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Wie Omega55 funktionierte - oder auch nicht

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Das Bankgeschäft Omega55[5] bestand aus zwei Teilen, die durch Verträge aneinander gekoppelt waren: BNP-A und BNP-B hießen sie in der HSH. Hinter den beiden Teilgeschäften standen mehrere Zweckgesellschaften. Bei Teil-A ging es um rund 2 Milliarden Euro, bei Teil-B um 400 Millionen Euro. Ein Netz aus mindestens 25 Verträgen hielt sie zusammen. Um aus diesen Verträgen die Rechte und Pflichten der beteiligten Bankhäuser HSH Nordbank und BNP Paribas (BNPP) herauszulesen, brauchten Sachkundige Wochen.

Im Folgenden schildere ich Omega55 vereinfachend und wie ich es verstanden habe. Tatsächlich war das Finanzgeschäft viel verästelter:

Teil-A - die Eigenkapitalentlastung:

Mit diesem Teilgeschäft wollte die HSH ihre Bilanz aufpeppen. Sie hatte zu viele Kredite vergeben. Problem: Für jeden gewährten Kredit muss sie wie jede Bank einen Teil ihres Eigenkapitals reservieren - als Verlustvorsorge. Wegen der hohen Kreditvergabe fiel in der HSH-Bilanz 2007 das noch freie Eigenkapital ziemlich niedrig aus. Kein potentes Signal für den anstehenden Börsengang. Also gründete die HSH eine Tochter in der Steueroase Jersey Islands, die Zweckgesellschaft Mathias Ltd. In diese schob sie - einfach gesprochen - rund 2 Milliarden Euro ihres Kreditbestandes, größtenteils Kredite aus der Immobiliensparte. Die französische Investmentbank BNP Paribas wiederum versicherte die Kredite dieser Mathias Ltd. über eine so genannte Kreditausfallversicherung gegen Verluste. Solche Versicherungen heißen „Credit Default Swaps“, kurz: CDS. Grob funktionieren sie so: Kann beispielsweise ein Bauherr aus dem Kreditpool seine Schulden nicht tilgen, entschädigt die BNPP die HSH-Zweckgesellschaft Mathias Ltd. dafür - und somit letztlich die HSH.

Das war das Grundgeschäft, das die HSH von vornherein wohl im April 2008 wieder kündigen wollte.

Vorteil BNPP: Sie erhielt von der HSH eine hohe Prämie für die Verlustabsicherung - zwischen fünf und zehn Millionen Euro. Die BNPP forderte zusätzlich von der HSH, mit ihr einen zweiten Teil abzuschließen, den B-Teil, in dem die BNPP Verlust-Risiken loswerden wollte.

Vorteil HSH: Weil die BNPP bei Verlusten der HSH-Tochter Mathias Ltd. einsprang, sollte das in der HSH-Bilanz 2007 etwa 128 Millionen Euro Eigenkapital freisetzen. Ein schönes Bilanzlifting für den Börsengang. Hatten die HSH-Vorstände zumindest gedacht.

Rechtslage: Teil-A ist - für sich genommen - eine „Kapital-Entlastungstransaktion“[6], wie sie Banken zu jener Zeit am Jahresende einsetzten. Ein legaler Bilanztrick, den die Bankenaufsicht unter der Bedingung duldete, dass er mindestens ein Jahr lang lief. Die Bilanzaussage wird dadurch allerdings verzerrt. Im Fall von Omega55 wollte die HSH Teil-A aber nur bis April 2008 aufrecht erhalten. Die HSH hatte Ende 2007 mindestens zehn solcher Bilanzliftings am Start mit einem Gesamtvolumen von mehr als 17 Milliarden Euro.[7]

Teil-B - die Liquiditätsfazilität inklusive der Single Tranche Collateralized Debt Obligation, STCDO:

Mit diesem Teilgeschäft wollte sich die französische Investmentbank BNPP etwas Gutes tun. Hinter Teil-B verbargen sich drei Zweckgesellschaften, die der BNPP gehörten. Die größte: Omega Capital Funding Ltd. Auf diese Omega Ltd. übertrug die BNPP ihrerseits Kredite von 2 Milliarden Euro. Dazu addierte sie aus einer anderen Zweckgesellschaft das Abbild der HSH-Kredite aus der Mathias Ltd. (Teil-A) Damit lag in der Omega-Gesellschaft ein 4 Milliarden Euro Kreditbestand. Diesem Kredittopf stellten anschließend sowohl die BNPP als auch die HSH so genannte Liquiditätsfazilitäten jeweils über 2 Milliarden Euro zur Verfügung. Damit sollten eventuelle Zahlungen aus den Kreditgeschäften aufgefangen werden. Fazilitäten lassen sich mit dem Dispo eines Kontos vergleichen. Dem aber nicht genug.

Die Franzosen schichteten in die Omega Ltd. zusätzlich ein komplexes Kreditderivat in Höhe von 800 Millionen Euro: eine Single Tranche Collateralized Debt Obligation, kurz STCDO. In diesem Wertpapier hatte die BNPP Kredite und Anleihen von 161 Firmen gebündelt; verbrieft, wie es heißt. HSH und BNPP erteilten dieser Verbriefung ebenso jeweils eine Liquiditätsfazilität, einen „Dispo“, über 400 Millionen, für den Fall, dass der Wert der STCDO schwankt, so wie die Kilopreise gegen Ende des sonntäglichen Hamburger Fischmarkts. Wertschwankungen mussten die beiden Bankhäuser über diese Fazilitäten ausgleichen.

Im Ergebnis bedeutete das für die HSH: Sie gewährte der BNPP über die Omega-Gesellschaft insgesamt einen 2,4 Milliarden hohen Dispo. Vertragslaufzeit: ein Jahr mit jährlicher Verlängerung, sechs Mal hintereinander; macht sieben Jahre. Die BNPP ließ sich in einem Nebenvertrag[8] von der HSH Nordbank zusichern, dass diese der Bankenaufsicht BaFin von Omega55 bis April 2008 detailliert berichtet. Das tat die HSH aber nicht, sie kündigte vielmehr vor dem vereinbarten Termin Teil-A.

Vorteil BNPP: Sie bürdete der HSH Risiken aus ihrem heiklen Kreditpaket über die Liquiditätsfazilität auf - 400 Millionen Euro. Das ist in etwa der Gegenwert des Passagierflugzeuges A380. Sie durfte wohl zudem bestimmen, wann sie den „400-Millionen-Dispo“ in Anspruch nehmen darf.

Vorteil HSH: Sie erhielt durch dieses 2,4 Milliarden Teilgeschäft die vermeintlich dringend benötigte Kapital-Entlastung in Teil-A, dazu eine Prämie.

Rechtslage: Ein vielschichtiges, aber legales Bankgeschäft. Einjährige Liquiditätsfazilitäten mussten 2007 nicht bilanziert und nicht mit Eigenkapital „unterlegt“ werden. Allerdings war Teil-B - sich jährlich verlängernd - auf insgesamt sieben Jahre terminiert (Teil-A auf weniger als vier Monate).

Kernprobleme beim Omega-Deal für die HSH

Die beiden Teilgeschäfte waren über zwei Nebenabreden miteinander verbunden - dem „side letter“ und „unwind letter“, wobei der „unwind letter“ der entscheidende war. In diesem garantierte die HSH der BNPP, bis zum 31.1.2008 auch Teil-B abzuschließen, sonst hätte die BNPP den Vertrag auf Kosten der HSH rückabwickeln dürfen. Durch diese Kopplung des A-Teils an den B-Teil soll die HSH zu jeder Zeit die Verlustrisiken aus ihrem 2-Milliarden-Kreditpool behalten haben. Denn die Mathias Ltd. hatte ja eine Art Abbild der HSH-Kredite an die Omega-Gesellschaft weitergeleitet. Die HSH wiederum gewährte der Omega Ltd. einen „Dispo“ in gleicher Höhe, bei dem es die BNPP in der Hand zu haben schien, wann sie ihn einlöst. Das aber bedeutete: Das wirtschaftliche Risiko der Kredite drehte sich über die Zweckgesellschaften im Kreis und landete über die Liquiditätsfazilität wieder bei der HSH.

Konnte Teil-A also trotz dieses Risikokreisels wirksam sein und sein Ziel erreichen? Zumal die HSH die Kreditversicherung zwischen ihrer Tochter und der BNPP schon nach drei Monaten kündigen wollte. Um eine rechtlich legale Entlastung zu erreichen, hätte die Versicherung ein Jahr bestehen müssen.

Bei Teil-B lag der von der Staatsanwaltschaft postulierte Knackpunkt für die HSH in der Bilanzierung der 400-Millionen-Euro-Liquiditätsfazilität für die komplexe Verbriefung, der STCDO - nicht in der Bilanzierung der 2-Milliarden-Liquiditätsfazilität für den Kreditpool. Die HSH bilanzierte die 400-Millionen falsch, so der Klagevorwurf. Statt die Fazilität anteilig zum jeweiligen Marktpreis der STCDO zu bewerten, stand sie stabil wie ein Kredit mit 400 Millionen Euro in den Büchern der HSH - und damit zu hoch. Denn der anteilige Wert der STCDO für die HSH lag im März 2008 bei nur noch 288 Millionen Euro. Die HSH hätte den Wert der Liquiditätsfazilität also nach unten korrigieren müssen, so hätten es die internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS verlangt. Das aber tat die HSH in ihrer Quartals-Bilanz nicht. Deshalb wies sie zum 31.3.2008 einen Gewinn statt eines Verlustes aus.

Und noch etwas wog aus meiner Sicht schwer: Die Vorstände hatten mit der Liquiditätsfazilität für die von Anfang im Wert stark schwankende STCDO eine folgenreiche Zusicherung gegeben: Die HSH musste jederzeit in der Lage sein, der Omega Ltd. bis zu 400 Millionen zu überweisen, um die Wertänderungen der STCDO auszugleichen. Diesen Betrag hätte sich die HSH leihen müssen; ihre Zahlungsfähigkeit war seit Mitte 2007 aber extrem angespannt. Mit der STCDO im B-Teil wurde die ohnehin dramatische Liquiditätslage der Bank also zusätzlich verschärft.

Die Franzosen nahmen schließlich 2008 mehr als 300 Millionen Euro davon in Anspruch. Im November 2008 geriet die HSH auch deswegen in einen existenzbedrohenden Notstand, Berger trat zurück und die HSH bat Bund und Länder um Milliarden.

Untreue-Vorwurf der Staatsanwaltschaft

Die HSH-Vorstände sollen mit Omega55 bewusst ein zu hohes, wirtschaftliches Risiko eingegangen sein, das sie vorher nicht sorgfältig und gewissenhaft abgewogen hatten, weil sie sich nicht umfassend und banküblich über Chancen und Risiken, Widersprüche und Mängel in der Omega-Vorstandsvorlage informierten. Verstießen sie damit gegen ihre Sorgfaltspflichten als Geschäftsleiter und verursachten einen Vermögensschaden großen Ausmaßes?

Auf der nächsten Seite habe ich Omega55 gezeichnet - vereinfachend und wie ich es verstanden habe (einmal quer und einmal hochkant gestellt). Und was soll ich sagen: Es war ein irres Ding, dieses Omega55.

Anmerkungen:

[5] Das Dokument ist im Anhang wieder gegeben.

[6] RWA-Entlastungstransaktion, RWA=„Risk Weighted Assets“, Risikogewichtete Aktiva

[7] vergleiche Urteil LG Hamburg vom 9.7.2014, S. 293

[8] Diese Nebenabrede wurde im „side letter“/„non reliance letter“ formuliert.



DR. NO und die Unschuldigen

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