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Tag 13: Ohne interne Prüfung: Der ominöse Teil-B

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Mittwoch, 4. September 2013

Packend versprach dieser Verhandlungstag zu werden. Das Gericht hatte eine Mitarbeiterin der Abteilung NPNM zu sich gebeten: Betriebswirtin Sirka H. NPNM steht für Neue-Produkte-Neue-Märkte. Die schlanke, attraktive Frau in den 40ern, halblanges Haar, selbstbewusst im Auftreten, kam allein, ohne einen Anwalt an ihrer Seite. 2007 war sie bereits sieben Jahre in der HSH beschäftigt gewesen und seit einem Jahr bei NPNM tätig. Heute arbeitet sie für ein Industrieunternehmen.

Als Koordinatorin der NPNM-Abteilung in Kiel war Sirka H. seinerzeit beauftragt worden, Omega55 zu durchleuchten und einzuschätzen, ob das Finanzgeschäft für die HSH handhabbar und wirtschaftlich empfehlenswert ist. Sirka H. gehört damit zu den Hauptzeugen im Prozess.

Ohne Prüfung kein Neu-Geschäft

Die NPNM-Abteilung zählt nach Zeugenaussagen wie die Rechtsabteilung zu den wichtigsten Etappen beim Abschluss neuer Geschäfte. Die Abteilung prüft und beurteilt vorab, welche Risiken mit dem beabsichtigten Geschäft verbunden sein könnten, ob aufsichtsrechtliche Bedenken dagegen stehen, wie es in der Buchhaltung erfasst wird und welche Kosten und Erträge zu erwarten sind. Am Ende dieses Abwägungsprozesses, in den die Meinungen vieler anderer Abteilungen einfließen, gibt NPNM ein Votum ab, eine Empfehlung, ob es das gewünschte Geschäft befürwortet oder ablehnt. Solche so genannten NPNM-Abteilungen hat jedes Geldhaus.

Ohne das Votum dieser Abteilung darf kein neuartiges Bankgeschäft genehmigt werden. Das schreiben den Banken die Mindestanforderungen für das Risikomanagement vor, die MaRisk der deutschen Bankenaufsicht BaFin.

Nur die Hälfte von Omega55 angesehen

Bei der Befragung der Zeugin ging es dem Gericht vor allem um eines: Warum hat sie bei dem zweiteiligen Omega55 nur Teil-A prüfen lassen, also den einfachen Teil, den Risikotransfer von der HSH zur BNP Paribas? Und nicht gleichzeitig den viel komplexeren und riskanteren Teil-B, der zudem das in Teil-A übertragene Risiko wieder in die Bank zurückholte?

Dazu sagte die Zeugin in ihrer etwa sechsstündigen Befragung - die vor allem von den Richtern Wellhausen und Bruns penibel geführt wurde - zusammengefasst:

Sie wollte die Dokumentation eindeutig halten.

Sie hatte keine detaillierten Angaben zu Teil-B und nichts Schriftliches; das fehlte zwar auch für Teil-A, aber dafür lag aus London ein Prüfantrag vor, initiiert vom Londoner Analysten und Omega-Koordinator Marc S.

Die Zeugin war davon ausgegangen, dass nach Prüfung des A-Teils Marc S. einen weiteren Antrag für Teil-B stellen würde, wenn denn Teil-B ein „neuartiges Produkt“ gewesen wäre. In der Bank kursierten Gerüchte über Teil-B als „ominöses Geschäft“.

Nur Marc S. hätte einen Prüfantrag für Teil-B stellen können, tat es aber nicht. Zitat Zeugin: „Wenn Marc S. ernsthaft einen Prüfantrag gestellt hätte, hätten wir das gestartet.“ Erst Antrag, dann Prüfung.

Dazu kam: Sirka H. hatte parallel zu Omega55 eine Vielzahl weiterer Neugeschäfte zu prüfen, deshalb wurde bei Teil-A ein Standardverfahren angewandt. Richter Bruns fragte, was anders an Teil-B war, weil bei Teil-A ja auch viele Informationen gefehlt hätten? „Die Zeit war um“, sagte Zeugin H.

Üblich sei eigentlich, berichtete H. weiter, dass vor der NPNM-Prüfung die Stellungnahme der Rechtsabteilung zu aufsichtsrechtlichen Fragen vorliege. Das war bei Omega55 nicht der Fall. Mit der Rechtsabteilung habe die Zeugin ohnehin nie persönlich über Teil-A gesprochen, obwohl sie es mehrfach versucht hatte, telefonisch. Die zuständige Juristin Vera S. sei so beschäftigt gewesen, dass kein Gespräch über Omega55 zustande gekommen sei.

(Auch Omega-Koordinator Marc S. war zur Stellungnahme der Rechtsabteilung intensiv befragt worden. Ihm gegenüber soll die zuständige Juristin Vera S. „gesagt“ haben, die Entlastung (in Teil-A) kann vorgenommen werden. Allerdings konnte sich Marc S. nach eigener Aussage an keinen Schriftverkehr und an keine Unterlagen erinnern, dass und wie die Juristin okay „sagte“. Schriftliche Gutachten seien nicht üblich gewesen.[27])

NPNM-Votum als Gemeinschaftsmeinung

Richter Bruns interessierte auch, wie ein NPNM-Votum überhaupt zustande komme. Daraufhin erklärte Zeugin Sirka H., dass sich jeder Fachbereich - Risikoabteilung, Recht, Bilanzierung und Buchhaltung - aus seiner Sicht das jeweilige Geschäft ansehe und anschließend seine Einschätzung in Form von Textbausteinen an sie weiterleite. Als Koordinatorin führe sie dann alles zu dem so genannten NPNM-Votum zusammen. Freie Text-Formulierungen sehe dieser Abstimmungsprozess nicht vor. Am Ende lesen alle beteiligten Ressorts das Votum Korrektur und wenn alle einverstanden seien, schicke sie es an ihren Vorgesetzten. Die Vorstandsvorlage des jeweiligen Bankgeschäfts, an die später das Votum angehängt werde, kenne sie aber nicht. Dieser Umstand verwunderte Richter Bruns so sehr, dass er dreimal ungläubig nachfragte. Sirka H. erklärte aber wiederkehrend, dass sie das Votum koordiniere und dann weiterleite. Und wenn der Vorstand Fragen habe, dann rufe er schon an. Bei Omega55 rief kein Vorstand an, so Sirka H.

Im Fall von Teil-A erfolgte das NPNM-Votum laut der Zeugin einstimmig. Die Ressorts hielten die Risiken für vertretbar und empfahlen die Freigabe des Geschäfts, allerdings schränkten sie ihr Votum an verschiedenen Stellen durch teils strenge Auflagen ein. Zum Beispiel hieß es schon am Anfang, im dritten Satz: „Aufgrund der Dringlichkeit des Antrages und der sehr kurzfristig zu erfolgenden Umsetzung erstellen wir dieses Votum auf Basis von noch nicht final vorliegenden Dokumenten.“ Sirka H.: Wir hielten es für sinnvoll, das zu erwähnen.

Als Hinweis an die Vorstände?

Der fehlende Antrag aus London

Wortwechsel mit der Verteidigung entzündeten sich an der Frage, wer hätte veranlassen müssen, den Teil-B gemeinsam mit Teil-A zu prüfen, bevor der Vorstand Omega55 zeichnete? Sirka H. meinte , dafür hätte Marc S., der Koordinator in London, einen „Produktantrag“ stellen müssen.[28] Es sei immer der Marktbereich für solche Produktanträge zuständig, der das jeweilige Geschäft veranlasse. (So sahen es die internen Regelwerke der HSH vor.[29]) Und bei Omega55 sei der Marktbereich nun einmal die Financial Institutional Group in London gewesen, so Zeugin H.

(Marc S. hatte sich in seiner Befragung auf einen gegensätzlichen Standpunkt zurückgezogen und den Ball ins Feld von Sirka H. gespielt, warum es für den riskanteren B-Teil keinen eigenen NPNM-Prozess gegeben habe. NPNM habe sich entschieden, sich auf Teil-A zu konzentrieren, hatte S. ausgesagt, weil Teil-B mit der Liquiditätsfazilität nicht Neues für die HSH gewesen sei, kein neues Produkt.)

Nicht nachgedacht?

Richter Bruns fragte anschließend erneut mehrfach, ob Sirka H. nicht in das Votum hätte reinschreiben müssen, dass es auch einen Teil-B gebe, den ihr Team nicht begutachtet habe? Darüber habe sie nicht nachgedacht. Sie habe das Verfahren abgewickelt und dann das Votum weitergegeben, so H.[30] Allerdings hatte die Zeugin mit Marc S. schon über Teil-B gesprochen, etwa Mitte Dezember 2007. Sie habe den Kollegen gefragt, was denn in dem „ominösen“ Teil-B stecke? S. habe ihr daraufhin zu verstehen gegeben, dass er unter anderem eine „Liquiditätsfazilität“ enthalte, eine Art Dispositionskredit, den die HSH der Omega-Zweckgesellschaft gebe. Später, im Januar 2008, stellte sich dann heraus, dass Teil-B gar keine Liquiditätsfazilität im eigentliche Sinne war, sondern wirtschaftlich gesehen ein „Total Return Swap“, weil die Fazilität mit einer „Verbriefung“ verknüpft war - der STCDO.

Swap statt Dispo

Ein „Total Return Swap“ aber hätte einen NPNM-Prozess durchlaufen und damit auf dem Schreibtisch der Zeugin Sirka H. landen müssen. Wieso? Weil der Wert eines STCDO ständig schwankt wie auf einem Wochenmarkt. Damit aber schwankt im Fall von Teil-B auch der Wert der 400-Millionen-Euro-Liquiditätsfazilität; sie wird damit zu einem „Total Return Swap“. Weil die HSH dadurch ständig Marktpreisrisiken und damit Verlusten ausgesetzt war, hätte sich das vorher die Abteilung NPNM ansehen müssen. Eine reine Liquiditätsfazilität, deren Wert nicht täglich schwankt, braucht auch keinen NPNM-Stempel.

Warum aber haben die Londoner die Abteilung NPNM über Teil-B im Unklaren gelassen und keinen Produktantrag gestellt? Weil sie selbst erst nach dem 19. Dezember wussten, was in Teil-B steckte, als ein Teil des Vorstandes das Geschäft bereits genehmigt hatte? Weil London die Zeit davon lief bis zum Jahreswechsel? Weil Provisionen winkten? Weil die Abteilungen aneinander vorbeiredeten und personell unterbesetzt waren?

Der Prozess wird diese Fragen nicht beantworten.

Anmerkungen:

[27] vergleiche Urteil LG Hamburg, vom 9.7.2014, S.13, S. 126f

[28] ebenda S. 120

[29] ebenda S. 119ff

[30] ebenda S. 139f

DR. NO und die Unschuldigen

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