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4. Kausalität, objektive Zurechnung und gefahrspezifischer Zusammenhang

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Der Tod muss durch den Raub (bzw. das raubähnliche Delikt) i.S.d. Äquivalenztheorie verursacht worden sein. Zudem muss der Erfolg objektiv zurechenbar sein. Der Zurechnungszusammenhang umfasst die Prüfung der allgemeinen Voraussetzungen der objektiven Zurechnung, die auch beim Fahrlässigkeitsdelikt zu prüfen wären.[704] Damit können zunächst alle bekannten Fallgruppen fehlender objektiver Zurechenbarkeit auf die Erfolgsqualifikation übertragen werden.[705] Zunächst fehlt es bei einem atypischen Kausalverlauf bereits an der objektiven Zurechenbarkeit, beispielsweise, wenn das Opfer durch ein Blitzeinschlag in einen Baum verstirbt, an den der Täter das Opfer gebunden und ihm sein Geld weggenommen hat.[706] Auch Fälle der bewussten Selbstgefährdung können bereits die objektive Zurechnung ausschließen, weil sich dann nicht das vom Täter geschaffene, sondern ein anderes Risiko verwirklicht hat. Beispiel[707]: Der Räuber raubt das Opfer in dessen Wohnung, die im 5. Stock liegt, aus und flieht durch das Treppenhaus. Das Opfer, welches trotz der Ereignisse klar bei Sinnen ist, will den Räuber verfolgen. Zu diesem Zweck springt es aus seinem Küchenfenster und stirbt beim Aufprall. Hier handelt es sich um einen von vornherein sinnlosen und mit unverhältnismäßigen Wagnissen verbundenen Rettungsversuch, sodass dem Täter der Tod wegen bewusster Selbstgefährdung des Opfers nicht zuzurechnen ist.[708]

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Im Hinblick auf die deutlich erhöhte Strafdrohung in § 251 StGB kann von einer Todesverursachung „durch die Tat“ zudem nur dann ausgegangen werden, wenn nicht nur der Ursachenzusammenhang im Sinne der Bedingungstheorie und die objektive Zurechnung (also die Verwirklichung der durch die Tathandlung gesetzten rechtlich missbilligten Gefahr) gegeben sind, sondern sich außerdem im Tod des Opfers tatbestandsspezifische Risiken verwirklichen, die typischerweise mit dem Grundtatbestand des Raubes einhergehen.[709] Notwendig ist somit wie auch bei anderen erfolgsqualifizierten Delikten ein sog. gefahrspezifischer Zusammenhang (auch tatbestandsspezifischer Gefahrenzusammenhang, Risikozusammenhang, Unmittelbarkeitszusammenhang), also ein „besonderer Zurechnungszusammenhang“[710]. Das bedeutet, dass dem Tatgeschehen die spezifische Gefahr eines tödlichen Ausgangs anhaften muss.[711] In der Todesfolge muss sich eine raubspezifische Gefahr verwirklicht haben.[712] Dies ist zumindest dann der Fall, wenn der Todeseintritt unmittelbar durch den nötigenden Teilakt des Raubes verursacht worden ist.[713] Nicht notwendig ist nach neuerer Rspr., dass die qualifizierende Todesfolge unmittelbar durch eine final der Wegnahme dienende Nötigungshandlung verursacht wird.[714] Ausreichend ist vielmehr, wenn die den Tod herbeiführende Handlung derart eng mit dem Raubtatbestand verbunden ist, dass die dem Raub innewohnende typische Gefährlichkeit verwirklicht wird.[715] Anders als die vorherige Fassung des § 251 StGB („durch die gegen ihn verübte Gewalt“[716]) bezieht die aktuell geltende Fassung alle Raubmittel, mithin auch die Drohung, ein. § 251 StGB kann also auch einschlägig sein, wenn das Opfer drohungsbedingt verstirbt (z.B. aufgrund einer tödlichen Schockwirkung etwa bei Herzkranken).[717] Der erforderliche gefahrspezifische Zusammenhang fehlt oft dort, wo der Eintritt der Todesfolge nicht unmittelbar auf das Verhalten des Täters, sondern unmittelbar auf das Verhalten des Opfers bzw. von Dritten zurückzuführen ist,[718] z.B. in Fällen der Nacheile (Verfolgerfälle), sofern diese nicht bereits die objektive Zurechnung ausschließen (Rn. 156). Ein Beispiel[719]: Der Täter raubt das Opfer aus und läuft davon. Dieses verfolgt den Räuber, stolpert dabei unglücklich und bricht sich bei dem Sturz das Genick. Dies ist insbesondere umstritten, soweit es um Rettungsversuche der Polizei geht.[720] Der spezifische Gefahrverwirklichungszusammenhang fehlt z.B., wenn der Täter nach Scheitern seines Raubvorhabens das Opfer aus Wut und Panik erschießt.[721] Str. ist,[722] ob auch eine wegnahmebedingte Verursachung des Todes erfasst ist oder ob hier der gefahrspezifische Zusammenhang fehlt. Beispiele sind die Wegnahme lebensnotwendiger Medikamente oder Kleidung bei großer Kälte.[723] Eine Auffassung beruft sich auf den Wortlaut, der gerade keine Begrenzung auf das Raubmittel vorsieht, sodass alle Tathandlungen einzubeziehen sind.[724] Dem stehe auch das Gebot möglichst restriktiver Auslegung nicht entgegen.[725] Die h.L. argumentiert, dass die raubspezifische Gefahr nur aus dem Raubmitteleinsatz hervorgeht (nicht aus der Wegnahme).[726] Es gebe gerade keinen Diebstahl mit Todesfolge, sodass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass Wegnahmehandlungen nicht typischerweise lebensgefährlich sind.[727] Im Hinblick auf die hohe Strafdrohung des § 251 StGB ist dieser restriktiv auszulegen.

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In zeitlicher Hinsicht muss der Täter bereits in das Versuchsstadium des Raubes eingetreten sein;[728] eine Vollendung des Raubes ist nicht notwendig; es kommt dann nach allgemeinen Grundsätzen ein erfolgsqualifizierter Versuch des Raubes mit Todesfolge in Betracht. Führt eine nicht zum Zwecke der Wegnahme begangene Körperverletzung zum Tod, wird die Tat auch dann nicht zu § 251 StGB qualifiziert, wenn vor dem Tod noch eine Wegnahme erfolgt.[729] Umgekehrt hindert der Tod des Opfers bereits bei der Wegnahme die Vollendung des Raubes mit Todesfolge nicht.[730] Problematisch ist der Zeitpunkt, zu dem die den Todeserfolg zurechenbar verursachende Handlung spätestens vorliegen muss. Hier wiederholt sich der bereits bei § 250 StGB geführte Streit hinsichtlich der Verwirklichung qualifizierender Merkmale nach Raubvollendung (Rn. 121). Nach der Rspr.[731] und einem Teil der Lehre[732] soll es genügen, wenn die Handlung nach Vollendung und vor Beendigung des Raubes vorgenommen wird. Denn auch in der Beutesicherungsphase könne sich das raubspezifische Risiko realisieren.[733] Voraussetzung ist aber stets, dass die den Tod des Opfers herbeiführende Handlung mit dem Raubgeschehen derart eng verbunden ist, dass sich in der Todesfolge die der konkreten Raubtat eigentümliche besondere Gefährlichkeit verwirklicht und der Raub noch nicht beendet war.[734] Dem entgegnet die h.L.[735] – entsprechend der Argumentation bei § 250 StGB – mit dem Tatbegriff,[736] der den relevanten Zeitpunkt eingrenzt. § 251 StGB setzt die Verursachung der Todesfolge „durch den Raub“, d.h. durch das den Tatbestand des § 249 StGB erfüllende Tatgeschehen voraus.[737] Zwar vermöge die Gegenauffassung gewisse Zufälligkeiten wertend auszugleichen, verlasse aber den Boden einer am Wortlaut orientierten Tatbestandsauslegung und läuft dadurch dem Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG zuwider.[738] „Durch den Raub“ heiße eben nicht „gelegentlich des Raubes“.[739] Darüber hinaus greift auch hier der Einwand der Unsicherheit hinsichtlich der Bestimmung des Beendigungszeitpunktes sowie der drohenden Umgehung der Voraussetzungen des § 252 StGB.[740] Krit. zu sehen ist auch, dass – im Gegensatz zu § 250 StGB (Rn. 121) – nicht einmal Zueignungs- bzw. Beutesicherungsabsicht erforderlich sein soll, vielmehr soll die Ermöglichung der Flucht ausreichen.[741] Die h.L. verdient daher Zustimmung. § 251 StGB kann nur durch Handlungen bis zur Vollendung der Wegnahme erfüllt werden. Danach ist auch eine Verwirklichung von Qualifikationsmerkmalen nach dem Fehlschlag eines Versuchs des Raubes ausgeschlossen,[742] wohingegen zumindest die bisherige Rspr.[743] in diesen Konstellationen die Möglichkeit eines erfolgsqualifizierten Versuches für gegeben ansieht.

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