoch entstandener umfangreicher Bericht beruht auf handschriftlichen Notizen. Eine Mühe war es mit Sicherheit auch deshalb, weil Wirtschaftsstrafprozesse, die sich über ein Jahr hinziehen, gähnende Längen mit sich bringen. Die Verfahrensbeteiligten können sich gegen gelegentliche Ermüdungen vielfältig behelfen, und sei es nur, indem sie sich durch Wortmeldungen wachreden. Der zur Stille verdammte Journalist – Dani Parthum beklagt an einer Stelle ihres Buches ihr Empfinden dieser Situation für jedermann einfühlsam – kann das nicht. Das nun vorliegende Buch zeigt, dass Dani Parthums Aufmerksamkeit dennoch zu keinem Zeitpunkt nachgelassen hat.

Dieses Buch ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil der Prozess gegen die früheren Mitglieder des HSH-Vorstandes durchaus darauf angelegt ist, ein neues Blatt aufzuschlagen. Wie weit reicht das Terrain unabhängigen unternehmerischen Entscheidens, das Privileg der sog. Business-Judgement-Rule, und wo beginnt die Pflichtverletzung, die einen strafrechtlichen Vorwurf (in der Regel den der Untreue) begründet?

Das ist die Frage, die letztlich der Bundesgerichtshof wird beantworten müssen. Das inzwischen vorliegende schriftliche Urteil (nachlesbar bei Juris) zeigt, dass Strafjuristen in der Lage sind, die auf Undurchschaubarkeit angelegten Finanztransaktionen des modernen Bankgewerbes auf den Begriff zu bringen. In diesem Falle ist das den Richtern des Landgerichts exzellent gelungen. Dennoch bleibt der Widerspruch weiterhin fühlbar, den Dani Parthum schon im Hinblick auf die mündliche Urteilsbegründung in ihrem Buch deutlich artikuliert und der sich bei der Lektüre der schriftlichen Begründung strukturell wiederholt.

Der Leser der ersten 347 Seiten gewinnt bei Fortschreiten der Lektüre Blatt für Blatt immer zwingender den Eindruck, hier solle eine (wenn auch im Ergebnis vielleicht milde) Verurteilung begründet werden. Die Erwägungen, mit denen dann auf gerade einmal viereinhalb Seiten für den verdutzten Leser die Freisprechung begründet wird, präsentieren sich als regelrechte Überraschung! Das ist eine jähe Wendung, die eher in einem schwedischen Kriminalroman zu erwarten ist, aber nicht in einem Urteil des Landgerichts Hamburg. Die Strafkammer stützt sich in ihrer plötzlichen Begründung des Freispruchs auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juni 2010, demzufolge eine den Tatbestand der Untreue ausfüllende Pflichtverletzung „klar und evident“ vorliegen müsse. Dieses Evidenzerlebnis hätte die Strafkammer des Landgerichts Hamburg angesichts der Eindringlichkeit ihrer Feststellungen möglicherweise haben können, hatte sie aber offenbar nicht. Ihre Überlegungen sind jedenfalls allesamt nachvollziehbar. Deshalb soll hier, wenn auch meine Sympathie einem anderen Ergebnis eher gegolten hätte, keine Urteilsschelte betrieben werden. Die Verteidiger haben mit großem Einsatz für das erreichte Ergebnis gekämpft. Der Freispruch wird dennoch bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Revision der Staatsanwaltschaft an einem seidenen Faden hängen.

So oder so: Es ist zu erwarten, dass der Bundesgerichtshof den Handlungsrahmen für leitende Manager von Banken (und Aktiengesellschaften) neu absteckt, jedenfalls präzisiert. Dafür bietet ihm das Urteil des Landgerichts Hamburg ausreichend Stoff. Mit dem Buch von Dani Parthum sind wir über die Verhandlung, die zu diesem Urteil geführt hat, bestens unterrichtet.

Gerhard Strate,

Hamburg, im März 2015

DR. NO und die Unschuldigen

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