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Tag 04: Schlagabtausch und Erinnerungslücken
ОглавлениеDienstag, 6. August 2013
Tag der Verteidiger
Die Anwälte von Bernhard Visker und Peter Rieck - Gaby Münchhalffen und Norbert Gatzweiler - haben die Richter an diesem Tag weder ins Fragen noch den Zeugen Marc S. ins Reden kommen lassen. Mindestens zwei Drittel der Zeit seiner Befragung nutzten die Verteidiger zum Stellen von Anträgen oder Einlegen von Widersprüchen und Einfordern von Kammer-Entscheidungen. Richter Tully entschuldigte sich dafür bei dem geladenen Zeugen Marc S., „dass es manchmal länger dauert in einem Strafprozess, weil es Auseinandersetzungen über Dinge gibt, die dazu führen, dass man nicht sofort weiter machen kann“.
Zeuge mit Erinnerungslücken
Es war aber auch der Tag eines Zeugen, der sich oft nicht erinnern und manches wesentliche Detail in der Vorstandsvorlage zu Omega55 nicht erklären konnte. Dabei hat er die Vorlage koordiniert und vorab mit unterschrieben. Außerdem wusste der Zeuge, dass es an diesem Verhandlungstag um das entscheidende Dokument des Prozesses gehen würde, um den mehrseitigen, englischen Schriftsatz, auf dem Omega55 dem Vorstand vorgelegt worden war und den die sechs Vorstände nacheinander im Eilbeschluss und Umlaufverfahren unterschrieben haben. Er hatte ihn vom Richter beim letzten Termin in Kopie erhalten. Marc S. war also bekannt, um was es ging. Dennoch offenbarte er Wissenslücken. Aus Selbstschutz? Oder wusste er es wirklich nicht. An seiner Mimik ließ sich die Antwort nicht ablesen.
Skizze, wie Omega funktioniert
Speziell wurde Marc S. auf eine Grafik angesprochen, die zeigt, wie die HSH Nordbank und die BNP Paribas an Omega55 beteiligt waren, und welche Zweckgesellschaft mit wem wie in Beziehung stand. Es war eine Skizze[12], wie das Geschäft prinzipiell funktionierte. Diese Skizze lag den Prozessbeteiligten allerdings nur als Kopie einer Kopie vor, so dass Namen, Bezeichnungen und Pfeile nicht mehr gut leserlich waren. In dieser Grafik konnte der Zeuge aber weder die Beteiligten benennen, noch irgendwelche anderen Angaben machen.
Da drängte sich mir die Frage auf: Wieso kann ein Fachmann - und der Zeuge zählt sicherlich dazu - zumindest nicht rudimentär erklären, was diese Skizze aussagt und an welchen Stellen die HSH auftaucht?
Die schlecht zu lesende Skizze mit dem Firmengeflecht hinter Omega55. Vorstandsvorlage
Der fragende Richter Volker Bruns reichte dem Zeugen daraufhin statt der qualitativ schlechten Skizze ein anderes Schaubild, das der Zeuge als die Skizze aus einer Powerpoint-Präsentation[13] der BNP Paribas erkannte, in der das Finanzgeschäft Omega55 dargestellt wurde. In dieser Präsentation schien die gleiche Skizze abgebildet zu sein wie später in der Vorstandsvorlage der HSH. Aber auch bei ihr konnte Marc S. die Beteiligten nicht benennen und auch sonst sagte er, könne er die Skizze nicht inhaltlich erklären, das Geschäft nicht „rekonstruieren“.
Fast entschuldigend schob er hinterher: Seine Mitarbeiter haben die Skizze in die Vorstandsvorlage eingefügt.
(Diese Skizze aus der Vorstandsvorlage - und der BNP Paribas-Präsentation - wird im Verfahren noch zu einiger Prominenz kommen. Einige Fachabteilungen wie Recht und Rechnungswesen erhielten offenbar ausschließlich diese Skizze, um Omega55 zu bewerten. Ein bisschen wenig.)
Bank ohne Rechtsgutachten-Praxis
Außerdem erklärte der Zeuge auf die Frage des Richters, ob ihm die Rechtsabteilung ein schriftliches Gutachten über die aufsichtsrechtliche Prüfung von Omega55 vorgelegt habe, dass kein Gutachten erstellt worden sei. Wenn, dann gebe es eMails. Es sei nicht üblich, Rechtsgutachten zu erstellen, fügte er an.
Richter mit wenig präziser Fragetechnik
Der Banker Marc S. wirkte diesmal auf dem Zeugenstuhl weniger fachkundig als bei seiner ersten Befragung am 3. Verhandlungstag. Das könnte aber auch an der Art der Fragen gelegen haben. Für die Fragen war diesmal nicht der Vorsitzende Richter Tully, sondern der zweite Richter der 8. Großen Strafkammer zuständig, Volker Bruns. Manche Fragen gerieten ihm etwas konfus; er fasste bei wichtigen Sachverhalten teilweise auch nicht nach. Irgendwann hielt es der Verteidiger von Joachim Friedrich, Wolfgang Prinzenberg, nicht mehr aus und bat den Richter, doch manches Mal nachzufragen. Auch Staatsanwalt Karsten Wegerich war mit der Fragetechnik nicht gänzlich einverstanden und bat das Gericht, selbst Fragen formulieren zu dürfen. Dem gab der Vorsitzende Richter statt und Wegerich kam zum Zug, was dann wiederum die Verteidiger nutzten, um Wegerich raubeinig zu sagen, er solle doch bitte Bewertungen in seinen Fragen aussparen.
Der 4. Prozesstag war gespickt mit Detailfragen und -antworten, mit Pausen, umfassenden Verteidigerreden und manch' verwundertem Blick des Vorsitzenden Richters Mark Tully, woraus sich gut erkennen ließ, wie es vor Gericht zugeht. Wobei der Vorsitzende Richter keine Lautstärke brauchte, um die mitunter erhitzten Gemüter der Prozessbeteiligten wieder auf Normaltemperatur abzukühlen. Wenige prägnante Worte reichten dafür. Zumindest für eine Weile. Und der Zeuge, der Organisationsschwächen in der HSH entlarvte, konnte manches nicht erklären - oder wollte es nicht.
Blog-Kommentare
7. August 2013 @ 18:14 von: bescheidwisser
[...] Ich gehe mal davon aus, dass der einzelne Mitarbeiter schon bemüht war, seine Arbeit ordentlich zu erledigen und ausführlich Stellung zu nehmen. Zumal dies bei Juristen täglich Brot sein sollte. Die Frage ist nur, ob dies noch möglich war, wenn gleichzeitig mehrere Geschäfte von der Komplexität eines Deals wie Omega-55 begleitet werden mussten - was bei dem betreffenden Mitarbeiter in der Rechtsabteilung ggf. so war. Der Untersuchungsausschusses in Schleswig-Holstein [14] hat festgehalten (S.56):
„In quantitativer Hinsicht bedeutete dies, dass auf der Marktseite etwa viermal so viel Mitarbeiter beschäftigt waren wie auf der Marktfolgeseite, während in Deutschland ansonsten insoweit etwa eine Gleichverteilung vorherrschte.“
Dieses Missverhältnis als „Systemfehler“ geht sicher auf Vorgaben des Vorstandes zurück und kann hier dazu beigetragen haben, dass ein Mitarbeiter in der Rechtsabteilung schlichtweg keine Chance mehr hatte, die Geschäfte in Form von ausgearbeiteten Gutachten zu beurteilen.
8. August 2013 @ 10:35 von: Dani
So, wie ich den Zeugen verstanden habe, werden generell keine Rechtsgutachten für einzelne Geschäfte erstellt. Er sagte ja, das sei nicht üblich.
In den gesetzlichen „Mindestanforderungen an das Risikomanagement, MaRisk“ steht jedenfalls eindeutig, was Vorstände zu tun haben:
“Alle Geschäftsleiter (§ 1 Abs. 2 KWG)[15] sind, [...], für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation und deren Weiterentwicklung verantwortlich. Diese Verantwortung bezieht sich [...] auf alle wesentlichen Elemente des Risikomanagements. Die Geschäftsleiter werden dieser Verantwortung nur gerecht, wenn sie die Risiken beurteilen können und die erforderlichen Maßnahmen zu ihrer Begrenzung treffen [...].“
Anmerkungen:
[12] siehe Urteil LG Hamburg vom 9.7.2014, Az. 608 Kls 12/11, 5550 Js 4/09, S. 162
[13] ebenda, S. 127ff, S. 336
[14] Abschlussbericht PUA HSH Nordbank, Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drucksache 17/1675 vom 15.8.2011, S. 56
[15] Das Kreditwesengesetz, KWG, beschreibt, wer Geschäftsleiter im Sinne des KWG ist. Die MaRisk beziehen sich auf diese Definition.