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Ein flüchtiger Moment der Wahrhaftigkeit?

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weiter Tag 13

Es war einer dieser bisher wenigen Momente im Plenarsaal des Hamburger Landgerichts, bei denen es plötzlich still im Raum wurde und eine abwartende Ruhe eintrat. Am 4. September, nachmittags, gab es so einen Moment bei der Befragung der Zeugin Sirka H.

Die auf der Zeugenbank platzgenommene, ehemalige HSH-Mitarbeiterin war Ende 2007 Koordinatorin der Abteilung, die neue Geschäfte (Produkte) nach bestimmen Kriterien zu prüfen hatte, bevor diese von Bereichsleitern oder dem Vorstand genehmigt und abgeschlossen werden durften. An diesem Prüfprozess sind unter anderem das Risikomanagement beteiligt, das Rechnungswesen und die Rechtsabteilung. Alle sehen sich das Geschäft an und geben ihre Meinung ab. Das Ergebnis lag dann den Geschäftsvorlagen bei.

Eine einfache Sinnfrage

Die Zeugin hatte an diesem 13. Prozesstag gerade erzählt, dass sie und ihre Mitarbeiter bei der Prüfung des A-Teils ein Standardverfahren angewandt hatten, weil sie noch mit einer Vielzahl weiterer „neuer Produkte“ beschäftigt waren. Daraufhin fragte Richter Bruns, worin denn eigentlich der Sinn dieses Prüfverfahrens für den Vorstand liege? Diese Frage klang naiv. War sie aber überhaupt nicht. Nur wer den Sinn seiner Arbeit kennt, handelt letztlich bewusst und sorgfältig.

Die Zeugin antwortete nicht

Und da wurde es still im Saal und immer stiller. Das Gericht wartete. Die Staatsanwälte blickten auf. Und ich dachte: Kommt jetzt mal die Wahrheit auf den Tisch? Zeugin H. in das Schweigen: „Ich überlege gerade, ob ich hier meine persönliche Meinung sagen soll …“ Bruns ermuntert sie sofort mit: „Ja. Auch …“ Aber dazu kam es nicht, weil einer der Verteidiger wohl die Brisanz der Situation erkannte und in die nachdenkliche Stimmung eine für mich akustisch nicht zu verstehende Bemerkung hineinsprach - und damit den Moment zerstörte. Diesen Moment des Nachdenkens und Zögerns der Zeugin, bei ihrer Suche nach der Sinnhaftigkeit eines der wichtigsten Arbeitsschritte für den Vorstand, bevor dieser ein riskantes und teures Finanzgeschäft abschließt.

Was für eine vertane Chance. Entsprechend sauer war Richter Bruns.

Denn warum hatte die bis dahin unerschrocken antwortende Zeugin so lange gezögert? Konnte sie wirklich nicht den Sinn ihres Jobs erklären, also das, was sie Jahre lang getan hatte? Diese Schlussfolgerung scheint unplausibel.

Prüfaufgabe ohne Sinn?

Zeugin H. ist Betriebswirtin und hatte vor diesem NPNM-Job komplizierte Geschäfte strukturiert, sich also ausgedacht. Was war es also dann? Wollte sie nicht sagen, dass sich der Vorstand damit absichert? Falls etwas schief gehen sollte, wären die Mitarbeiter verantwortlich? Oder fand sie, dass das Ergebnis der Prüfung, also ihrer Arbeit, vielleicht gar nicht wirklich wichtig war für die Vorstände und andere Entscheider - weil sie ohnehin so entschieden, wie sie es für richtig hielten?

Die Antwort der Zeugin hätte eine aufschlussreiche Innenansicht in die HSH gegeben. Die Verteidigung wusste das zu unterbinden.

Nach dem auf die Szene folgenden Clinch zwischen Richter Bruns und dem wachen Verteidiger hatte sich die Zeugin wieder gefangen und erklärte routiniert, dass die Prüfung eine Vorgabe der Bankenaufsicht sei, eine Vorgabe der Mindestanforderungen für das Risikomanagement (MaRisk). Immer dann, wenn die Bank ein neues Finanzgeschäft eingehen will, muss der jeweilige Marktbereich, also zum Beispiel die Immobilien- oder Schifffahrtssparte, in einem „Produktkatalog“ nachsehen, ob die Bank so ein Geschäft schon einmal abgeschlossen hat. Wenn nicht, muss es erst geprüft werden, durch Mitarbeiter wie Sirka H.

Deshalb stelle sich für sie nicht die Sinnfrage, so die Zeugin.

Blog-Kommentar

11. September 2013 @ 17:22 von: bescheidwisser

Das spricht für sich selbst, oder?

[...]

Das Gericht scheint sich damit nahe an den Kern der Sache bewegt zu haben, denn in den entsprechenden Vorgaben der MaRisk werden ausdrücklich die Geschäftsleiter (der Vorstand) in die Pflicht genommen, über die Einführung eines neuen Produktes zu entscheiden. Auch nach Einführung des neuen Produktes müssen die Prozesse der Bank, die beispielsweise die Risikosteuerung, aber auch die korrekte Bilanzierung (Nonnenmacher) gewährleisten, weiterhin fehlerfrei funktionieren.[31]

Anmerkung:

[31] vergleiche Rundschreiben 5/2007 vom 30.10.2007 „MaRisk“, AT 8, Nr. 5

DR. NO und die Unschuldigen

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